Liegt hier Likert-Skalierung vor?

Liegt hier Likert-Skalierung vor?

Beitragvon Urblubb » So 19. Jun 2016, 16:45

Hallo zusammen,

ich habe in einem Datensatz (mehr als 10.000 Befragte) eine Reihe von Items aus zwei Dimensionen. Die 1. Dimension enthält 18 Idems und die 2. Dimension hat 8 Items. Hierfür muss ich eine Faktorenanalyse mache, was eigentlich metrisches Skalenniveau erfordert. Allerdings sind die Items auf 3 unterschiedliche Art alle ordinal skaliert (siehe unten). Ich habe auch verschiedene Verfahren gefunden, wie man ordinale Skalen in quasi-metrische Skalen überführen kann, wie z. B. polychorische korrelation, oder zur Mittelwertbildung auch cronbachs alpha.

Allerdings stellen diese Verfahren alle auf die Likert-Skalierung ab, wonach man kognitiv gleiche Abstände zw. den Rängen unterstellt. Meine Frage ist, ob man meine Skalierungen (siehe unten) als Likert-Skalierung ansehen und folglich als quasi-metrisch verwenden kann, mit Hilfe entsprechender Verfahren???

Die Skalierungen sehen wie folgt aus:
Skala A: 1. Häufig, 2. Manchmal, 3. Nie

Skala B: 1. Häufig, 2. Manchmal, 3. Selten, 4. Nie

Skala C: 1. Sehr zufrieden, 2. Zufrieden, 3. Weniger zufrieden, 4. Nicht zufrieden

Ich bitte Euch um Hilfe, weil mit der Verwendung als quasi-metrisch steht und fällt das gesamte Vorgehen.
Vielen Dank im voraus.
LG
Urblubb
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Re: Liegt hier Likert-Skalierung vor?

Beitragvon strukturmarionette » So 19. Jun 2016, 18:56

Hi,


Skala A: 1. Häufig, 2. Manchmal, 3. Nie
Skala B: 1. Häufig, 2. Manchmal, 3. Selten, 4. Nie
Skala C: 1. Sehr zufrieden, 2. Zufrieden, 3. Weniger zufrieden, 4. Nicht zufrieden

- Zwei Dimensionen mit jeweils 18 versus 8 Items?
- Wie passt das mit drei unterschiedlichen (ordinalen) Antwortkategorien zusammen?
- Ein zweidimensionales Konstrukt oder zwei eindimensionale Konstrukte?
- Um welche Dimensionenn bzw welche Skala(en) /Items handelt es sich denn?

Gruß
S.
strukturmarionette
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Re: Liegt hier Likert-Skalierung vor?

Beitragvon Urblubb » So 19. Jun 2016, 19:23

Es sind zwei eindimensionale Konstrukte. Dimensionen sind "Arbeitsinhalte" und "Zufriedenheit mit Arbeitsverhältnis". Dimension "Arbeitsinhalte" besteht aus Items mit zwei unterschiedlichen Skalen, wonach ich wohl eine von beiden weglassen muss, was aber jetzt nicht das Problem ist. Auch bin ich flexibel bezüglich der Anzahl der Items.

Das Problem ist, ob man diese Skalen überhaupt als Likert-Skalen ansehen kann, um die Items entsprechend metrisch zur explorativen Faktoranalyse zu verwenden? Ich selbst habe nämlich da meine Zweifel und damit steht und fällt das ganze Vorgehen.
Das heißt z. B.: Häufig = 4; Manchmal = 3; Selten= 2; nie = 1

Beispielitems für Skala A: häufig, manchmal, nie
Zur Dimension "Arbeitsinhalte"
Wie häufig kommt es vor, dass Sie bei Ihrer Arbeit eigenständig schwierige Entscheidungen treffen müssen?
Wie häufig kommt es vor, dass Sie eigene Wissenslücken erkennen und schließen müssen?
Wie häufig kommt es vor, dass Sie Verantwortung für andere Personen übernehmen müssen?

