Verletzung der (univariaten) Normalverteilung in SEM

Verletzung der (univariaten) Normalverteilung in SEM

Beitragvon Conina » So 8. Mai 2016, 22:17

Liebes Forum,

nach mehreren Jahren Analyse-Abstinenz bin ich (besonders in den Grundlagen und die sind immer so peinlich zu fragen :) ) ziemlich eingerostet & würde mich sehr über Unterstützung freuen.

Hintergrund:
Die Hauptanalyse besteht in der Rechnung einer latenten Interaktion.
SEM in Mplus; durch Parceling pro latentem Faktor drei manifeste Indikatoren (Loehlin, 1992); Residualzentrierung nach Little, Bovaird und Widaman (2006); matched-pair Strategie nach Marsh et al. (2007).
Die Stichprobe ist einigermaßen groß (Männlein /Weiblein jeweils ca. N=450), Daten wurden in Schulen gewonnen (ICC & Design Effekt niedrig, keine geclusterten Daten).
Die AV (aggressives Verhalten) wurde per Fragebogen erhoben, eine UV ebenfalls per Fragebogen, die zweite UV per Performanztest (alles PC-gestützt, Reliabilitäten zufriedenstellend bis gut).

Hier meine (ersten ;) ) Fragen & Probleme:
Ich habe Probleme mit der Aggressionsskala. Sie sollte eigentlich zwischen verschiedenen Aggressionsdimensionen differenzieren, die man wiederum, je nach Fragestellung, getrennt auswerten oder zusammengefasst als globale Aggression aggregieren kann. Leider gibt es Unterskalen, die überhaupt nicht zwischen den Versuchspersonen differenzieren, weil fast alle (pro Geschlecht 300 VPN & mehr!) denselben, extrem niedrigen Wert haben (Bodeneffekt heißt das, glaube ich?).

Wie geht man damit um?

- Statt eines Vergleichs der beiden Aggressionsdimensionen nur das Modell für die andere Aggressionskomponente (die enstprechende Skala ist auch schief, differenziert aber etwas besser) berechnen? Oder die Trennschärfe aller Items berechnen & "Overall Aggression" aus all denjenigen Items berechnen, die eine akzeptable Trennschärfe haben? Oder einfach alle Items des Fragebogens (auch die schlecht differenzierenden) ohne zu prüfen (es ist ja keine Validierungsstudie) zu "Overall Aggression" zusammenfassen?
- Eine Faktorenanalyse muss man doch, glaube ich, nicht standardmäßig für alle Fragebögen rechnen, die man einsetzt, oder?

Auch meine anderen Skalen sind schief und weichen auch in der Kurtosis von der Normalverteilung ab (K-S Test signifikant), liegen allerdings unter 2 (Schiefe) bzw. 7 (Kurtosis) (--> by the way: diese "gängigen Cut-Off-Werte" habe ich leider nur in meinen Aufzeichnungen gefunden; kennt jemand hier eine zitierbare Quelle?)
Wie gehe ich mit solch schiefen Verteilungen um?
- Statt eines T-Test ein nicht-parametrisches Verfahren (Mann-Whitney-U Test?) einsetzen? (Unterschiedshypothese teste ich, um zu prüfen, ob Mädels & Jungs sich unterscheiden & die weiteren Berechnungen gegebenenfalls getrennt weiterzuführen)
- Darf man den Intraclass-Correlation Coefficient (ICC) bzw. den Design Effekt bei schiefen Verteilungen überhaupt einfach so berechnen?

Und die Frage, die mich am meisten beschäftigt:
In Strukturgleichungsmodellen kann ich robuste Schätzer einsetzen, um Verletzungen der multivariaten Normalverteilung (die ich auch gefunden habe) auszugleichen.
Aber wie ist das mit den Verletzungen der Normalverteilung der einzelnen Prädiktoren? Werden die durch robuste Schätzer auch ausgeglichen oder müsste ich die univariaten Verletzungen der Normalverteilungen irgendwie gesondert berücksichtigen? Und überhaupt: ich habe immer die ganzen Skalen analysiert, müsste ich diese Prüfungen statt dessen für jedes Parcell einzeln rechnen?

Ich hoffe, ich habe alle zur Beantwortung der Fragen benötigten Infos aufgeschrieben & würde mich riesig freuen, wenn mir jemand weiterhelfen könnte!
Herzlich: Conina
Zuletzt geändert von Conina am Sa 25. Jun 2016, 11:27, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Verletzung der (univariaten) Normalverteilung in SEM

Beitragvon strukturmarionette » Mo 9. Mai 2016, 07:41

Hi,

um Verletzungen der multivariaten Normalverteilung (die ich auch gefunden habe)

- was veranlasst Dich zu dieser Sichtweise? Wie stellst Du das fest?
- uni- bivariate NVs begünstigen Multivariate NVs bzw sind Voraussetzung dafür

die man wiederum, je nach Fragestellung, getrennt auswerten oder zusammengefasst als globale Aggression aggregieren kann.
Wie geht man damit um?

