Bonferroni-Korrektur

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Bonferroni-Korrektur

Beitragvon MBoedler » Mi 4. Aug 2021, 18:13

Hallo liebes Forum,

ich bin beim Statistik-Teil meiner medizinischen Doktorarbeit bei folgendem Problem: ich führe für meinen Datensatz über 20 Tests durch, allerdings beziehen sich die Tests auf unterschiedliche Parameter und ich bin mir nicht sicher, wie groß mein Nenner bei der Bonferroni-Korrektur nun sein muss.

Das Versuchsdesign sieht grob skizziert so aus, dass ich eine Patientengruppe mit zwei verschiedenen Methoden zu bestimmten Parametern zu verschiedenen Tageszeiten untersuche. Wenn ich jetzt bspw. die Ergebnisse von Parameter 1 morgens, mittags und abends zwischen den beiden Methoden vergleichen will, habe ich ja eine multiple Testung und muss den p-Wert 0,05 für eine Bonferroni-Korrektur durch drei (jeweils ein Wert für morgens, mittags und abends) teilen (=0,0167). Wenn ich die selbe Testung nun für Parameter 2 durchführen möchte (also Vergleich morgens, mittags, abends zwischen den beiden Methoden), muss ich dann das Signifikanzniveau von 0,0167 nochmal durch drei teilen oder kann ich, da es sich um einen anderen Parameter handelt, wieder von einem Signifikanzniveau von 0,05 ausgehen und dieses durch drei teilen?

Ich bin mir diesbezüglich nicht sicher, da ich ja die selbe Gruppe miteinander vergleiche aber es sich wie gesagt um einen anderen Parameter handelt, der getestet wird. Mit anderen Worten: gilt die Alpha-Fehler-Akkumulierung immer nur für einen spezifischen Parameter, den ich testen möchte und sind andere davon ausgeschlossen oder gilt sie für alle Tests, die ich an einer Stichprobe mache, unabhängig davon, welchen spezifischen Parameter die einzelnen Tests untersuchen?

Viele Grüße
Marek
MBoedler
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Re: Bonferroni-Korrektur

Beitragvon bele » Mi 4. Aug 2021, 21:04

Hallo Marek,

so eine ganz einfache und allgemeingültige Antwort gibt es da leider nicht. Man muss immer eine individuelle Abwägung von Alpha- und Betafehler treffen. Wenn Du garantieren willst, dass Du in Deiner Arbeit insgesamt keinen Alphafehler > 5% risikieren willst musst Du durch Anzahl der Parameter mal drei teilen. Das führt dann aber zu einem erhöhten Risiko, tatsächlich vorhandene Effekte als nichtsignifikant abzuwerten. Wenn Du hunderte von Patienten hast, dann kannst Du locker korrigieren. Wenn es um ein seltenes Krankheitsbild geht, bei dem wir aus wenigen Patienten viel lernen müssen, kann es sinnvoll sein ein erhöhtes allgemeines Alpharisiko einzugehen. Je verschiedener die Parameter voneinander sind, umso eher würde ich das wie verschiedene Studien betrachten und nur pro Parameter korrigieren. Wenn es nur eine Pilotstudie zur Vorbereitung einer größeren Studie wäre würde ich vielleicht gar nicht korrigieren.

Es kommt also aufs Detail, Deine und die Einstellung Deiner Betreuer an.

LG,
Bernhard
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Re: Bonferroni-Korrektur

Beitragvon strukturmarionette » Mi 4. Aug 2021, 21:57

Hi,

Ich bin mir diesbezüglich nicht sicher, da ich ja die selbe Gruppe miteinander vergleiche aber es sich wie gesagt um einen anderen Parameter handelt, der getestet wird

- Fragestellunge(en) und Arbeitshypothese(n) wären hilfreich
- möglicherweie stellt sich eine Frage nach Inferenzstatistik nicht

Gruß
S.
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Re: Bonferroni-Korrektur

Beitragvon MBoedler » Mi 4. Aug 2021, 22:40

Hallo Bele und Strukturmarionette,

Vielen Dank für eure schnellen Antworten. Ich wusste tatsächlich nicht, dass man diesbezüglich Handlungsspielraum hat, sondern dachte, dass es eine feste Regel gäbe, die man immer befolgen müsste und die Ergebnisse sonst nicht verwertbar wären. Leider kann ich von meiner Doktormutter keine wirkliche Hilfe erwarten, da sie bei ihrer eigenen Auswertung der Daten mit den falschen Testverfahren gerechnet hat (Tests für unabhängige Stichproben obwohl es sich hier um abhängige Stichproben handelt). Also sie hat, wie ich irgendwann herausfinden musste, nachdem ich die Materie etwas besser verstanden hatte, leider nicht so wirklich viel Ahnung.

