Welcher t-Test?

Welcher t-Test?

Beitragvon Hypotenuse » Mi 20. Jul 2016, 09:12

Hallo zusammen,

ich verfasse zurzeit meine Masterarbeit, indem ich untersuche, ob eine Branche ein bestimmtes Gesetz wünscht.
Befragt habe ich sowohl Anbieter (n=101) als auch Verkäufer (n=380), deren Verhältnis durch dieses Gesetz untereinander besser bzw. einheitlich reguliert werden soll.

Beide Parteien habe ich gefragt (Ausschnitt):
Würden Sie ein entsprechendes Gesetz begrüßen, welches die besonderen Erfordernisse in dieser Beziehung manifestiert?
Antwortmöglichkeiten:
Volle Zustimmung
Teilweise Zustimmung
Teilweise Ablehung
Volle Ablehnung

Ich habe meine Datensätze nun codiert:
Volle Zustimmung = 1
Teilweise Zustimmung = 2
Teilweise Ablehung = 3
Volle Ablehnung = 4

Als Mittelwert habe ich für die Anbieter 2,0 und für die Verkäufer 1,92, d.h. beide Parteien stehen einem Gesetz recht positiv gegenüber. Selbstverständlich habe ich nicht die gesamte Branche befragt, ich möchte das Ergebnis gerne auf die gesamte Branche spiegeln. Hier kommt der t-Test (müsste gem. meinen Unterlagen aus dem Bachelor einer sein) ist Spiel.

Für beide Parteien (getrennt voneinander) möchte ich die Hypothese testen:
Die Anbieter/Verkäufer in der Branche sind für ein neues Gesetz.

Nun habe ich folgendes Problem: Ich muss doch die Grundgesamtheit kennen (Erwartungswert + Varianz).
Beides ist unbekannt. Die fehlende Varianz ist ja kein Problem (einfacher t-Test), aber was mache ich mit dem Erwartungswert? Ich kann ja nicht irgend einen postulieren bzw. mit dem Erwartungswert argumentieren, der mir gerade passt (nach dem Motto, traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast ;) ).

Inwiefern ist es mir möglich, ohne Kenntnis der Grundgesamtheit, nun zu testen?

Ich freue mich, wenn mir jemand eine Hilfestellung geben kann.

Ist hierbei auch der Einsatz von SPSS möglich/sinnvoll? Ich habe in jedem Fragebogen ca. 20 Fragen, allerdings sind die nicht zum Testen geeignet bzw. reicht mir da meine Excel-Lösung.
Ich wollte mich jetzt nicht sturr vor SPSS setzen und den Rechner machen lassen, möchte gerne den Hintergrund wissen, warum ich das nicht oder doch testen kann.

Vielen Dank!

Freundliche Grüße

Michael
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Re: Welcher t-Test?

Beitragvon PonderStibbons » Mi 20. Jul 2016, 09:41

Als Mittelwert habe ich für die Anbieter 2,0 und für die Verkäufer 1,92, d.h. beide Parteien stehen einem Gesetz recht positiv gegenüber.

Das ist eine Ordinalskala, da wäre lege artis ein Mittelwert nicht angebracht.
Maß der zentralen Tendenz bei Ordinalskalen ist der Median.,
Selbstverständlich habe ich nicht die gesamte Branche befragt, ich möchte das Ergebnis gerne auf die gesamte Branche spiegeln. Hier kommt der t-Test (müsste gem. meinen Unterlagen aus dem Bachelor einer sein) ist Spiel.

Bei Ordinalskalen geht der nicht.
Für beide Parteien (getrennt voneinander) möchte ich die Hypothese testen:
Die Anbieter/Verkäufer in der Branche sind für ein neues Gesetz.

Wie sieht denn die Nullhypothese exakt aus?

Beides ist unbekannt. Die fehlende Varianz ist ja kein Problem (einfacher t-Test), aber was mache ich mit dem Erwartungswert? Ich kann ja nicht irgend einen postulieren bzw. mit dem Erwartungswert argumentieren, der mir gerade passt

Was denn sonst? Du musst selbst auf Grundlage Deiner Vorüberlegungen
definieren, ab welchem Mittelwert (bzw. hier: Median) Du aussagen
kannst, "die Grundgesamtheit der Anbieter, aus der die Stichprobe
stammt, ist [im Mittel] für das Gesetz".

Alternativ kannst Du auch definieren, wieviele % voll bzw. teilweise
in der Grundgesamtheit zustimmen sollten, damit die Gruppe als insgesamt
zustimmend charakterisiert wird.

