Auswahl des statistischen Verfahrens

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Auswahl des statistischen Verfahrens

Beitragvon Ali_Li » So 10. Dez 2023, 10:04

Hallo ich schreibe meine Masterarbeit in Psychologie und kämpfe mit der richtigen Auswahl der statistischen Verfahren für meine Fragestellungen. Ich wäre sehr dankbar für Hilfe!!
Meine Forschungsfrage lautet:

Forschungsfrage 1: Gibt es sprachliche Unterschiede zwischen Wissenserinnerung, Fantasieerinnerung und Wahnerinnerung bei PatientInnen mit Bipolarer Störung?
Hypothese 1: Wahnvorstellung stimmen eher mit Erinnerungen an die Realität überein .
Hypothese 2: Wahnvorstellungen stimmen eher mit Erinnerungen an Fantasieerinnerungen ein.
Hypothese 3: Die Unterschiede in den sprachlichen Mustern zwischen den PatientInnen variieren.

Es gibt also hier eine UV mit 3 Ausprägungen oder? UV: Erinnerungsformalität (Wissen, Fantasie, Wahnerinnerung). Und die AV sind die sprachlichen Unterschiede (hier gibt es ungefähr 10 Variablen die untersucht werden und die Daten sind metrisch.

Ich weiß leider gar nicht mehr weiter :?
Ali_Li
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Re: Auswahl des statistischen Verfahrens

Beitragvon PonderStibbons » So 10. Dez 2023, 11:06

Einige weitere Angaben wären nützlich. Wie wurde die Erhebung konkret durchgeführt,
wie werden die 10 abhängigen Variablen gemessen und welches ist deren Skalenniveau,
wie groß ist die Patientenstichprobe?

Hypothese 1: Wahnvorstellung stimmen eher mit Erinnerungen an die Realität überein .
Hypothese 2: Wahnvorstellungen stimmen eher mit Erinnerungen an Fantasieerinnerungen ein.

Eher als was? Und woran lässt sich Übereinstimmung konkret festmachen?
Hypothese 3: Die Unterschiede in den sprachlichen Mustern zwischen den PatientInnen variieren.

Wie werden sprachliche Muster operationalisiert und gemessen?
Was ist konkret mit "Unterschiede in den sprachlichen Mustern" bezeichnet?

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Auswahl des statistischen Verfahrens

Beitragvon bele » So 10. Dez 2023, 15:56

Hallo Ali,

bevor ich irgendwas schreibe muss ich mich zunächst einmal hinter PonderStibbons stellen: Ohne eine bessere Beschreibung kann man das nicht beantworten. Eine grobe Richtung hast Du ja schon selbst gegeben, indem Du Deine Variablen als unabhängige und abhängige Daten beschrieben hast. Du brauchst ein Regressionsverfahren, an dessen Ergebnisseite eine von drei nominalen Gruppen steht. Eine Regression mit nominalen abhängigen Variablen nennt man auch Klassifikationsverfahren. Nun gibt es Maße für die Güte eines Klassifikationsverfahrens, beispielsweise die accuracy, den Anteil der korrekten Vorhersagen unter allen Vorhersagen.

Nehmen wir an, Deine erste Hypothese lautet: "Wahnerinnerungen sind ähnlicher zu Wissen als zu Fantasie." Jetzt müsste man vielleicht noch überlegen, ob die Fragestellung Untersuchungen innerhalb von Individuen oder ganz allgemein beschreiben soll, ob wir verbundene oder unverbundene Stichproben untersuchen wollen, aber das hat vielleicht noch Zeit für später. Wenn nun die zehn Prädiktoren eine bessere accuracy in der Unterscheidung von Wahn und Wissen als in der Unterscheidung von Wahn und Fantasie erreichen, dann wäre das m. E. eine gute Formalisierung von "ähnlich sein".

Wir müssen also für Deinen Einzelfall ein passendes Klassifikationsverfahren heraussuchen, wir müssen uns für Deine Fragestellung überlegen, ob es passender ist als Maßzahl der Vorhersagegüte nach accuracy oder nach positivem prädiktivem Wert oder nach Sensitivität oder nach Spezifität oder (hier interessanter Link zum Thema) zu schauen und wir müssen uns überlegen, wie wir Signifikanzvergleiche zwischen diesen Vorhersagegütekriterien durchführen wollen. Und das macht ohne weitere Erklärungen von Dir keinen Sinn. Es macht ja keinen Sinn, dass wir Dir ein neuronales Netzwerk zur Klassifikation vorschlagen und dann kommt heraus, dass Du nur dreißig Patienten in der Stichprobe hast.

Meinem Vorurteil zufolge bist Du als Psychologe am ehesten mit Regressionsverfahren aus dem Bereich der linearen Modelle vertraut, da würde sich dann die logistische Regression anbieten. Da gilt es die binär-logistische Regression von der multinomialen zu unterscheiden. Letzteres würde dann zu einer natürlichen Reihenfolge aus Wissen, Wahn und Fantasie führen, macht aber nur Sinn, wenn eine solche Reihung der drei Gruppen entlang eines Kontinuums mit Deinen Vorstellungen vom Zusammenhang zwischen UV und AV kompatibel ist. Das können wir Dir nicht abnehmen. Schon gar nicht, wenn wir nichts über die Prädiktoren wissen, als dass sie metrisch sind.

Vergiss nicht, dass es nicht nur generalisierte lineare Modelle gibt, sondern die Welt auch Klassifikationsbäume, Random Forests, Boosting, Neuronale Netze, Nearest Neighbours und andere Verfahren gibt. Am Ende kannst Du dann vielleicht nicht mehr nachvollziehen, was genau Dein Klassifikator macht, aber Du kannst Dich dann mit Modebegriffen wie Künstliche intelligenz oder Maschinenlernen schmücken. Wiederum in meinem Cliché von dem, was Psychologiestudierende hier so an Verfahren nutzen/gelernt haben, wäre die Lineare Diskriminanzanalyse wahrscheinlich ein statistischer Weg in die Beantwortung Deiner Aufgabe.

So, präziser wird es mit den gemachten Angaben nicht, aber Du kannst nicht mehr sagen, Du wüsstest gar nicht mehr weiter. Zumindest solltest Du Dir die Lineare Diskriminanzanalyse (noch?) mal anschauen (Fisher 1936, Wikipedia) und PonderStibbons Fragen möglichst ausführlich beantworten.

LG,
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