Die Fragestellung lautet (paraphrasiert): Kann die Langzeitmanometrie mehr Ösophagusmotilitätsstörungen erkennen als die Kurzzeitmanometrie und wie verhält sich die Ösophagusmotilität im Tagesverlauf?

Erklärung: Es gibt Ösophagusmotilitätsstörungen (also Erkrankungen der Speiseröhre, bei denen z.B. durch Muskelkrämpfe Nahrung stecken bleiben kann und dabei Schmerzen entstehen), die über ein Verfahren namens Ösophagusmanometrie diagnostiziert werden. Dies ist eine Untersuchung, bei der ein Katheter (eine Art dünner Schlauch) mit Drucksensoren dem Patienten durch die Nase in die Speiseröhre und in den Magen geschoben wird. Der Patient soll daraufhin erst Wasser und dann eine Testmahlzeit konsumieren, um die Symptome seiner Erkrankung zu provozieren. Die einzelnen Messparameter, die für die Erkrankung relevant sind, werden graphisch am PC dargestellt und helfen einem bei der Diagnosefindung.

Danach erhalten die selben Patienten eine Langzeitmanometrie über 24 Stunden (die Patienten laufen dann einen Tag lang mit dem Katheter und einem Datenlogger rum). Es geht darum zu zeigen, dass die Langzeitmanometrie sensitiver in der Erkennung dieser Erkrankungen ist als die Kurzzeitmanometrie. Weiterhin werden die verschiedenen Messparameter im Tagesverlauf miteinander verglichen um zu untersuchen, wie sich die Ösophagusmotilität über den Tag hinweg verhält (also bspw. ob Krämpfe z.B. eher tagsüber oder nachts auftreten).

Frage 1: Kann durch das Hinzufügen einer Testmahlzeit die Ausbeute an diagnostizierten Ösophagusmotilitätsstörungen gesteigert werden (vs. nur Wasserschluck)?
Frage 2: Kann durch die Langzeitmanometrie die Ausbeute an diagnostizierten Ösophagusmotilitätsstörungen gesteigert werden (vs. Testmahlzeit)?

Bei den nächsten Fragen geht es um drei verschiedene Messparameter, die ich aus den Manometrien erhoben habe. Ich nenne sie der Einfachheit halber mal A, B und C. Die Parameter A, B und C wurden jeweils unterteilt in -Gesamt, -Tag, -Nacht, -interdigestiv (=zwischen Mahlzeiten) und -prandial (=während des Essens). Also von jedem Parameter gab es dann insgesamt 5 Ausführungen (nur für die Langzeitmanometrie, bei der Kurzzeitmanometrie gab es nur dem "-gesamt"-Parameter).

Frage 1: gibt es einen Unterschied zwischen A-gesamt (Langzeitmanometrie) und A (Kurzzeitmanometrie)?
Frage 2: gibt es einen Unterschied zwischen B-gesamt (Langzeitmanometrie) und B (Kurzzeitmanometrie)?
Frage 3: gibt es einen Unterschied zwischen C-gesamt (Langzeitmanometrie) und C (Kurzzeitmanometrie)?

Frage 4: wie ist die Korrelation zwischen A-gesamt (Langzeitmanometrie) und A (Kurzzeitmanometrie)?
Frage 5: wie ist die Korrelation zwischen B-gesamt (Langzeitmanometrie) und B (Kurzzeitmanometrie)?
Frage 6: wie ist die Korrelation zwischen C-gesamt (Langzeitmanometrie) und C (Kurzzeitmanometrie)?

