Verteilung vs Normalverteilung

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Verteilung vs Normalverteilung

Beitragvon Mopo » Mo 14. Apr 2014, 17:12

Hallo Leute,

ich habe mich gerade neu angemeldet und will deswegen diesen ersten Post auch als kurze Vorstellung nutzen. Ich studiere derzeit internationale BWL, ich meiner Freizeit beschäftige ich mich viel mit den Finanzmärkten, da war es nur eine Frage der Zeit, bis ich die Statistik intensiver begreifen muss/will/kann :D

Mein jetziges Problem erscheint mir selber sehr lächerlich, ich kann mir aber absolut nicht helfen. Gerade den Bereich der Portfoliooptimierung finde ich sehr spannend. Nun bin ich gerade dabei den VaR (Value-at-Risk) auseinander zunehmen und stehe vor dem gleichen Problem wie sooft. Es wird einfach angenommen, dass die grundliegenden Wahrscheinlichkeiten normalverteilt sind. In meinem Lehrbuch wird das auch unter 'Kritikpunkte' an der Kennzahl in einem Satz erwähnt, Lösungsvorschläge finde ich aber keine.

Häufig wird unkritisch davon ausgegangen, dass die zugrundeliegenden Daten normalverteilt sind. In der Praxis sind jedoch Extremereignisse oft häufiger zu beobachten, als dies die Normalverteilung nahelegt. Diese Schwachstelle kann behoben werden, wenn statt der Normalverteilung realitätsnähere Wahrscheinlichkeitsverteilungen verwendet werden.
Das ist bei Wikipedia zu finden. [Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Value_at_Risk]

Aber bringt mich ehrlich gesagt auch nicht viel weiter. Wie kann man mit dem Problem umgehen? Bis jetzt gehe ich einfach davon aus, dass die Renditen normalverteilt sind (bei unter einem Jahr Laufzeit kommt das auch ungefähr hin, heißt es in dem Buch) wie kann ich aber damit umgehen, wenn sie es nicht sind?

Lieber Gruß
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Re: Verteilung vs Normalverteilung

Beitragvon bele » Mo 14. Apr 2014, 17:30

Hallo Mopo,

beim Überfliegen des Wikipediaartikels finde ich
Mit Monte-Carlo-Simulation wird ein spezifischer Ansatz in Bezug auf Marktpreisrisikomodelle bezeichnet. Hierbei werden – normalerweise auf Basis der Kovarianzmatrix historischer Marktpreisänderungen – mehrere 1000 zufällige Marktpreisänderungen generiert und in Portfoliowertänderungen umgerechnet. Aus der so erzeugten Verteilung von Portfoliowertänderungen kann der VaR ermittelt werden. Im Unterschied zum Delta-Normal-Ansatz und der Delta-Gamma-Methode können so auch Finanzinstrumente mit stark nichtlinearem Auszahlungsprofil in die VaR-Berechnung einbezogen werden. Nachteilig sind der hohe Rechenaufwand und die üblicherweise auch hier verwendete Normalverteilungsannahme.


Wenn Du Monte-Carlo-Simulationen durchführst bist Du nicht auf normalverteilte Werte angewiesen. Du musst Deine historischen Daten untersuchen und schauen, ob sie sich gut durch eine Normalverteilung, eine t-Verteilung, eine Gamma-Verteilung, eine lognormale Verteilung, eine ... darstellen lassen. Dann musst Du Deine Simulation in einem Programm rechnen, dass Dir aus all diesen Verteilungen Zufallszahlen ziehen kann. (Siehe auch Entscheidungsbaum in diesem Blog: http://lamages.blogspot.de/2011/12/fitt ... ith-r.html für einige Ideen möglicher Verteilungen.)

Beantwortet das die Frage?

LG,
Bernhard
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Re: Verteilung vs Normalverteilung

Beitragvon Mopo » Mo 14. Apr 2014, 17:36

Hey Bernhard,

vielen Dank! Da habe ich jetzt was zum Weiterforschen :)!

