Speiseröhrenkrebs, "hot spot" für Fistel errechnen?

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Speiseröhrenkrebs, "hot spot" für Fistel errechnen?

Beitragvon Explo » Fr 6. Okt 2017, 10:59

Hallo,

Ich habe Daten von Patienten mit Speiseröhrenkrebs. Eine seltene Komplikation ist, dass der Krebs in die Luftröhre einwächst und dort zu einer Fistel führt.
Hierzu habe ich ~50 Patienten mit Speiseröhrenkrebs ohne Fistel als Komplikation und 50 Patienten mit Fistel als Komplikation.
Bei jedem Patienten weiß ich die Ausdehnung des Tumors, z.B.:
Patient 1 wächst der Tumor von 15-22cm (ab Zahnreihe mittels Magenspiegelung gemessen) und führt zu einer Fistel
Patient 2 wächst der Tumor von 33-35cm und führt zu keiner Fistel
Patient 3 ...

Wenn man sich die Zahlen mit bloßem Auge ansieht, sieht man schon, dass bei ung. 22-25cm ein "hotspot" lieht. Wenn also die Tumore in diesem Bereich wachsen, führt das häufiger zur Fistelbildung.
Ich würde gerne eine Art "heatmap" erstellen. Also einerseits nachweisen, dass die Lage des Tumors die Fistelbildung beeinflusst. Andererseits würde ich aber auch gerne den Ort mit dem höchsten Risiko beschreiben, z.B. 24cm.

Also folgende Fragen beanworten:
1) Ist die Länge des Tumors (z.B. 2cm vs. 8cm) ein Risikofaktor für die Fistelentstehung?
2) Beeinflusst der Ort des Wachstums (z.B. 22-25cm vs. 35-39cm ab Zahnreihe) das Risiko für die Fistelentstehung?
3) An welchem Ort besteht das höchste Risiko? Vielleicht abgestuft in hohes Risiko, mittleres Risiko, geringes Risiko.

Wie kann ich diese Fragen am besten statistisch beantworten?

Danke und mit freundlichem Gruß,
Ex
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Re: Speiseröhrenkrebs, "hot spot" für Fistel errechnen?

Beitragvon strukturmarionette » Fr 6. Okt 2017, 11:25

Hi,

Wie kann ich diese Fragen am besten statistisch beantworten?

- ALLE vorliegenden für die Fragestellungen vorliegenden Messwerte /Daten der Stichprobe nach Variablen klarkriegen
- Die Variablen nach UV und AV trennen und benennen
- Die Skalenniveaus aller Variablen klarkriegen

Gruß
S.
strukturmarionette
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Re: Speiseröhrenkrebs, "hot spot" für Fistel errechnen?

Beitragvon bele » Fr 6. Okt 2017, 13:33

Vorschlag: Zunächst stellen wir uns einen Einheitsösophagus vor, der für alle Patienten gleich ist und der in Zentimeterabschitte unterteilt ist. Dann tragen wir für jeden Zentimeter für jeden Patienten ein, ob er mit oder ohne Fistel befallen ist. Zentimeterabschnitte, die gar nicht befallen sind, malen wir weiß. Zentimeterabschnitte, für die weniger als beispielsweise 8 Krebsbeobachtungen vorliegen, malen wir grau. Für alle anderen berechnen wir den Anteil der fistelnden Karzinome an allen, diesen Zentimeterabschnitt betreffenden Karzinome. Diesen Anteil stellen wir nun als y-Achse oder durch die Intensität roter Farbe dar. Das wäre Deine "Art Heatmap".
Nachdem Du solchermaßen den Anteil der fistelnden Karzinome dargestellt hast, leidet diese Darstellung an der schwankenden Genauigkeit weil an manchen Stelle´n viele, an anderen Stellen wenige Beobachtungen vorliegem. Für jeden Zentimeterabschnitt berechnen wir also noch ein 95%-Konfidenzintervall für den Anteil der fistelnden Karzinome und stellen dessen Grenzen ebenfalls auf der y-Achse dar. Diese Grafik beschreibst Du und beantwortest damit Frage 2 und 3.

Frage 1 läuft auf einen t-Test hinaus: Ist die mittlere Tumorausdehnung in der einen Gruppe größer als in der anderen Gruppe.

LG,
Bernhard
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Re: Speiseröhrenkrebs, "hot spot" für Fistel errechnen?

Beitragvon Expl0 » Di 17. Okt 2017, 12:55

Liebe Leute,

Vielen Dank schon einmal soweit.
Leider habe ich direkt mein Passwort vergessen und musste direkt einen neuen Account anlegen.

Nun stehe ich vor der Aufgabe, dass ich oben genannte 2 Gruppen habe: Patient mit Fistel und ohne.

Ich habe jetzt einen Wulst an Daten für beide Gruppen erhoben und würde gerne wissen, welcher die Fistelentstehung beeinflusst.

