Nullhypothesen

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Nullhypothesen

Beitragvon Fingolfin » Mi 11. Okt 2023, 08:53

Hallo zusammen,

ich schildere euch kurz mein Anliegen: Ich versuche gerade zu einem bestimmten Sachverhalt passende Nullhypothesen zu finden. Ein Unternehmen plant die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu steigern und möchte ein spezielles Programm zur Mitarbeiterzufriedenheit implementieren. Es sollen an ausgewählten Tagen ein Massageangebot eingeführt werden und ein Fitnessraum mit Kursangeboten etc. soll eingerichtet werden, indem die Mitarbeiter kostenfrei trainieren dürfen. Auch soll es gratis Kaffee und Getränke. Vor einer flächendeckenden Einführung möchte man das Programm in einer Filiale testen und nach einer gewissen Zeit die Mitarbeiterzufriedenheit erheben.
Da man davon ausgeht, dass das Gehalt ebenfalls einen Einfluss auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter haben könnte, sollen im Fragebogen ebenfalls Angaben zum Gehalt gemacht werden. Mitarbeiter unter 5.000€ sollen mit "0" antworten, die mit mehr als 5.000€ mit "1".
Die gleiche Erhebung wird ebenfalls in einer Filiale durchgeführt, in der diese Maßnahmen bisher nicht eingeführt wurde, um diese als Kontrollgruppe zu nutzen.

Meine Frage bezieht sich nun auf die passenden Nullhypothesen. Meiner Meinung nach könnt man hier drei Hypothensenpaare formulieren:

1. Das Programm hat keinen Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit.
2. Das Gehalt hat keinen Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit.
3. Die Interaktion zwischen Programm und Gehalt hat keinen Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit.

Noch kurz eine Frage zum korrekten Verfahren. Ich würde in dem Kontexte eine zweifaktorielle ANOVA nutzen. Wie seht ihr das? Über Tipps, Ratschläge, Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge würde ich mich sehr freuen.

Danke im Voraus und liebe Grüße
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Re: Nullhypothesen

Beitragvon PonderStibbons » Mi 11. Okt 2023, 11:01

Eine Nullhypothese enthält einen statistischen Parameter:
"Der Mittelwert des Alters bei Ärzten ist = Mittelwert des Alters bei Ingenieuren"
"Gehalt korreliert mit Körpergröße zu r= 0"
"Der prozentuale Anteil Männer ist im Pflegebereich = dem prozentualen Anteil Männer im Verwaltungsberech".4

Im Zusammenhang mit einer zweifaktoriellen Varianzanalyse wird es bei der Formulierung etwas komplizierter.

Letztlich stellt sich die Frage, wozu das überhaupt hier gebraucht wird. Wenn klare Forschungshypothesen
formuliert werden und eine klare Auswertung beschrieben wird, ergibt sich die Nullhypothese doch
implizit von selber. Wenn ich schreibe "Meine Hypothese ist, dass Ärzte im Schnitt älter sind als Ingenieure"
und rechne einen Welch-t-Test, dann schreibe ich doch noch eigens eine Nullhypothese dazu. Ausnahme
wären einseitige Nullhypothesentests.

Mit freundlichen
PonderStibbons
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Re: Nullhypothesen

Beitragvon Fingolfin » Mi 11. Okt 2023, 16:31

Danke @PonderStibbons für die Antwort.

Im Rahmen der Aufgabenstellung soll ja überprüft werden, ob sich das Programm zur Mitarbeiterzufriedenheit bewährt und das tut, was es soll: Mitarbeiter zufriedenstellen.

Ich gebe dir recht, dass die Nullhypothesen statistische Parameter enthalten sollten

H01: μ Intervention = μ ohne Intervention
H02: μ Gehalt Gruppe1 μ Gehalt Gruppe 2
Bei H03 bin ich mir unsicher, wie ich das mit dem Interaktionseffekt formulieren muss.