Beispielitems für Skala B: häufig, manchmal, selten, nie
Zur Dimension "Arbeitsinhalte"
Wie häufig kommt es bei Ihrer Arbeit vor, dass Sie vor neue Aufgaben gestellt werden, in die Sie sich erst mal hineindenken und einarbeiten müssen?
Wie häufig kommt es bei Ihrer Arbeit vor, dass auch schon kleine Fehler oder eine geringe Unaufmerksamkeit größere finanzielle Verlust zur Folge haben?
Wie häufig kommt es bei Ihrer Arbeit vor, dass Sie unter starkem Termin- oder Leistungsdruck arbeiten müssen?

Beispielitems für Skala C: Sehr zufrieden, zufrieden, weniger zufrieden, nicht zufrieden
Zur Dimension: "Zufriedenheit mit Arbeitsverhältnis"
Wie zufrieden sind Sie mit dem Einkommen aus dieser Tätigkeit?
Wie zufrieden sind Sie mit den derzeitigen Aufstiegsmöglichkeiten?
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem direkten Vorgesetzten?
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Re: Liegt hier Likert-Skalierung vor?

Beitragvon strukturmarionette » So 19. Jun 2016, 22:13

Hi,

Dimension "Arbeitsinhalte" besteht aus Items mit zwei unterschiedlichen Skalen, wonach ich wohl eine von beiden weglassen muss

- versteh ich nicht.

was aber jetzt nicht das Problem ist. Auch bin ich flexibel bezüglich der Anzahl der Items.

- schwer zu sagen, aber wahrscheinlich eher nicht.

Zum Thema 'Likert' fändest Du bspw über die Suchfunktion hier im Forum die Verwendung von Items vom Likert-Typ vielfach ausreichend erklärt.

Gruß
S.
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Re: Liegt hier Likert-Skalierung vor?

Beitragvon Urblubb » Mo 20. Jun 2016, 01:19

strukturmarionette hat geschrieben:Hi,
Dimension "Arbeitsinhalte" besteht aus Items mit zwei unterschiedlichen Skalen, wonach ich wohl eine von beiden weglassen muss

- versteh ich nicht.

was aber jetzt nicht das Problem ist. Auch bin ich flexibel bezüglich der Anzahl der Items.

- schwer zu sagen, aber wahrscheinlich eher nicht.

Zum Thema 'Likert' fändest Du bspw über die Suchfunktion hier im Forum die Verwendung von Items vom Likert-Typ vielfach ausreichend erklärt.



Was ist schwer zu sagen und wahrscheinlich eher nicht? Was meinst Du?

Ich weiss wie eine typische Likert-Skala aussieht. Das war auch nicht meine Frage. Der Punkt ist, dass man in der Statistik für die Anwendung vieler Methoden, wie auch für die Zuordnung einer Skala zur Likert-Skala, Argumente finden kann, und meine Frage war, wie Ihr das seht bezüglich der oben aufgezeigten Skalen? Konkret, ob man diese Skalen als Likertskala betrachten kann, oder nicht? Ich wäre für eine Aussage/Einschätzung hierzu dankbar.
Urblubb
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Re: Liegt hier Likert-Skalierung vor?

Beitragvon bele » Mi 22. Jun 2016, 09:49

Hallo Urblubb,

Urblubb hat geschrieben:Die Skalierungen sehen wie folgt aus:
Skala A: 1. Häufig, 2. Manchmal, 3. Nie

Skala B: 1. Häufig, 2. Manchmal, 3. Selten, 4. Nie

Skala C: 1. Sehr zufrieden, 2. Zufrieden, 3. Weniger zufrieden, 4. Nicht zufrieden


Likert selbst hatte damals eine 5-stufige Antwortmöglichkeit von "strongly disagree" bis "strongly" agree und seither streiten sich die Leute, was mal alles als Likert-Typ bezeichnen darf. Die Verwendung von nur drei Antwortoptionen in Deiner Variante A (nein, ich nenne das nicht "Skala A", das führt nur zur Verwirrungen) ist sicher nicht optimal, aber grundsätzlich spricht wohl nichts gegen diese Antwortmöglichkeiten zur Verwendung in einer Likert-Skala.

