Pfadanalyse versus multiple Regressionsanalyse

Pfadanalyse versus multiple Regressionsanalyse

Beitragvon hakulein » Do 4. Aug 2011, 12:06

Wer kann mir bitte Klarheit verschaffen?
1. Frage:was kann die Pfadanalyse mehr als die einfache multiple Regressionsanalyse -> auch in der RA unterstelle ich doch zwischen mehreren UV`s und einer AV eine kausale Beziehung und untersuche damit meinem Verständnis nach neben der angestrebten Vorhersage von Veränderungen in der AV auf Grund von Veränderungen in den UV`s auch die Struktur von Ursache / Wirkung; wenn ich es richtig verstanden habe, tue ich genau das doch auch mit der Pfadanalyse? auch mit der Pfadanalyse suche ich doch auch nicht nach Kausalitäten, sondern überprüfe, wie mit der RA, ein vorhandenes, auf Kausalitäten aufbauendes Modell?

2. Frage: wann spreche ich von kausalen Zusammenhängen? Dann, wenn zeitliche Reihenfolge, Art und Stärke der Zusammenhänge klar definiert sind oder auch schon dann, wenn lediglich Art und Stärke (also Beschaffenheit der Zusammenhänge) mit gewisser WS belegt werden können?
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Re: Pfadanalyse versus multiple Regressionsanalyse

Beitragvon Verena » Do 4. Aug 2011, 12:50

Erstens kann ich dir nicht 100% beantworten... :( Ich denke, dass man mit einer Pfadanalyse mehrere Regressionen sozusagen hintereinander schalten kann (also die UV der einen RA als AV der nächsten verwenden, sodas eine Kausalkette entsteht). Das ist zumindest du Idee, die ich aus dem rudimentären Teil über Pfadanalysen in meiner Statistik-Ausbildung mitbekommen habe...
Zweitens ist für mich immer so eine Gretchen-Frage... Mit einem zeitlichen Aspekt geht man meist von Kausalität aus, jedoch können da noch soviele weitere Aspekte eine Rolle spielen, sodass man nicht generell sagen kann, dass die Zeit eine kausale Ursache darstellt. Außerdem benötige ich für kausale Fragestellungen nicht zwingend einen Zeitaspekt. Aus Art und Größe des Zusammenhangs (sprich: Korrelation??!!) darf keinesfalls auf eine Kausalwirkung geschlossen werden, die Kausalität wird dann erst mit Hilfe höherer Verfahren belegt, wobei die Regressionsanalyse da nicht das robusteste Modell ist. Soweit ich weiß bringen Pfadanalysen da bessere Auswertungsmöglichkeiten für Kausalmodelle.
Generell sollte man Kausalmodelle immer theoretisch untermauern, damit nicht sinnfreie oder andere aufsehenerregende Ergebnisse entstehen, die dann in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben erscheinen ;) Sowas explorativ zu machen ist also ungünstig,dein Modell muss auf bereits fundierten Modellen fußen, um inhaltlich (kausal) aussagefähig zu sein. Für mich stellt sich da aber immer die Frage, worauf diese Modelle aufgebaut sind, sind dort schon falsche Annahmen verbaut pflanzt sich das immer weiter fort, deshalb gehe ich an Kausalmodelle immer kritisch ran und versuche die aus verschiedensten Perspektiven zu untermauern....
So, ich hoffe das hat geholfen :) Beschäftige mich selbst grad damit, deshalb die ausufernde Antwort :)
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Re: Pfadanalyse versus multiple Regressionsanalyse

Beitragvon Mika » Do 4. Aug 2011, 16:41

bei einer multiplen Regressionsanalyse interessiert man sich für die Vorhersage einer AV aus mehrern UVs. Man vernachlässigt somit Beziehungen zwischen den UVs. Man ist knallhart daran interessiert möglichst viel Varianz in der AV aufzuklären und einen Überblick darüber zu bekommen welche UV den stärksten Prädiktor darstellt (obwohl das nicht immer so einfach ist und da auch viele Fallstricke lauern).