Wenn ich allerdings die Hypothesen so stehen lasse, dann ist natürlich klar, dass die ersten beiden mit t-Test (sofern die Voraussetzungen erfüllt sind) überprüft werden sollten, da es nur zwei Ausprägungen gibt.
Bei dem Interaktionseffekt gilt es ja, erst mal zu schauen, ob die Interaktion signifikant ist, um zu sehen, ob da wirklich eine Wechselwirkung vorliegt.
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Re: Nullhypothesen

Beitragvon PonderStibbons » Mi 11. Okt 2023, 17:46

Das ist mir zugegebenermaßen ein wenig fremd, weil bei den statistischen Tests die Nullhypothese
in etwa klar ist und ich gleichzeitig nicht recht wüsste, wozu man sie eigens formulieren sollte.
Bei dem Interaktionseffekt gilt es ja, erst mal zu schauen, ob die Interaktion signifikant ist, um zu sehen, ob da wirklich eine Wechselwirkung vorliegt.

Den Satz verstehe ich nicht. Wechselwirkung heißt, der Mittelwert-Unterschied zwischen den Gruppen ist
je nach Gehalt unterschiedlich groß.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Nullhypothesen

Beitragvon bele » Mi 11. Okt 2023, 20:58

Fingolfin hat geschrieben:1. Das Programm hat keinen Einfluss auf die Mitarbeiterzufriedenheit.


Hier wird ein Experiment auf der Basis eines klar kausalen Modells erstellt, deshalb darf man hier "hat einen Einfluss auf" schreiben.

Wenn ich allerdings die Hypothesen so stehen lasse, dann ist natürlich klar, dass die ersten beiden mit t-Test (sofern die Voraussetzungen erfüllt sind) überprüft werden sollten


Der t-Test wäre hier equivalent zu einer einfaktoriellen Varianzanalyse. Du willst aber keine ein- sondern eine zweifaktorielle Varianzanalyse rechnen. Warum? Ich glaube, wenn Du Dir klar machst, warum Du hier nicht zwei t-Tests sondern eine zweifaktorielle Varianzanalyse rechnen möchtest, dann kannst Du wahrscheinlich auch Deine Nullhypothesen anpassen.

LG,
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Re: Nullhypothesen

Beitragvon Fingolfin » Do 12. Okt 2023, 08:26

Hallo bele,

Danke für die Antwort. Es handelt sich bei der "Aufgabenstellung" um eine Fallstudie, die ich im Rahmen meines Studiums inklusive Hypothesenformulierung und der Anwendung des "richtige" Verfahrens durchführen muss.
Ich stand ein wenig auf dem Schlauch, hab dann aber ein Beispiel gefunden, in denen wenigstens mal die Hypothesen so ähnlich formuliert waren:
Wenn eine Gruppe von Menschen, die regelmäßig trainieren, einen 1.000m Lauf machen müssen, dann ist die Herzfrequenz im Vergleich zu einer Gruppe ohne Training 10min nach der Belastung niedriger im Vergleich zu den Untrainierten. Wenn man nun noch betrachtet, dass das Geschlecht ebenfalls einen Einfluss hat und die Herzfrequenz bei untrainierten Frauen im Anschluss deutlich höher ist als bei den untrainierten Männern, die Abweichung zwischen den Geschlechtern in trainiertem Zustand aber deutlich kleiner ausfällt, dann kann man hier einen Interaktionseffekt annehmen. Die Nullhypothesen wurden da so ähnlich formuliert. Die Begründung war, dass es drei Quellen für Variabilität in der Ausprägung der abhängigen Variabelen gibt: der Trainingszustand, das Geschlecht und die Interaktion zwischen beiden Faktoren. Das vorgeschlagene Verfahen in diesem Fall war die zweifaktorielle ANOVA.