Frage 7: gibt es einen Unterschied zwischen A-Tag und A-Nacht? (beides Langzeitmanometrie)
Frage 8: gibt es einen Unterschied zwischen B-Tag und B-Nacht? (beides Langzeitmanometrie)
Frage 9: gibt es einen Unterschied zwischen C-Tag und C-Nacht? (beides Langzeitmanometrie)

Frage 10: gibt es einen Unterschied zwischen A-prandial und A-interdigestiv? (beides Langzeitmanometrie)
Frage 11: gibt es einen Unterschied zwischen B-prandial und B-interdigestiv? (beides Langzeitmanometrie)
Frage 12: gibt es einen Unterschied zwischen C-prandial und C-interdigestiv? (beides Langzeitmanometrie)

Frage 13: wie ist die Korrelation zwischen A-Tag und A-Nacht? (beides Langzeitmanometrie)
Frage 14: wie ist die Korrelation zwischen B-Tag und B-Nacht? (beides Langzeitmanometrie)
Frage 15: wie ist die Korrelation zwischen C-Tag und C-Nacht? (beides Langzeitmanometrie)

Frage 16: wie ist die Korrelation zwischen A-prandial und A-interdigestiv? (beides Langzeitmanometrie)
Frage 17: wie ist die Korrelation zwischen B-prandial und B-interdigestiv? (beides Langzeitmanometrie)
Frage 18: wie ist die Korrelation zwischen C-prandial und C-interdigestiv? (beides Langzeitmanometrie)


Viele Grüße
Marek
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Re: Bonferroni-Korrektur

Beitragvon bele » Do 5. Aug 2021, 06:45

Hi! Vorneweg, welches Skalenniveau haben A, B und C und wieviel Patienten gibt es?

LG, Bernhard
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Re: Bonferroni-Korrektur

Beitragvon MBoedler » Do 5. Aug 2021, 10:01

Die Fragestellungen bzgl. der diagnostischen Ausbeute beinhalten 83 Patienten und alle anderen Fragestellungen haben 97 Patienten. Es handelt sich hierbei um die selbe Patientengruppe, die 14 Patienten, die in der ersten Fragestellung fehlen, mussten aufgrund von Problemen bei der Testmahlzeit rausgenommen werden (welche für die anderen Fragestellungen keine Relevanz hat).

Die Fragestellungen bzgl. der diagnostischen Ausbeute müssten meines Verständnisses nach nominalskaliert sein, da es sich um ein dichotomes Merkmal handelt (Normalbefund vs. Motilitätsstörung), da habe ich den McNemar-Test verwendet.

Alle anderen Fragestellungen basieren auf metrisch skalierten Daten, da habe ich je nachdem, ob die Differenz der zu testenden Parameter normalverteilt war, mit t- bzw. U-Test und Pearson bzw. Spearman gearbeitet.

Viele Grüße
Marek
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Re: Bonferroni-Korrektur

Beitragvon bele » Do 5. Aug 2021, 16:26

Hallo Marek,

also mir scheint es so, als müsste es möglich sein, in diesem Wust an Fragen eine oder wenige Hauptfragestellungen zu definieren und den Rest als Nebenfragestellung nicht zu korrigieren.

Die Fragestellung lautet (paraphrasiert): Kann die Langzeitmanometrie mehr Ösophagusmotilitätsstörungen erkennen als die Kurzzeitmanometrie und wie verhält sich die Ösophagusmotilität im Tagesverlauf?


Dann wäre Langzeit versus Kurzzeit eine gute Hauptfragestellung die einen statistischen Test für eine Ja/Nein-Antwort braucht wohingegen der Aspekt des Verhaltens im Tagesverlauf mehr einen beschreibenden Charakter hat als eine vordergründige Ja/Nein-Entscheidung sucht. Grenz ein, welches die wichtigsten Ja/Nein-Entscheidungen sind und korrigiere nur für die.

Frage 13: wie ist die Korrelation zwischen A-Tag und A-Nacht? (beides Langzeitmanometrie)
Frage 14: wie ist die Korrelation zwischen B-Tag und B-Nacht? (beides Langzeitmanometrie)
Frage 15: wie ist die Korrelation zwischen C-Tag und C-Nacht? (beides Langzeitmanometrie)


Diese ganzen "wie ist die Korrelation"-Fragen wollen ja hauptsächlich mit einem r-Wert, nicht primär mit einem p-Wert beantwortet werden. Auf gar keinen Fall würde ich mir die Berechnung der p-Werte für die Hauptfragestellung verderben lassen durch so eine dämliche Frage wie die nach der Signifikanz der Korrelation zwischen dem Auftreten von Ösophagusmotilitätsstörungen am Tag und in der Nacht.

LG,
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Re: Bonferroni-Korrektur

Beitragvon MBoedler » Fr 6. Aug 2021, 10:40

Lieber Bernhard,

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort, du hast mir sehr dabei geholfen!!! Ich finde deinen Vorschlag sehr schlüssig und werde mich danach richten.

Viele Grüße
Marek
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