Mediationsanalyse Baron&Kenny vs. Bootstrapping

Mediationsanalyse Baron&Kenny vs. Bootstrapping

Beitragvon tztztz » Fr 7. Mär 2014, 13:26

Hallo liebe Statistik-Gemeinde,

ich bin vor kurzem über den Artikel von Zhao, Lynch & Chen (2010) über Mediationsanalysen mittels Bootstrap für indirekte Effekte (vs. der klassischen Methode von Baron & Kenny, 1986) in der Mediationsanalyse gestoßen und habe dazu eine Verständnisfrage.

Zhao et al. (2010) meinen, dass die Voraussetzungen welche von Baron und Kenny (1986) hypothetisiert wurden um eine Mediationsanalyse berechnen zu "dürfen" nicht unbedingt zulässig sind. Sie meinen, dass die einzige Voraussetzung um eine Mediationsanalyse berechnen zu dürfen ein signifikanter indirekter Effekt (axb) ist. Dazu schlagen sie für die Analyse vor, nicht den Sobel-Test (v.a. bei kleinen Stichproben) sondern eine Analyse mittels Bootstrapping durchzuführen (da die Verteilung der direkten und des indirekten Effekts selten normalverteilt ist).

Ich habe einen Datensatz (N = 200) analysiert, in welchem ich dieser Methode gefolgt bin (also Bootstrapping mit 95%-KIs). Dazu habe ich ein Modell berechnet in welchem ich zwei dummy-kodierte unabhängige Variablen (UVa und UVb: zwei kategoriale Variablen mit jeweils zwei Ausprägungen), eine intervallskalierte Mediatorvariable (MV) und eine intervallskalierte abhängige Variable (AV) spezifiziert habe. Die Ergebnisse aus der Bootstrappinganalyse zeigten, dass beide indirekten Effekte (also UVa -> MV -> AV UND UVb -> MV -> AV) signifikant sind. Jedoch zeigen die Pfadkoeffizienten der direkten Effekte, dass der Effekt UVb --> MV nicht signifikant ist. Wie kann es denn sein (habe ich hier irgendetwas in der Theorie nicht verstanden?) dass es für jede UV einen indirekten Effekt auf die AV gibt, obwohl eine der beiden UVs (UVb) keinen signifikanten Effekt auf die Mediatorvariable zeigt???

Hier noch mal die Kurzfassung der Ergebnisse:
indirekte Effekte:
UVa -> MV -> AV = sign.
UVb -> MV -> AV = sign.
direkte Effekte:
UVa -> MV = sign.
UVb -> MV = NICHT SIGNIFIKANT
MV -> AV = signifikant
UVa -> AV = nicht signifikant
UVb -> AV = nicht signifikant

Würde mich über jegliche einleuchtende Rückmeldung freuen!

LG tztztz
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Re: Mediationsanalyse Baron&Kenny vs. Bootstrapping

Beitragvon Holgonaut » So 9. Mär 2014, 21:04

Hi,

wie du richtig annimmst, kann das eigentlich nicht sein...Irgendwelche möglichen Fehler gemacht?

Kannst ja mal Näheres zum Modell und dem verwendeten bootstrap schreiben.

Gruß
Holger
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Re: Mediationsanalyse Baron&Kenny vs. Bootstrapping

Beitragvon tztztz » Di 11. Mär 2014, 12:13

Hallo,

vielen Dank für die schnelle Rückmeldung und entschuldigung für die späte Antwort.

Fehler habe ich meiner Einschätzung nach keine gemacht. Die Ergebnisse passen eigentlich auch zu den einfacheren statistischen Verfahren die ich berechnet habe.

Hinsichtlich des Bootstrap habe ich 5.000 Bootstrap Stichproben gezogen und ein fehlerkorrigiertes Konfidenzintervall von 95 verwendet. Über diese Berechnung ergeben sich eigentlich auch die selben Schlussfolgerungen als wenn kein Bootstrapping herangezogen wird.