Beim richtigen Verfahren bin ich mir tatsächlich unsicher. Da wäre ich für Ideen, Erklärungen warum etc. sehr dankbar. ;)
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Re: Nullhypothesen

Beitragvon bele » Do 12. Okt 2023, 14:28

Ok, mit der Frage nach dem "Warum?" hatte ich auf eine einsichtsvollere Antwort gehofft, als dass das in einem anderen Beispiel so gemacht worden ist. Die für meine Frage passende Antwort wäre gewesen: Weil ich Programmteilnahme und Einkommen gleichzeitig bei der Auswertung berücksichtigen will. Wenn beispielsweise die Mitarbeiterzufriedenheit bei Programmteilnehmern systematisch höher ist und Programmteilnehmer zufällig vor allem höhere Einkommen haben, dann würde ein schlichter t-Test finden, dass höhere Einkommen mit höherer Zufriedenheit einher gehen, weil der t-Test im Gegensatz zur 2-Faktor-Anova ja nichts über den anderen Einflussfaktor weiß.

Die ANOVA berücksichtigt Programmteilnahme und Einkommen gleichzeitig, sodass Du eine Nullhypothese formulieren könntest wie "Unter gleichzeitiger Berücksichtigung von Programmteilnahme und Einkommensgruppe, trägt die Programmteilnahme nicht zur Varianzaufklärung bei". Manche formulieren diese Berücksichtigung auch als "Kontrolle". Etwa "Wenn man für Einkommensgruppe kontrolliert, ist der Durchschnitt der Mitarbeiterzufriedenheit unabhängig von der Programmteilnahme" oder viele andere mögliche Formulierungen.

LG,
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Re: Nullhypothesen

Beitragvon Fingolfin » Fr 13. Okt 2023, 08:03

Hallo Bernhard,

leider konnte ich deine Hoffnung auf eine niveauvollere Antwort nicht erfüllen :D

Ich denke jetzt aber, um die Haupteffekte und die Interaktion zu überprüfen, bin ich mit der zweifaktoriellen ANOVA auf dem richtigen Weg.
Gesetzt den Fall, dass die Interaktion einen passenden F-Wert hat und signifikant ist, ist es dann möglich davon zu sprechen, dass die Position des Mitarbeiters die Effekte des Programms moderiert?

LG
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Re: Nullhypothesen

Beitragvon bele » Fr 13. Okt 2023, 17:03

Hallo Alex,

ist Position des Mitarbeiters überhaupt im Modell? Bisher waren da Teilnahme und Gehalt drin.

Du musst Dir halt im Klaren sein, dass das Modell symmetrisch ist. Einen signifikanten TeilnehmerXGehalt-Term kannst Du deuten als "das Gehalt moderiert den Teilnahmeeffekt" oder als "die Teilnahme moderiert den Gehaltseffekt". Da Du Teilnahme experimentell manipulierst wird Dir die erste Formulierung näher liegen. Alternativ kann man das auch neutraler formulieren: Die Auswirkungen von Gehalt und Teilnahme sind voneinander nicht unabhängig. Du kannst und solltest Dir überlegen, wie Du das machen willst.

LG,
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Re: Nullhypothesen

Beitragvon Fingolfin » Sa 14. Okt 2023, 10:38

Hallo Bernhard,

du hast mir schon mal um einiges weitergeholfen. Mittlerweile hab ich die zweifaktorielle ANOVA mal gerechnet und die Strichprobe zeigt einen signifikanten Effekt des Gehalts aber nicht des Programms und die Interaktion ist auch nicht signifikant.

Mir ist jetzt im Vorfeld bei der explorativen Datenanalyse noch aufgefallen, dass die abhängige Variable nicht normalverteilt ist, sprich der p-Wert des Shapiro-Wilk-Tests war positiv.

Soll ich dann bei der ANOVA den Kruskal-Wallis-Test als Interpretationsgrundlage nutzen, da die Normalverteilungsannahme verletzt ist? Und was wird in dem Fall aus der Inetraktion? In der Kruskal-Wallis-Tabelle finde ich nur die beiden Haupteffekte? :|

Wenn du mir vielleicht noch hier kurz aushelfen könntest, wäre ich dir sehr dankbar. Dann müsste ich aber auch über den Berg sein :)

LG
Alexander
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