Lieber Gruß und eine schöne Woche noch!
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Re: Verteilung vs Normalverteilung

Beitragvon bele » Mo 14. Apr 2014, 18:42

Hi Mopo,

Danke sagen ist nicht mehr selbstverständlich. Als Appetitmacher für Deine Nachforschungen bekommst Du ein Beispiel einer Monte Carlo Rechnung von einem Nicht-BWLer. Ich verwende zum Rechnen das Programmiersystem R und denke mir nicht-normale Verteilungen aus. Den folgenden Code kannst Du auch ohne R Kenntnisse versuchen zu lesen. Du kannst ihn aber auch in ein R System hinein kopieren und alle Schritte leicht nachvollziehen. Außerdem kannst Du Dich ja mal fragen, wie Du so ein Szenario ohne Monte Carlo angehen würdest:

Code: Alles auswählen
# Anlage A ist eine recht sichere Aktie. Sie wird uns um die 20 EUR Gewinn
# bringen. Wir gehen von einem normalverteilen Gewinn mit SD=3 aus:

AnlA <- function() rnorm(1, mean=20, sd=3)

# Anlage B ist ein Würfelspiel: In 5 von 6 Fällen verlieren wir 5 EUR, in
# einem von 6 Fällen gewinnen wir 25 EUR

AnlB <- function() sample(size=1, x=c(-5, 25), prob=c(5/6, 1/6))

# Anlage C ist eine merkwürdige Aktie die von der Politik abhängt. Zu 90% wird
# nicht viel passieren und wir erwarten einen Gewinn um 0 normal verteilt mit
# SD=10, aber mit 10% Wahrscheinlichkeit wird die Politik dieser Firma einen
# Riesen-Auftrag geben, dann ist der Gewinn normalverteilt um 100 mit SD=20!

AnlC <- function() sample(size=1, x=c(rnorm(1, 0, 10),rnorm(1,100,20)),
                          prob=c(0.9, 0.1))


# Anlage D ist eine Wette, die wir zu 50% gewinnen oder verlieren werden. Der
# Gewinn oder Verlust ist je 30 EURO

AnlD <- function() sample(size=1, x=c(-30,30))

# So, jetzt wollen wir die Anlagen A, B, C und D alle tätigen. Wie sehen unsere
# Gewinnchancen aus?

# Wir Replizieren zehntausend mal diese Anlage und speichern die zehntausend
# Ergebnisse in einer Variable ergebnis:

ergebnis <- replicate(10000, AnlA()+AnlB()+AnlC()+AnlD())

# Der Mittelwert der Ergebnisse ist etwa 30 und kann errechnet werden durch

mean(ergebnis)

# Ein Histogramm zeigt, dass wir einen Gipfel bei etwa -20, einen bei
# circa 50 und einen ganz flachen um 150 haben:

hist(ergebnis, breaks=50)


R ist für Schüler und Studenten sehr preiswert zu haben und auch für alle anderen nicht wirklich teuer. Mehr dazu unter http://www.r-project.org oder forum.r-statistik.de .

LG,
Bernhard
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Re: Verteilung vs Normalverteilung

Beitragvon Mopo » Mo 14. Apr 2014, 21:41

Hey Bernhard,
bele hat geschrieben:[...]Als Appetitmacher für Deine Nachforschungen bekommst Du ein Beispiel einer Monte Carlo Rechnung von einem Nicht-BWLer. Ich verwende zum Rechnen das Programmiersystem R und denke mir nicht-normale Verteilungen aus.

Top vielen Dank! In R fuchse ich mich gerade rein. Habe aber kaum Programmierkenntnisse, deswegen ist die ganze Oberfläche und das direkte Eingeben in die Konsole mehr oder weniger Neuland für mich. Aber was ich bis jetzt gelernt und gelesen habe, scheint das ja wirklich ein mächtiges Tool zu sein :)

Den folgenden Code kannst Du auch ohne R Kenntnisse versuchen zu lesen. Du kannst ihn aber auch in ein R System hinein kopieren und alle Schritte leicht nachvollziehen. Außerdem kannst Du Dich ja mal fragen, wie Du so ein Szenario ohne Monte Carlo angehen würdest:

Super! Das Histogramm schaut auf den ersten Blick spannend aus, werde mich da morgen mal reinfuchsen. Trotzdem finde ich, dass sich das oftmals sehr einfach gemacht wird und einfach angenommen wird, dass die Wahrscheinlichkeiten normalverteilt sind, notfalls noch annähernd normalverteilt ;)
R ist für Schüler und Studenten sehr preiswert zu haben und auch für alle anderen nicht wirklich teuer. Mehr dazu unter http://www.r-project.org oder forum.r-statistik.de .