- Wie lautet denn Deine Fragestellung dazu?

Rechnung einer latenten Interaktion.

Wie lautet die Hypothese?

Statt eines T-Test ein nicht-parametrisches Verfahren (Mann-Whitney-U Test?) einsetzen?

- Bei Latenten Variaben im SEM zwecks Gruppenvergleich?

Gruß
S.
strukturmarionette
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Re: Verletzung der (univariaten) Normalverteilung in SEM

Beitragvon Conina » Mo 9. Mai 2016, 13:47

Hi Strukturmarionette,

vielen Dank für die schnelle Antwort!

um Verletzungen der multivariaten Normalverteilung (die ich auch gefunden habe)

- was veranlasst Dich zu dieser Sichtweise? Wie stellst Du das fest?
- uni- bivariate NVs begünstigen Multivariate NVs bzw sind Voraussetzung dafür

Abweichungen von der multivariaten Normalverteilung habe ich mit Mardias Schätzer (in EQS, zumindest damals hat Mplus den nicht berechnet) geprüft.
***(falls nun verwundert, dass schon Modelle gerechnet sind: es handelt sich um eine Abschlussarbeit, die ich vor einigen Jahren auf Eis gelegt habe. Jetzt möchte ich sie (unbedingt! :) ) abschließen (habe zwei Monate Zeit, in denen ich mich schwerpunktmäßig dieser Arbeit widmen kann) und arbeite mich gerade wieder in meinen Auswertungsansatz ein. Damals hatte ich schon einiges gerechnet, bin mir aber nicht mehr sicher, auf wie soliden Beinen das stand, ob ich möglicherweise schon in die Modelle gegangen bin, ohne die Voraussetzungen dafür zu prüfen. Leider habe ich viel von den Grundlagen vergessen)***

die man wiederum, je nach Fragestellung, getrennt auswerten oder zusammengefasst als globale Aggression aggregieren kann.
Wie geht man damit um?

- Wie lautet denn Deine Fragestellung dazu?

Rechnung einer latenten Interaktion.

Wie lautet die Hypothese?

Zu Fragestellung & Hypothese:
(Zugrundeliegendes Theoriemodell: Social Information Processing nach Crick & Dodge)
Interaktionshypothese:
Heranwachsende, die weniger gut Emotionen in Gesichtern wahrnehmen können (x1), neigen insbesondere dann zu aggressivem Verhalten, wenn sie misstrauisch-feindselige Erwartungen (im Sinne eines sozialen Schemas) (X2) an ihre soziale Umwelt hegen. Niedrige Fähigkeiten zum Erkennen von Emotionen in Gesichtern (FEEG) müssten in diesem Sinne alleine noch keinen Zusammenhang mit Aggression zeigen, sondern erst unter der Bedingung des Vorhandenseins misstrauisch-feindseliger Schemata (MFS).
Ursprünglich wollte ich darüber hinaus prüfen (ungerichtete Hypothese), ob es zwischen reaktiver und instrumenteller Aggression Unterschiede in den Zusammenhangsstrukturen gibt. (Theoriegeleitet ;) ) denkbar wären hier verschiedene Unterschiede. Aber da die Skala „Instrumentelle Aggression“ so schlecht differenziert, glaube ich nicht, dass sich damit vernünftig Hypothesen testen lassen. Um Varianz zu erklären, müsste ich ja erstmal Varianz in den Daten haben. So komme ich zu den Fragen unter Wie geht man damit um? (s. 1. Post).


Statt eines T-Test ein nicht-parametrisches Verfahren (Mann-Whitney-U Test?) einsetzen?

- Bei Latenten Variaben im SEM zwecks Gruppenvergleich?

Unterschiedstest mit den manifesten Variablen um zu überprüfen, ob Mädels & Jungs sich signifikant in Means & SD unterscheiden und daraufhin die Modelle getrennt zu berechnen (liegt bei Aggression als Zielvariable nahe, da sich Mädels & Jungs hier eigentlich immer unterscheiden). Damals hab ich einfach einen T-Test gerechnet (das gibt mir heute zu denken), mit signifikantem Ergebnis. Aber wahrscheinlich hätte ich einen nicht-parametrische Test rechnen müssen, oder?

