Teilmodell versus Gesamtmodell

Teilmodell versus Gesamtmodell

Beitragvon Wollerious » Mi 22. Mai 2013, 15:54

Hallo zusammen,

ich hoffe, ihr könnt mir hier weiterhelfen bzw. etwas klären.

Ich habe ein SGM bei dem ich nun Einflüsse von verschiedenen exogenen auf eine endogene Variable teste. Nun lese ich eine methodische ähnliche Arbeit, in diesem Fall sogar eine Dissertation, die Teilmodelle testet also Einfluss von a auf b und dabei natürlich zu deutlich höheren Pfadkoeffizienten kommt. Macht die Argumentation ja knackiger, danach integriert sie diese Wirkungshypothesen in ein Gesamtmodell und kommentiert die niedrigeren Koeffizienten mit den Wirkungsüberlagerungen. So weit so gut aber welchen Sinn haben diese Teilmodelle wenn ich ein SGM aufsetze? Ist es nicht gerade der Sinn alles gleichzeitig, eben in seiner Struktur, zu testen? Sonst wäre ich doch gleich bei simple linear regression und mache eine Faktoranalyse vorweg oder errechnete Konstrukte aus gewichteten Indikatoren falls formativ. Hakte das für sehr fragwürdig, welcher Ergebnis würde ich denn in so einem Ansatz nehmen, das aus dem Teil- oder aus dem Gesamtmodell? Man soll ja nicht alles nachmachen, aber würde da gerne mal Eure Meinungen einsammeln.

Danke herzlichst vorab!
Wollerious
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Re: Teilmodell versus Gesamtmodell

Beitragvon Holgonaut » Do 23. Mai 2013, 21:36

Hallo Wollerious,

das ist ohne das Modell zu kennen schwer zu beantworten. Prinzipiell kann man Teilmodelle analysieren - wenn dort aber andere Koeffizienten rauskommen,
klingt das nach der Folge einer Verzerrung. Der Satz mit der Überlagerung ist Quatsch...

Teilmodelle sind v.a. dann machbar, wenn man Instrumentalvariablen hat, die es ermöglichen, kausal wichtige Annahmen/Restriktionen zu testen. Im Extremfall
kannst du sogar aus einem sehr komplexen modell eine einzige Regressionsgleichung herausnehmen und bekommst dennoch unverzerrte Effekte.

Wie gesagt, ich müsste beide Modelle mal sehen. Vielleicht kannst du ja Pfaddiagramme posten.

Grüße
Holger
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Re: Teilmodell versus Gesamtmodell

Beitragvon Wollerious » Do 30. Mai 2013, 13:57

Danke Dir Holger für eine erste Einschätzung.

Bitte lass mich mal auf Dein Post eingehen, damit ich klar sehe:

Teilmodelle geben Sinn Deiner Meinung nach um was genau zu tun? Instrumentalvariable ist für mich mit einem Ersetzen von Variablen verbunden um den Fehlerterm auszuschalten aber besser kann ich das nicht verordnen. Nur gibt das bei SmartPLS bzw. PLS allgemein keinen Sinn bzw. ich habe es sonst nicht gesehen in Arbeiten und daher wäre das für mich nicht "state of the art" bzw. sehe den Mehrwert nicht.

Dass die Werte aber abweichen finde ich intutitiv, a auf b ist größer als wenn ich c und d einbaue, die ja auch Erklärungskraft abziehen. Insofern würd eich eine "Überlagerung" schon nachvollziehen können. Vieles ist ja eh miteinander verwoben, dafür gerade, so dachte ich bisher, ist ein Strukturmodell geeignet. Das künstlich zu zerlegen widerstrebt doch dem Leitgedanken solcher Modelle, oder? Sprich, die Ergebnisse wundern mich weniger als die Verwendung von Teilmodellen (genauer hier: einzelne Hypothesen, die dann in einem Gesamtmodell gleichzeitig getestet werden DANACH).

Vielleicht kannst Du so etwas mehr meine Überlegungen/Gedankengänge dazu nachvollziehen und mir ein Feedback geben (andere natürlich auch gerne).

Danke allen vorab
Wollerious
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Re: Teilmodell versus Gesamtmodell

Beitragvon Holgonaut » Do 30. Mai 2013, 18:41

Hi,

Teilmodelle geben Sinn Deiner Meinung nach um was genau zu tun?


Äh, ich erinnere mich nicht, dass ich für die Sinnhaftigkeit von Teilmodellen argumentiert habe. Ich hab lediglich beschrieben, dass sie oft zu verzerrten Effekten führen - das aber nicht zwangsläufig sein muss. Ich mach bei CFA-Modellen häufig Teilmodelle, weil herkömmliche Skalen meist nicht fitten - und das tun sie selbst dann nicht, wenn man ein 1-Faktor-Modell erst mal macht. Nur erlaubt dieses kleine Modell einen leichteren Einblick, wo die Probleme liegen.