Ist das nicht sogar komplett kostenlos? Habe bis jetzt noch nichts von Kosten gelesen

Lieber Gruß
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Re: Verteilung vs Normalverteilung

Beitragvon Mopo » Mo 14. Apr 2014, 22:58

Soo habe mir mal ein wenig rumgespielt. Wie ich ein solches Szenario ohne diese Simulation angegangen wäre, weiß ich nicht... Ich hätte mir wohl theoretisch meine Gedanken gemacht, wirklich was beweisen hätte ich aber nicht können.

Einfach aus Interesse habe ich die Anzahl der Durchgänge mal auf 1.000.000 erhöht und war auf den ersten Blick erstaunt, wie ähnlich sich die Ergebnisse sind, habe dann aber auf den zweiten Blick doch einige Unterschiede festgestellt. Bei dem zweiten Durchgang sind die Wahrscheinlichkeiten für die beiden Extremwerte nahezu identisch. Ist keine wahnsinnige Entdeckung, fand ich aber trotzdem interessant, weil schon 10.000 Durchgänge nach wahnsinnig vielen klingen.

Dann habe ich mal spaßeshalber die Erwartungswerte der einzelnen Wertpapiere durchlaufen lassen und die Gewichtung in dem Portfolio geändert, mit erstaunlichem Ergebniss. E[ A~20; B~0,04; C~10; D~0 ] Habe die Gewichtung dann auf
Code: Alles auswählen
ergebnis <- replicate(1000000, 0.6*AnlA()+0.05*AnlB()+0.3*AnlC()+0.05*AnlD())
geändert und damit unerwartet den Erwartungswert halbiert. Macht auf den ersten Blick keinen Sinn, ich gewichte die Papiere mit geringerem Erwartungswert weniger, habe in Summe aber trotzdem einen signifikant geringeren Erwartungswert; bin ich wohl über die Subaddivität gestolpert :?:

Ich finde den Entscheidungsbaum, den du verlinkt hast sehr hilfreich. Wenn ich das ursprüngliche Histogram einer dieser Verteilungen zuordnen müsste, wäre ich aber überfordert. Eine Mischung aus normal - und -/lognormalverteilt. In dem Blogeintrag sind 'nur' die Verteilungen gegeben, es gibt keine 'verteilungslose' Auswahlmöglichkeit. Muss man eine Verteilung immer definieren können?

Im Anhang sind einmal der unveränderte Durchlauf, einmal der Durchlauf mit erhöhter Anzahl und noch die geänderte Gewichtung zu sehen.

Lieber Gruß
Mopo
Dateianhänge
NeueGewichtung1000000.PNG
Neue Gewichtung, 1000000
NeueGewichtung1000000.PNG (17.01 KiB) 1555-mal betrachtet
stat_1000000_be.png
Ungeänderter Durchlauf, 1000000
stat_1000000_be.png (17.66 KiB) 1555-mal betrachtet
stat_10000.PNG
Ungeänderter Durchlauf, 10000
stat_10000.PNG (18.62 KiB) 1555-mal betrachtet
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Re: Verteilung vs Normalverteilung

Beitragvon bele » Di 15. Apr 2014, 13:24

Mopo hat geschrieben:Habe die Gewichtung dann auf
Code: Alles auswählen
ergebnis <- replicate(1000000, 0.6*AnlA()+0.05*AnlB()+0.3*AnlC()+0.05*AnlD())
geändert und damit unerwartet den Erwartungswert halbiert. Macht auf den ersten Blick keinen Sinn


Doch, macht total Sinn: Anlage B und Anlage D bringen im Schnitt beide nix. Ihre Gewichtung ist also egal. Von den beiden, die Gewinn bringen setzt Du die eine auf 60%, die andere auf 30% und in der Summe bleibt nur noch etwa die Hälfte übrig. Wo ist da der Zauber?

Mopo hat geschrieben:In dem Blogeintrag sind 'nur' die Verteilungen gegeben, es gibt keine 'verteilungslose' Auswahlmöglichkeit. Muss man eine Verteilung immer definieren können?


Nein, muss man nicht. Wenn man genug Beobachtungen hat, kann man statt eine Stichprobe aus einer Verteilung zu ziehen auch einfach eine Stichprobe aus den früheren Beobachtungen ziehen. (Ist ein bisschen wie beim Bootstrapping.) Einfach mit sample(n=1, x=alteBeobachtungen).

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Re: Verteilung vs Normalverteilung

Beitragvon Mopo » Di 15. Apr 2014, 13:43

Hey Bernhard,

stimmt! Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen einfach nicht :-)

Lieber Gruß
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