1) Alter, metrisch
2) Geschlecht, nominal
3) Lokalisation des Tumors, (oben, mitte, unten) -> nominal?
4) Histologie (Platte, Adeno, Adenosquamös), nominal
5) T-Stadium , N-Stadium, M-Stadium, (1,2,3 bzw. 0 und 1) jeweils ordinal?
6) Diabetes (ja, nein), nominal
7) Chemo erhalten (ja, nein), nominal [das gleiche für Bestrahlung und OP]
8) CRP-Wert bei Erstdiagnose (0-30), metrisch
9) Ösophagus im Krankheitsverlauf aufgedehnt (ja, nein), nominal
10) Stimmlippenparese (ja,nein), nominal
11) Abfall des BMI-Wertes von Erstdiagnose bis Tod, metrisch
12) Raucherstatus, nominal
13) Körpergröße, metrisch
...

Ich möchte jetzt also jeweils wissen, z.B. ob das Geschlecht ein Risikofaktor für die Entstehung für eine Fistel ist, oder, ob der CRP-Wert bei Erstdiagnose ein Risikofaktor ist.
Wenn ich eines aus meinem Statistikunterricht mitgenommen habe, dann ist es, dass je mehr Variablen ich teste, desto eher unterlaufe ich einem Fehler.
Also für jede metrische Variable einen eigenen t-test für unabhängige Variablen und für jede nominale Variable einen chi² wird nicht die richtige Herangehensweise sein, oder?
Wie ist die richtige Herangehensweise?

Grüße,
Ex
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Re: Speiseröhrenkrebs, "hot spot" für Fistel errechnen?

Beitragvon bele » Di 17. Okt 2017, 16:19

Hallo Ex,

zunächst mal wäre es schön zu erfahren, wie Du jetzt mit Deiner o. g. Frage umgegangen bist - schließlich wollen wir auch wissen, ob unsere Ratschläge etwas nützen.

Du willst aus 50 Fällen mit Fistel wissen, ob über 13 Einflussfaktoren eine Rolle spielen. Stell Dir vor, es wären 13 dichotome Merkmale (um die Sache leichter zu machen), dann bräuchtest Du Fälle, damit jedes einzelne Merkmal mit jeder anderen Kombination von Faktoren mal vorkommt. Es gilt: also kommen viele Merkmale nur in ähnlichen Kombinationen miteinander vor. Anders herum: Es steckt nur endlich viel Information in 50 Fistelfällen und Du kannst nicht unendlich viel Information daraus extrahieren.

Dazu kommt, dass die Informationen sehr ungleich verteilt sein werden. Wieviele Männer und wieviele Frauen hast Du denn in den Datensätzen? Wahrscheinlich 8 pro Gruppe. Das sind nicht sehr viele Daten, wenn Du so viele Fragen hast.

Du wirst nicht umhin kommen, eine Wichtung Deiner Fragen vorzunehmen. Was ist Dir besonders wichtig, was weniger wichtig.



Aufgemerkt habe ich an der Stelle mit den Recurrensparesen. Du hast nicht vergessen, dass der Ösophagus unter dem Aortenbogen noch weiter geht, der Recurrens aber nicht. Recurrensparesen können durch den Primarius im proximalen Ösophagus ausgelöst werden, ein Primarius im distalen Ösophagus kann das höchstens über lokale Metastatsierung. Aus diesem inhaltlichen Grund tendiere ich dazu, proximal, medial und distal tatsächlich als nominale Variable mitzuführen. Wenn Du ein Verfahren verwendest, das so etwas selbst findet (siehe unten), kann es aber auch Sinn machen, stattdessen die Zentimeter ab Schneidezahnkante einzusetzen. Ein Primarius auf der linken Seite kann den Recurrens viel eher infiltierien als einer auf der rechten, das scheint aber gar nicht erfasst zu sein. Es ist wichtig, dass Du Dir solche inhaltlichen Gedanken machst und Du darfst nicht erwarten, solche inhaltlichen Besonderheiten aus einem Statistikforum zu erfahren.

Im Groben würde ich Dir empfehlen, Dich mit folgenden zwei Verfahren vertraut zu machen: Ich würde ein Entscheidungsbaumverfahren wie CART anschauen, das in der Lage ist, solche nichtlinearen Zusammenhänge wie "Recurrensparese nur oben aber nicht unten" zu finden und Du solltest Dich mit logistischer Regression beschäftigen. Das eine betrachtet die verschiedenen Einflussfaktoren nacheinander, das andere alle gleichzeitig. In ersteres würde ich erstmal alle interessanten Prädiktoren hineinschmeißen, für letzteres eine sachbegründete Auswahl suchen.

LG,
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Re: Speiseröhrenkrebs, "hot spot" für Fistel errechnen?

Beitragvon Expl0 » Di 17. Okt 2017, 22:19

Lieber Bernhard,

Zunächst habe ich es in Excel so ähnlich eingetragen, wie von dir empfohlen (noch vorläufig).