Bei einer Pfadanalyse ist das UV AV Verhältnis nicht mehr so klar, bzw. lässt sich empirisch prüfen. Man hat mehr Möglichkeiten Beziehungen zwischen allen manifesten Variablen zu überprüfen und kann leichter Vermittlungseffekte (Mediatoren) feststellen (also eine UV1 beeinflusst eine weitere, vermeintliche, UV2, die damit dann nicht mehr UV ist und sogar möglicherweise den Effekt von UV1 auf AV vermittelt). Die einbettung in ein Strukturgleichugnsmodell ermöglicht mehr Flexibilität solche komplexeren Zusammenhänge zwischen den Variablen zu testen. Das interessanteste bei den Pfadanalysen sind m.E. die angesprochenen MEdiationseffekte.

Den Begriff "kausal" sollte man m.E. immer vermeiden, aber darüber könnte man den ganzen Tag schreiben, deshalb lasse ich es lieber. Rolf Steyer von der Uni Jena macht sehr viel dazu, falls es jemanden interessiert.

LG
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Re: Pfadanalyse versus multiple Regressionsanalyse

Beitragvon strukturmarionette » Mo 22. Aug 2011, 11:23

Hi,

weil ich mich zur Zeit u.a. auch mit PAs beschäftige (aus einem, wahrscheinlich nicht das beste, Lehrbuch: [Weiber & Mühlhaus, (2010) Strukturgleichungsmodellierung, p. 26]

Fundamentaltheorem der PA (etwas verkürzt):
Die Korrelation zwischen einer AV und einer UV kann additiv in einen direkten Effekt, einen indirekten Effekt und einen korrelativen Effekt zerlegt werden. Die indirekten Effekte lassen sich durch Multiplikation der entsprechenden Pfadkoeffizienten berechnen.

Die Gesamtbeziehung ist dann: direkter E. +- indirekter E. +- indirekte korrelierte E. +- Drittvariablen E.

Einige weitere Unterschiede zur RA lassen sich hierdurch m.E. gut veranschaulichen.

S.
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Re: Pfadanalyse versus multiple Regressionsanalyse

Beitragvon Holgonaut » Do 25. Aug 2011, 10:04

Hi,

der zentrale Unterscheid zwischen der Pfadanalyse (PA) und einer normalen Regression (RA) ist, dass eine PA überidentifiziert ist und eine RA saturiert. Das ermöglicht einen Fit, der über die Korrektheit der Restriktionen informiert und somit über die Haltbarkeit der kausalen Vorstellung informiert. Ich denke im übrigen, dass man den Kausalitätsbegriff nicht nur NICHT vermeiden sollte, sondern das er Grundlage und Essenz des wissenschaftlichen Denkens sein /bleiben/werden muss. Aus der Theorie folgt Kausalität folgt Modell (in dieser Richtung). Wissenschaftliches Denken wurde geschwächt durch die Einbürgerung solcher schwammiger Begriffe wie "Assoziation", "relationship", "Beziehung" (siehe Antonakis et al., 2010).

Eine PA erlaubt komplexere kausale Systeme zu modellieren - nicht nur die Beziehungen zwischen mehreren UVs und einer AV, sondern Mediator-Modelle, Modelle mit korrelierenden Residuen etc. Außerdem kann man alternative Modelle vergleichen.

Eine RA ist wie gesagt saturiert und hat keine Freiheitsgrade (ich rede jetzt nicht vom F-Test, sondern von der Zusammenhangsstruktur). Dadurch bekommt man 0 Informationen, ob was am Modell problematisch ist. Eine PA kann natürlich auch saturiert sein, dann hat sie keine Vorteile gegenüber einer RA.

Grüße
Holger

Antonakis, J., Bendahan, S., Jacquart, P., & Lalive, R. (2010). On making causal claims: A review and recommendations. The Leadership Quarterly, 21, 1086-1120.
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