Sehr ungewöhnlich erscheint mir die Verwendung verschiedener Antwortmöglichkeiten innerhalb einer Skala/Dimension. Da muss man wirklich kritisch nachfragen, wie es dazu gekommen ist und was man sich beim Erheben der Daten gedacht hat. Einer Faktorenanalyse sollte das meines Erachtens erst einmal nicht im Wege stehen. Auch wenn das irgendwie merkwürdig ist: Einen so großen Datensatz wegen dieser Ungereimtheit unausgewertet zu lassen erscheint mir unangemessen.

Einen guten Vorschlag, welchen numerischen Wert man den Antwortmöglichkeiten dann zuordnet, habe ich nicht.
Variante A: 1=Häufig, 2=Manchmal, 3=Nie
Variante B: 1= Häufig, 2=Manchmal, 3=Selten, 4=Nie
führt zu einer ungleichen Gewichtung der Items mit den verschiedenen Varianten.

Variante A: 0=Häufig, 6=Manchmal, 12=Nie
Variante B: 0= Häufig, 4=Manchmal, 8=Selten, 12=Nie

würde dieses Problem beheben, habe ich aber in freier Wildbahn noch nie gesehen. Immerhin wäre häufig = häufig und nie = nie und das manchmal nur leicht anders gewichtet, je nachdem, ob selten angeboten wird oder nicht.

LG,
Bernhard
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Re: Liegt hier Likert-Skalierung vor?

Beitragvon Urblubb » Do 23. Jun 2016, 15:49

Hallo,

besten Dank für Deine Antwort! Ich bin mittlerweile auch dazu gekommen, die Auswertung vorzunehmen, auch wenn dies streng genommen nach statistischen Kriterien nicht ganz einwandfrei ist. Den Grund für die unterschiedliche Skalierung (Variante A und B) muss ich auch noch mal nachforschen.

Für diejenigen, die mal vor dem selben Problem stehen, also Verwendung einer ordinalen Skala als Likertskala bzw. Verwendung von ordinalen Daten als quasi metrisch, kann ich nach eigener Recherche folgende Literatur empfehlen:

Bortz J.; Döring, N. (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. 5. Auflage. Springer. Kapitel 8.4.3 und 8.4.6
Wirtz, M.; Caspar, F. (2002): Beurteilerübereinstimmung und Beurteilerreliabilität. Hogrefe. Kapitel 5

Hier werden ausführlich die Probleme und Bedingungen diskutiert, unter denen man ordinale als metrische Daten ansehen kann, einschließlich Empfehlungen um die Reliabilität zu prüfen.

Auch folgende Studie ist zu empfehlen:
Rohrmann Bernd (2007): Verbal qualifiers for rating scales: Sociolinguistic considerations and psychometric data.
Link: http://www.rohrmannresearch.net/pdfs/ro ... report.pdf

Bei dieser Studie wurde die kognitive Deutung von Ordinalskalen in Hinblick auf die Einordnung der Ränge in eine metrische Skala untersucht. Das heißt, welchen metrischen Wert ordnen Menschen kognitiv ganz bestimmten ordinalen Rängen bzw. Rangbezeichnungen zu. Es handelt sich allerdings um englischsprachige Rangbezeichnungen, wodurch die Frage ist, ob in deutscher Sprache diesen Begriffen die gleiche kognitive Deutung zukommt. Dennoch ist es hilfreich bezüglich der Transformation von ordinal auf quasi metrisch.

Viele grüße
Urblubb
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