Hier noch mit 42 Patienten für die Fistel:
(Der eine Ausreißer ist sicher falsch, muss ich noch mit den Originaldaten abgleichen)
https://www.dropbox.com/s/pbzgcjix0accque/heatmap.png?dl=0

Dann habe ich in graphpad eine echte heatmap erstellt:
(Noch ohne Beschriftung, rechts Fistel, links keine Fistel)
https://www.dropbox.com/s/rr0cx33c876c9u4/heatmap2.png?dl=0

Ich finde diese Präsentation eigentlich übersichtlich und man sieht schnell, wo der "hot spot" ist für die Fistelentstehung.
Unschlüssig bin ich aber, ob es die richtige Art der Präsentation ist. Eigentlich kenne ich dies nur von Expressionsmustern im Rahmen von gene arrays.


Mit den Recurrensparesen hast du recht. Das spiegelt sich auch in den Daten wieder. Diese treten eigentlich nur bei proximalen Tumoren auf.

Dass es schwierig wird, habe ich mir schon gedacht. Ich lese raus, dass du auch medizinischen Hintergrund hast. Die ösophagotracheale Fistel ist ja eine relativ seltene Komplikation. Ich bin in einem Maximalversorger tätig und konnte in den letzten 10 Jahren nur knapp 50 Fälle raussuchen. Da ich dies alles händisch machen musste und dies Tage an Arbeit gekostet hat, will ich natürlich nun das meiste rausholen ;).

Und zu guter Letzt: Danke schon einmal für die beiden Stichwörter. Wenn man einmal versucht sich in Statistik einzulesen, sieht man irgendwann den Wald für lauter Bäumen nicht mehr. Der typische Kliniker ist hier meist auch keine große Hilfe :D. Jetzt habe ich zumindest einen Anhaltspunkt, wo ich starten kann.

Grüße,
Gregor
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Re: Speiseröhrenkrebs, "hot spot" für Fistel errechnen?

Beitragvon bele » Mi 18. Okt 2017, 10:14

Hallo Expl0,

Dann habe ich in graphpad eine echte heatmap erstellt:
(Noch ohne Beschriftung, rechts Fistel, links keine Fistel)
https://www.dropbox.com/s/rr0cx33c876c9u4/heatmap2.png?dl=0

Ich finde diese Präsentation eigentlich übersichtlich und man sieht schnell, wo der "hot spot" ist für die Fistelentstehung.
Unschlüssig bin ich aber, ob es die richtige Art der Präsentation ist.


Ich freue mich, dass mein Vorschlag zu einem visuell so eindrücklichen Ergebnis geführt hat. Danke für's zeigen. Was die Frage der "richtigen" Präsentation ist, so ist es vernünftig, möglichst viele Versuche zu machen und zu experimentieren. Letztlich definiert sich "richtig" aber doch dadurch, dass die Ergebnisse nicht verfälscht werden, dass man die Zusammenhänge gut erkennen kann und dass der Betrachter sich besser zurechtfindet, als in einer entsprechenden Tabelle. Alles das scheint mir Deine Heatmap zu leisten. Wenn Du eine noch bessere findest, umso besser.

Ähnlich wie meine Empfehlung der Heatmap nicht nach der Frage, was "normal" ist, sondern was "passt" musst Du auch meinen Vorschlag eines Klassifikationsbaums auffassen. Das ist nicht medizinischer Mainstream, aber ich könnte mir vorstellen, dass es hier gut passt. Den Mainstream wirst Du eher mit der logistischen Regression (im schlimmsten Fall der schrittweisen logistischen Regression, denn der Mainstream ist ja nicht immer schlau) befriedigen.

Dass es schwierig wird, habe ich mir schon gedacht. Ich lese raus, dass du auch medizinischen Hintergrund hast.

Ließ sich an dieser Stelle schlecht verbergen. Ich kümmere mich obenrum um die Recurrensparese, wenn "Ihr da unten" den Recurrens kaputt gemacht habt.

Da ich dies alles händisch machen musste und dies Tage an Arbeit gekostet hat, will ich natürlich nun das meiste rausholen ;).


Und das ist ein völlig berechtigter Ansatz. Für zukünfitge Patienten ist es gut, wenn Du das Maximum aus den Daten herausholst, ohne sie zu überstrapazieren. Im schlimmsten Fall kannst Du natürlich mit wenigen Patienten anstelle einer hypothesenprüfenden Statistik eine hypothesengenerierende Statistik machen. Du würdest also beschreiben, wie es bei Deinen 50 Patienten war, ohne den Anspruch aufzustellen, dass das eine generelle Regel sei, die auch bei den nächsten 50, die dann in einer anderen Klinik gefunden werden, gelten muss. Quasi wie in einem case report, nur 50 Mal so gut.

Wenn man einmal versucht sich in Statistik einzulesen, sieht man irgendwann den Wald für lauter Bäumen nicht mehr.

Und ausgerechnet da kommt ich, und verweise Dich auf noch mehr Bäume.

LG,
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