Instrumentalvariable ist für mich mit einem Ersetzen von Variablen verbunden um den Fehlerterm auszuschalten


Keine Ahnung, was du hier meinst. Klingt falsch :)

Nur gibt das bei SmartPLS bzw. PLS allgemein keinen Sinn


Ehrlich gesagt, seh ich überhaupt bei der Anwendung von PLS keinen Sinn bzw. bin kein Freund von PLS und würde davon abraten...

a auf b ist größer als wenn ich c und d einbaue, die ja auch Erklärungskraft abziehen.


Begriffe wie "Überlagerung" oder "abziehen" finde ich problematische Metaphern. Der Effekt von a ist dann verzerrt, wenn c oder d mit a und b in Beziehung stehen. Stehen sie nicht mit a und nur mit b in Verbindung, ist es egal. Das ist ein herkömmliches omitted variable - Problem. Der Grund für die Verzerrung durch Ausschluss ist Endogenität. Korreliert c z.B. mit b und du ignorierst c, dann wird c zum Teil des Fehlerterms von b. Da c ja mit a korreliert, korreliert a nun auch mit dem Fehler von b.

Man sollte solche Begriffe daher vermeiden - genau wie "gemeinsame Varianz" oder "Überlappung".

Grüße
Holger
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Re: Teilmodell versus Gesamtmodell

Beitragvon Wollerious » Sa 1. Jun 2013, 10:22

Also, in einem Satz: Teilmodelle geben an der Stelle keinen Sinn außer ich mache eine Konstruktvalidierung. CFA macht PLS ja ohnehin im Zuge des äußeren Messmodells. Ob das nun alles the best of ist, sei mal dahingestellt aber es gibt ja eine gewisse "übliche" Vorgehensweise. Das ist für mich erstmal relevant. Eine methodisch-dogmatische Debatte ist sicher berechtigt, auch was PLS Modelle angeht aber die Annahmen sind weniger streng und ein bisschen in Mode. Wills eben nur richtig verstehen bzw. anwenden. Da sind mir Deine Ausführungen eine Hilfe. Das Dinge bei SGM/Generelle Modell sich "überlagern" ist sicher auch nicht immer zu vermeiden.
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Re: Teilmodell versus Gesamtmodell

Beitragvon Holgonaut » Sa 1. Jun 2013, 10:33

Moin,

PLS macht leider keine CFA. Hier geht es nicht um Dogmen, sondern das PLS was verkauft, was es nicht bietet. Gerade weil es in Mode kommt, sollte man sich dagegen stellen. PLS macht weniger strenge Annahmen - das ist ok - aber es modelliert eben keine latenten Variablen (sondern composites) und testet keine Restriktionen, was den Kern von Kausalmodellen anbelangt. PLS ist ähnlich der Regression - die dem prediction - Paradigma entspricht (nicht Suche nach Wahrheit ist das Ziel, sondern nützliche Vorhersage). Man kann ja jedes Ziel verfolgen, nur muss man sich darüber im Klaren sein.

Ich kenn viele Leute, die sind zu PLS geswitcht, WEIL ihr SEM nicht gefittet hat. Das sind üble Ausläufer...Wenn Wissenschaft sich gegen Möglichkeiten der Falsifikation immunisiert, können wir den Laden dicht machen. So, genug gemotzt.

Antonakis, J., Bendahan, S., Jacquart, P., & Lalive, R. (2010). On making causal claims: A review and recommendations. The Leadership Quarterly, 21, 1086-1120.

Rouse, A. C., & Corbitt, B. (2008). There's SEM and "SEM": A critique of the use of PLS regression in information systems research. Paper presented at the Australasian Conference on Information Systems.

Scholderer, J., & Balderjahn, I. (2006). Was unterscheidet harte und weiche Strukturgleichungsmodelle nun wirklich? Marketing, 28(1), 57-70.
Grüße
Holger
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Re: Teilmodell versus Gesamtmodell

Beitragvon Wollerious » Sa 1. Jun 2013, 11:31

Macht PLS keine CFA oder keine "richtige", denn verkauft wird es ja als solche.
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Re: Teilmodell versus Gesamtmodell

Beitragvon Holgonaut » Sa 1. Jun 2013, 13:28

Es gibt keine richtige oder falsche. Eine CFA testet das "common factor model" - nach dem mehreren beobachteten Indikatoren eine gemeinsame Ursache zugrundeliegt. Aus diesem Modell ergeben sich
bestimmte Implikationen/Restriktionen (z.B. lokale stochastische Unabhängigkeit: Wenn man den Faktore auspartialisiert/konstant hält, verschwinden die Kovarianzen zwischen den Indikatoren.

PLS generiert dagegen lineare composites - die Funktionen der items sind. Das composite ergibt sich aus den Items - während beim common factor model die Indikatoren sich aus dem Faktor ergeben.

Grüße
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