Als UVs habe ich zwei Dummy-kodierte Variablen. Jede der beiden Variablen hat zwei Ausprägungen (UV1 = A & B; UV2 = A & C, wobei A immer als Referenz gilt). UV2 zeigt einen signifikanten Effekt (p = .000) auf die Mediatorvariable, was ja nichts anderes bedeutet, als dass sich die Mittelwerte der beiden Ausprägungen (A & C) auf der AV signifikant voneinander unterscheiden. UV1 zeigt keinen signifikanten Effekt (p = .3) auf die Mediatorvariable. Die Mediatorvariable (intervallskaliert) zeigt auf die abhängige Variable einen signifikanten Effekt (p = .000).
Nimmt man die Mediatorvariable aus dem Modell zeigt UV2 einen signifikanten Effekt auf die abhängige Variable (p = .006) aber UV1 nicht (p = .8). Das bedeutet ja nun nichts anderes, als dass sich A & B (UV1) nicht signifikant im Mittelwert auf der abhängigen Variable unterscheiden, A & C (UV2) aber schon. Würde ich nun nach Baron & Cohen (1986) eine Mediation berechnen wollen, würde ich bei diesem Schritt für UV1 schon abbrechen müssen. Nach Baron und Cohen muss ja schon einmal ein signifikanter Zusammenhang zwischwen UV und AV bestehen, ansonsten kann ja keine Mediation berechnet werden. Soweit ist ja alles klar und intuitiv verständlich. Ich würde also nach Baron und Cohen lediglich eine Mediationsanalyse für UV2 --> MV --> AV rechnen.
Zhao und Kollegen sagen nun aber, dass die einzig notwendige Voraussetzung für eine Mediationsanalyse ein signifikanter indirekter Effekt ist. Mein indirekter Effekt ist nun aber sowohl für UV1 --> MV --> AV als auch UV2 --> MV --> AV signifikant. Das widerspricht nun aber meiner persönlichen Intuition. Kann dieser indirekte Effekt vl. insgesamt signifikant sein, weil der Effekt von MV --> AV so stark ist?

Ich wollte im Forum eigentlich auch eher eine theoretische Diskussion anregen, da ich nicht sicher bin ob ich die Arbeit von Zhao und Kollegen auch richtig verstanden habe.

LG tztztz
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Re: Mediationsanalyse Baron&Kenny vs. Bootstrapping

Beitragvon Holgonaut » Di 11. Mär 2014, 12:32

Hi,

das alles ist mir schleiherhaft. Bei der Berechnung der indirekten Effekte waren aber beide dummies in dem Modell?

Der indirekte Effekt ist das Produkt der beiden direkten. Wenn einer von beiden n.s. ist, muss das Produkt auch n.s. sein, weil der Produkt in der Regel kleiner als die direkten Effekte ist.

Der Unterschied zwischen der Baron-Kenny-Forderung und neueren Ansätzen ergibt sich daraus, dass in einem partiellen Mediatormodlel ein sign. indirekter Effekt und ein direkter Effekt sich
wegen eines unterschiedlichen Vorzeichens auslöschen können. Daher ist eine n.s. Beziehung kein Zeichen fehlender Mediation.

Gruß
Holger
P.S. ich weiß nicht, ob du das willst, aber du kannst mir auch mal die Rohdaten mit den betreffenden Variablen schicken....
Holgonaut
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Re: Mediationsanalyse Baron&Kenny vs. Bootstrapping

Beitragvon tztztz » Di 11. Mär 2014, 13:06

Hallo,

ja, bei der Berechnung der indirekten Effekte sind beide Dummys im Modell. Berechne ich eine Mediation der UV1 (jener die im Modell mit beiden Dummys keinen signifikanten Einfluss auf die MV zeigt) ohne die UV2 ins Modell zu packen ergibt sich ebenfalls ein signifikanter indirekter Effekt (UV1 --> MV --> AV) aber ein fehlender Effekt von UV1 --> MV (p = .061).

Das Produkt ist in der Tat kleiner als die direkten Effekt. Meine Erklärung ist somit hinfällig. Danke für die Info diesbezüglich!

Danke auch für deine Perspektive auf neue Mediatonstheorien. Auch ich habe die Artikel dahingehend interpretiert, dass unterschiedliche Vorzeichen von direktem und indirektem Effekt sich auslöschen können. Leider habe ich in den Artikeln niegendwo etwas darüber gefunden, ob die UV auch einen signifikanten Effekt auf die MV haben muss. Rein intuitiv muss das ja so sein.

