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Likertskalen und anderes

BeitragVerfasst: Mo 25. Sep 2017, 20:33
von bele
Rensis Likerts Name ist untrennbar verbunden mit der Likert Skala. Die entscheidende Publikation stammt von 1932: Likert, R. “A technique for the measurement of attitudes”.Archives of Psychology, 1932;Vol 22, No. 140, p 55 und lässt sich im schlimmsten Fall auch heute noch nachlesen: https://legacy.voteview.com/pdf/Likert_1932.pdf

Man kann nun lange darüber streiten, ob der Name Likert Skala nur für das Messen von Einstellungen, nur für 5-stufige Antwortformate oder nur für bipolare Formate verwendet werden soll. (Wer will, findet hier einen Einstieg: http://core.ecu.edu/psyc/wuenschk/StatHelp/Likert.htm und hier eine gute Zusammenfassung http://www.john-uebersax.com/stat/likert.htm ).

Im Statistik-Forum wiederholen sich gewisse Aspekte, die besser hier einmal ausführlich besprochen als immer wieder neu oberflächlich angerissen werden sollten. Zwecks einfacherer Verlinkbarkeit, mache ich für verschiedene Aspekte je einen Post auf. Bitte diskutiert hier nicht Eure individuellen Detailfragen - andererseits ist jeder eingeladen, grundsätzliches über Likertskalen in weiteren Punkten hier zu ergänzen.

LG,
Bernhard

Punkt 1 - Der Unterschied zwischen Likert-Skala und Items vo

BeitragVerfasst: Mo 25. Sep 2017, 20:34
von bele
Punkt 1 - Der Unterschied zwischen Likert-Skala und Items vom Likert-Typ

Für den aktuellen Sprachgebrauch stütze ich mich mal auf folgendes Zitat aus der Wikipedia:
Die Likert-Skala ist ein Verfahren zur Messung persönlicher Einstellungen. Die Skalen bestehen aus mehreren Items vom Likert-Typ. Diese sind Aussagen, denen die Befragten auf einer vorgegebenen mehrstufigen Antwortskala mehr oder weniger stark zustimmen oder die sie ablehnen können. Die Punktwerte der einzelnen Antworten werden ungewichtet addiert und ergeben so den Wert der Skala. Die Bezeichnung Likert-Skala ist nicht zu verwechseln mit der Antwortskala eines einzelnen Items vom Likert-Typ.

Eine Skala besteht demnach aus mehreren Items und ein Item allein ist keine Likert-Skala! Gerne wird im Forum geschrieben, dass man eine Likert-Skala verwendet habe, und dann war es nur eine Ein-Item-Skala. Wenn Du hierher verlinkt worden bist stehen die Chancen gut, dass Du damit gefragt werden sollst, ob es wirklich eine Likert-Skala oder nur ein Item mit einem Likert-Anwortformat ist.

Punkt 2 - Likert- oder Rating-Skala - warum so kleinlich?

BeitragVerfasst: Mo 25. Sep 2017, 20:39
von bele
Punkt 2 - Likert- oder Rating-Skala - warum so kleinlich?

Der Unterschied ist bedeutsam. Likert hat den an sich ordinal skalierten Antwortmöglichkeiten einfach Zahlenwerte zugeordnet, und diese dann addiert, obwohl man ordinalskaliertes nicht addieren kann. Likert schreibt in der oben zitierten Publikation:
Although the sigma technique seemed to be quite satisfactory for the intended use, it was decided to try a simpler technique to see if it gave results comparable with the sigma technique. If it did, the simpler method would save considerable work in a general survey type of study of this kind. The simpler technique involved the assigning of values of from 1 to 5 to each of the five different positions on the five-point statements. The ONE end was always assigned to the negative end of the sigma scale, and the FIVE end to the positive end of the sigma scale.
After assigning in this manner the numerical values to the possible responses, the score for each individual was determined by finding the average of the numerical values of the positions that he checked. Actually, since the number of statements was the same for all individuals, the sum of the numerical scores rather then the mean was used. The reliability of odds vs. evens for this method yielded essentially the same values as those obtained with the sigma method of scoring. The scores obtained by this method and the sigma method correlated almost perfectly as will be seen in Table IV.


Im Klartext: Das war uns alles zu kompliziert, wir haben es einfach mal einfach probiert und es hat gut funktioniert. Seither hat es in den danach folgenden 85 Jahren immer gut funktioniert. Deshalb gibt es in der Klassischen Testtheorie den Konsens, dass man Likert-Skalen ihren Geburtsfehler der Addition von ordinalen Werte verzeiht und ihre Ergebnisse quasi-metrisch verwendet - was viele Privilegien mit sich bringt.

Diese Privilegien gelten aber für Likert-Skalen, nicht für jede fünfstufige Ratingskala, die gar keine Likert-Skala ist. Deshalb ist es wichtig, präzise zwischen Likert-Skalen und Rating-Skalen zu unterscheiden. Likertskalen können unter Umständen quasimetrische abhängige Variable in einer einfachen linearen Regression sein, für 5stufige Ratingskalen bieten sich dann doch eher ordinale Regressionen (Stichwort: logistische Regression) an.

Ausweichsweise können im Einzelfall auch Single-Item-Skalen mit sehr vielen Stufen (Beispiel mit ausführlicher Diskussion siehe hier: https://www.gesis.org/fileadmin/upload/ ... 014-33.pdf ) oder Visuelle Analogskalen hilfreich sein. Es gibt viele gute Fragen- und Antwortformate.

Re: Likertskalen und anderes

BeitragVerfasst: Mo 25. Sep 2017, 20:40
von bele
Punkt 3 - Wenn ich mir ein paar Items ausdenke, ist das dann eine Likert-Skala?

Likert-Skalen funktionieren im Alltag gut, wenn die Items vernünftig formuliert und zusammengestellt werden. Dies ist keine einfache Aufgabe und ich würde mich freuen, wenn hier ein Berufener etwas mehr zu den berechtigten Ansprüchen an die Untersuchung einer Skala darstellen würde. Bis dahin verstecke ich mich hinter folgendem Link: https://wpgs.de/fachtexte/frageboegen/1 ... em-skalen/

Re: Likertskalen und anderes

BeitragVerfasst: Mo 25. Sep 2017, 23:10
von strukturmarionette
Hi,

- dazu ergänzen möchte ich folgendes:
https://videoonline.edu.lmu.de/de/somme ... er-2007/03

Gruß
S.

Re: Likertskalen und anderes

BeitragVerfasst: Do 14. Dez 2017, 18:55
von bele
Punkt 4 - Agree and Strongly Agree is not Agree-And-A-Half

Wenn man nun nur ein Item vom Likert-Typ hat, wie soll man das nun statistisch verarbeiten? Eine ganze Reihe guter Vorschläge für Grafiken und Testung findet man, leider nur auf Englisch, hier: https://bookdown.org/Rmadillo/likert/

Chapter 7 A final word

“But everybody does it!” Yeah, and they’re wrong.

“But it’s directionally correct!” When a concept is based on discrete categories, “in-between” states are simply incoherent. The light’s either on or off, practically speaking.

“But I want to!” No. Just. No.