Kann Ordinalskalenniveau ignoriert werden?

Kann Ordinalskalenniveau ignoriert werden?

Beitragvon Fabian » Sa 11. Jun 2011, 18:23

Hallo zusammen :)

Ich halte gerade eine Dissertation in den Händen, in denen eine Faktorenanalyse mit ordinalskalierten Variablen (Ausprägungen: nie, sehr selten, selten, gelegentlich, häufig, sehr häufig) durchgeführt wurde.

Der Autor behandelt die Daten als ob sie intervallskaliert wären. Bei endpunktbenannten Skalen wäre das noch einigermassen nachvollziehbar aber in diesem Fall?

Leider habe ich das erst jetzt rausgefunden und genau den gleichen Fehler gemacht....Was schlagt ihr mir vor? Ich möchte später in einer Clusteranalyse die 279 Umfrageteilnehmer in spezifische Nutzergruppen einteilen. (Für eine Bachelorarbeit über die Nutzung eines internen Social Networking Services)

Meine bisherigen Ideen sind: A) ich ignoriere den Fehler (was ich aber eine unbefriedigende oder besser gesagt falsche Lösung finde) B) ich führe eine Clusteranalyse ohne vorgeschaltete Dimensionsreduzierung durch, dann kann ich mit nicht-metrischen Variablen arbeiten

.....bin ein bisschen ratlos und dankbar für eure Hilfe
Fabian
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Re: Kann Ordinalskalenniveau ignoriert werden?

Beitragvon Kopernikus » Di 14. Jun 2011, 09:21

Folgende Übersicht der Verfahrensauswahl sollten dir helfen:

Verfahrensauswahl
manifeste Variable
latente Faktoren
kontinuierlich
kategorial
kontinuierlich
Faktorenanalyse
Modelle latenter traits
kategorial
Modelle latenter Profile
Modelle latenter Klassen


Auch wenn man es leider so oft sieht dass es scheinbar schon als Standard gilt ordinalskalierte Variablen zu faktorisieren, es ist nicht korrekt (vgl. Jöreskog / Moustaki 2001: 347). Es bieten sich verschiedene moderne Ansätze an (vgl. ebd. & Bartholomew et al. 2008: 243-270, 289-323).

Literatur

Bartholomew, David J. et al. (2008): Analysis of Multivariate Social Science Data, Boca [Florida]: Chapman & Hall

Jöreskog, Karl G. / Moustaki, Irini (2001): Factor Analysis of ordinal variables: A Comparison of three Approaches, Multivariate Behavioral Research 36, S. 347-383
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Re: Kann Ordinalskalenniveau ignoriert werden?

Beitragvon Fabian » Mi 15. Jun 2011, 09:38

Hallo Kopernikus

Danke für deine Antwort. Ich habe mir die Bücher gestern geschnappt und mich mal eingelesen. War schon beeindruckt, dass du mir so gut weiterhelfen konntest.

Ich hatte zwei Kurse an der Uni (studiere BWL) zum Thema Multivariate Analysemethoden. Wir haben die Faktorenanalyse da ausführlich behandelt aber darauf hat niemand hingewiesen. Scheint wirklich zum Standard geworden zu sein. Alle Bsp die wir gerechnet haben waren ordinalskaliert :(. Und man findet wirklich unzählige Beispiele in der Literatur, die den selben Fehler machen.

Jetzt wollte ich dich einmal Fragen, was du mir empfehlen würdest. Mein Problem ist, dass ich mit SPSS (Version 18)keine solche Faktorenanalyse durchführen kann. Und dass ich noch eine Weile brauche um die Verfahren zu verstehen.

Ich tendiere im Moment dazu die Daten quasi-metrisch zu behandeln. Auch wenn es nicht korrekt ist, findet man in der Literatur einige "Pro"-Stimmen.

Bartholomew et al. (2008, S.245) schreibt "Provided that the number of categories is large for all variables, this may not seriously affect the results of the analysis. Even when the number of categories is as low as three or four, it may be acceptable to use this method".

In einer anderen Quelle habe ich diesen Ausschnitt gefunden: "....Im Idealfall wird die Faktorenanalyse bei Intervallskalierten Daten angewandt, in der Praxis wird sie aber auch bei ordinalskalierten und nominalen Variablen mit dichotomen Ausprägungen akzeptiert (Bacher, 1996, S.28 )...." zit. in http://www.jugendarmut.ch/home/document ... ologie.pdf

Und noch was: ".....Kritisieren kann man es, weil wir bei der Faktorenanalyse ordinalskalierte Variablen wie metrische behandeln. Dies ist aber vertretbar, sofern die Variablen theoretisch intervallskaliert sind und die Ergebnisse nicht zu exakt interpretiert werden (Baur, 2004)...." zit. in http://bit.ly/ksclix

Auf meinen Datensatz treffen folgende Dinge zu. Ich habe pro Variable 5 Kategorien, und ich muss die Faktoren nicht genau interpretieren können. Sie sollen mir nur eine Tendenz liefern und anschliessend für die Clusteranalyse hinhalten. Ein Beispiel für meinen Datensatz sieht so aus: Faktor 1: Looking at (Personen im Verzeichnis anschauen um mehr über sie zu erfahren, z.B. Interessen) Faktor 2: Looking up (Profile aufrufen um e-mail, Telefon usw rauszusuchen). Die Gruppen unterscheiden sich dann aufgrund ihres Verhaltens, gemessen an diesen zwei Faktoren.

Was denkt der Experte?

Gruss und herzlichen Dank
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Re: Kann Ordinalskalenniveau ignoriert werden?

Beitragvon Holgonaut » So 24. Jul 2011, 12:11

Hi,

ich bin da auch eher pragmatisch und glaube, des öfteren gelesen zu haben, dass bei 5 Kategorien die Nutzung der FA ok ist und keine Unterschiede zur korrekten Modellierung mit polychorischen Korrelationen und anderen Schätzern bringt.

Gruß
Holger
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