LG tztztz

PS: Vielen Dank für dein Angebot dir die Daten zukommen zu lassen. Leider ist das für mich nicht möglich. Danke trotzdem.
tztztz
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Re: Mediationsanalyse Baron&Kenny vs. Bootstrapping

Beitragvon Holgonaut » Di 11. Mär 2014, 15:19

Hi,

Leider habe ich in den Artikeln niegendwo etwas darüber gefunden, ob die UV auch einen signifikanten Effekt auf die MV haben muss. Rein intuitiv muss das ja so sein.


Meinst du einen direkten Effekt über den indirekten Effekt hinaus? Dann wäre es ein partielle Mediation.

Wenn du eine vollständige Mediation hast, in der die UV die AV nur über den Mediator beeinflusst, ist der indirekte Effekt der UV gleich hoch wie ein direkter bei Auslassung des Mediators.
Es ist ja dieser Effekt, den der Mediator vermittelt.

In einem Modell mit zwei Mediatoren ist der *direkte Effekt bei Auslassung* die Summe der beiden indirekten. Effekte. Google einfach mal nach path tracing ruls. Das ist im Grunde ganz einfach.
Als SEM-Mensch hab ich jahrelang das Gemopse um Baron/Kenny in meiner Abteilung nie verstanden ;)

Gruß
Holger
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Re: Mediationsanalyse Baron&Kenny vs. Bootstrapping

Beitragvon tztztz » Di 11. Mär 2014, 15:33

Hallo,

ist es möglich, dass du meinen Post missverstanden hast?

Holgonaut hat geschrieben:Hi,

Leider habe ich in den Artikeln niegendwo etwas darüber gefunden, ob die UV auch einen signifikanten Effekt auf die MV haben muss. Rein intuitiv muss das ja so sein.



Meinst du einen direkten Effekt über den indirekten Effekt hinaus? Dann wäre es ein partielle Mediation.
n wäre es ein partielle Mediation.[/quote]

Ich habe nämlich keine partielle Mediation (UV --> MV --> AV UND UV --> AV) sondern ich habe den Fall, dass ich nach dem von Hayes erstellten benutzerdefinierten Dialogfeld für SPSS, als auch in selbstständigen Mediationsanalysen mit Bootstrapping, Ergebnisse bekomme die mir zeigen, dass es einen signifikanten indirekten Effekt gibt obwohl die UV keinen signifikanten Effekt auf die Mediationsvariable zeigt.

Danke für den Hinweis zu den path tracing rules. Diese sind mir aber schon bekannt ;)

Ich werde die Preacher & Hayes bzw. Zhao et al. Artikel einfach nocheinmal lesen. Vl. werde ich dadurch ja schlauer und kann diese eigenartigen Ergebnisse irgendwie erklären.

Danke für deine HIlfe!

LG tztztz
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Re: Mediationsanalyse Baron&Kenny vs. Bootstrapping

Beitragvon tztztz » Di 11. Mär 2014, 17:22

Lieber Holgonaut,

falls es dich interessieren sollte, glaube ich nun zu wissen, warum meine eigenartigen Ergebnisse zustande kommen können. Preacher & Hayes (2004) schreiben (S. 719), dass es möglich ist, dass der "a" (in meinem Fall UV1 --> MV) oder "b" Pfad in einem Mediationsmodell mit geringer Stichprobengröße nicht signifikant sein kann, da die Teststärke (power) niedrig ist.
In meinem Fall ist die Stichprobengröße eher klein (N ≈ 200) und mein (nicht signifikanter) UV1 --> MV Pfad hat einen standardisierten Pfadkoeefizient von .08 (das entspricht, wenn überhaupt, einem kleinen Effekt). Da die Teststärke sowohl von der Größe des Mittelwertsunterschiedes als auch der Stichprobengröße abhängig ist, kommt es bei mir zu einem nicht signifikanten UV --> MV Pfad. Nach Preacher & Hayes (2004) ist es jedoch möglich, dass der Pfad in der Population signifikant wäre. Ein ausschließliches Testen des indirekten Effektes (UV --> MV --> AV) auf Signifikanz erleichtert die Voraussetzungen um eine Mediationsanalyse berechnen zu dürfen.

Meiner Ansicht nach dürfte bei größerem Stichprobenumfang sehr wohl ein signifikanter UV1 --> MV Pfad resultieren und somit ein indirekter Effekt nicht unausschließbar sein. Ich hoffe, dass ist nicht zu weit an den Haaren herbeigezogen.

LG tztztz
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