Herzlichen Dank!
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Re: Verletzung der (univariaten) Normalverteilung in SEM

Beitragvon Semson » Do 12. Mai 2016, 16:45

Hi,
für mich ist es schwierig dazu etwas zu sagen, da ich mich mit Item-Parceling nicht auskenne. Aber ich möchte trotzdem mal ein paar Gedanken äußern. Wenn man für die latenten Variablen konfirmatorische Faktorenanalysen als Messmodelle verwendet und die manifesten Variablen nicht multivariat oder univariat normalverteiltsind, gibt es robuste Schätzmethoden, die den Chi-Quadrat Wert entsprechend dem Ausmaß der Verletzung anpassen. Da wird also nichts an der Verteilung der manifesten Variablen oder so verändert, sondern nur der Fit etwas "verbessert". Aber das wäre eine Umgangsweise, die du wählen könntest, sofern das mit Item-Parceling geht.

Nun zu deinem Modell:
Soweit ich verstanden habe, soll ein Interaktionseffekt von UV1 und UV2 auf die AV berechnet werden.
Also AV = UV1 + UV2 + UV1*UV2
Nun überlegst du, ob du noch das Geschlecht berücksichtigen kannst. Möglichkeit A wäre es, das Geschlecht als Kovariate ins Modell einzubauen.Und zwar als Prädiktor für AV, aber auch der UV1 und UV2. Möglichkeit B wäre die Möglichkeit Geschlecht als Gruppierungsvariable zu verwenden. Dadurch wird das Modell für Männer und Frauen jeweils getrennt berechnet. Anschließend werden dann über mehrere Modelle schrittweise Parameter des Modells aus Gleichheit fixiert. Du würdest zunächst schauen, ob deine Messmodelle in beiden Gruppen gelten (Messmodellinvarianz). Wenn metrische Messmodellinvarianz besteht, können Effekte auf Gleichheit fixiert werden. Falls Geschlecht einen Moderationseffekt ausübt, würde ein Modell in dem die Effekte zwischen Männern und Frauen auf Gleichheit fixiert werden, einen miserablen Modellfit erhalten. So könntest du den Effekt von Geschlecht auf die beiden UVs, auf die AV, sowie auch auf den Interaktionseffekt der UVs untersuchen. Wird nur schwierig, eine plausible Hypothese dafür aufzustellen ;)
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Re: Verletzung der (univariaten) Normalverteilung in SEM

Beitragvon Conina » Fr 10. Jun 2016, 13:30

Hi Semson,

vielen Dank für die Anregungen!
Das klingt nach einem interessanten Weg. Hast Du evtl. einen Literaturtipp dazu?

LG :)
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Re: Verletzung der (univariaten) Normalverteilung in SEM

Beitragvon Semson » Mo 13. Jun 2016, 12:08

zu was jetzt genau?
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Re: Verletzung der (univariaten) Normalverteilung in SEM

Beitragvon Conina » Sa 25. Jun 2016, 14:05

Ich hab mich ein bisschen eingelesen (Schwab, S & Helm, C. (2015) Überprüfung von Messinvarianz mittels CFA und DIF-Analysen & Arzheimer, K (2016). Strukturgleichungsmodelle - Eine anwendungsorientierte Einführung), habe allerdings ein wenig Schwierigkeiten damit, mir diese komplexen Rechnungen zu erschließen.

Wenn ich das richtig verstehe, würde ich über die Prüfung der Messinvarianz prüfen, ob ich die Mädels & Jungs überhaupt in den Merkmalen aggressives Verhalten, Wahrnehmungsfähigkeit, etc. vergleichen darf, oder ob die verwendeten Messinstrumente in den zwei Gruppen verschieden messen. Das prüfe ich, indem ich in mehreren Schritten Restriktionen in den Modellen setze.
Eine Frage wäre: Kann ich das gleich in den Modellen & mit den geparcelten Items machen (so wie ich es letzten Endes untersuchen möchte) oder muss ich das für jede Skala getrennt und mit den einzelnen Items per CFA rechnen?

Und eine andere: kann ich auch einfach getrennte Modelle für Mädels & Jungs berechnen?

PS: Zu Deiner Frage aus dem 1. Posting: Die Verwendung robuster Schätzer ist übrigens mit Parcelling kompatibel.

Vielen Dank & LG!
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Re: Verletzung der (univariaten) Normalverteilung in SEM

Beitragvon Conina » Di 28. Jun 2016, 15:51

Puh, geschafft! Falls nochmal jemand mit diesen Rechnungen kämpft: Hier wird das Vorgehen (in Mplus) super beschrieben: Christ, O. & Schlüter, E. (2012). Strukturgleichungsmodelle mit Mplus - Eine praktische Einführung.
Gefunden habe ich partielle metrische Invarianz, d.h. manche Faktorladungen können nicht gleichgesetzt werden.
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