Gegen beide Erwartungswerte kann an dann passende Einstichprobentests
durchführen.

Oder ist Deine Annahme, dass Deine Stichproben etwas ganz ausgefallenes
darstellen, so dass Du, sobald Du die mittlere Einstellung der Anbieter-
Population kennst, testen kannst, ob diese Stichprbe aus einer anderen
Grundgesamtheit stammt? Das geht aus der Studienskizze allerdings so
noch nicht hervor.

(nach dem Motto, traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast ;) ).

Diesen merkbefreiten Spruch zitierst Du ausgerechnet hier?

Es geht nicht ums Fälschen oder Nichtfälschen, sondern um klares Denken, begründete
Entscheidungen und sachgerechte Durchführung. Statistische Algorithmen liefern Dir
keine inhaltlichen Lösungen wie die zu der Frage, ab wann Du eine Gruppe von Leuten
insgesamt als "Zustimmend" ansiehst.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Welcher t-Test?

Beitragvon Hypotenuse » Mi 20. Jul 2016, 12:00

Hallo PonderStibbons,

vielen Dank für die rasche und ausführliche Antwort.

Ich merke, Statistik ist schon etwas länger her bei mir :oops:.

Ich fasse mal zusammen:

:arrow: Der Mittelwert ist nicht optimal, besser wäre der Median.

Der Hintergrund, warum ich den Mittelwert nehmen möchte ist der, dass ich ja nur eine 4er-Skala habe (extra, weil ein Gesetz in der Regel keinen großen Spielraum zwischen unreguliert und reguliert bietet), und ich über den Mittelwert noch einzelne Tendenzen und Begründungen für einzelen Ergebnisse rausholen kann ( Vergleich über den Mittelwert mit 2,4 zu 2,0 ist mir lieber als Median 2,0 zu 2,0). Mir ist klar, habe ich auch nicht vor, aus einem Unterschied von 0,4 eine große Story zu machen.

Den Median behalte ich auf jeden Fall im Hinterkopf, ich hatte nämlich auch vor, anhand meiner Codierung Standardabweichung und Varianz zu nehmen, aber ich denke, dass ich es aufgrund der engen Skalierung sein lasse und doch die klassischen Prozente neben dem Mittelwert/Median interpretiere.

:arrow: t-Test geht nicht, passenden Einstichprobentest nehmen. Erwartugswert selbst aufstellen.
Dann war mein erster Gedanke beim Lesen meiner Unterlagen richtig.

Meiner Recherche nach kann damit gerechnet werden, dass beide Parteien größtenteils für ein Gesetz sind, d.h. ich kann durchaus einen Erwartungswert aufstellen bzw. kann ich ihn ausargumentieren. (muss schauen, was mein Prof dazu sagt)

So könnte ich mir den vorstellen:

Anbieter (bzw. Verkäufer) sind zu mindestens 67% ganz oder teilweise für ein Gesetz.
(einseitiger einfacher Gaußtest)

Ein Gesetz, dass aus der Praxis kommt, soll ja erwünscht sein, 2/3-Mehrheit ist da m.E.n. sinnvoll.

Kann ich das auch über SPSS rechnen, wenn ja, über welche Funktion/welchen Test?

:arrow: Wie lautet die Nullhypothese?

Im Bezug zum oben genannten Erwartungswert:

Für Anbieter:
Wir wünschen kein Gesetz, d.h. weniger als 67% stimmen voll oder eher für ein Gesetz.

Für Verkäufer:
Wir wünschen kein Gesetz, d.h. weniger als 67% stimmen voll oder eher für ein Gesetz.

Ich will zeigen, dass beide Parteien ein Gesetz wünschen, sodass die Nullhypothese verworfen werden soll.


Schon einmal vielen Dank für die Rückmeldung. Ich hoffe, ich habe keinen neuen Müll produziert, trotzdem bin ich statistisch gesehen jetzt wieder ein bisschen klarer im Kopf ;).

Freundliche Grüße

Michael
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Re: Welcher t-Test?

Beitragvon PonderStibbons » Mi 20. Jul 2016, 12:23

Anbieter (bzw. Verkäufer) sind zu mindestens 67% ganz oder teilweise für ein Gesetz.
(einseitiger einfacher Gaußtest)

Da es um Häufigkeiten geht, Chi²-Einstichprobentest (2 Gruppen: Antwort 1 oder 2 gegeben versus Antwort 3 oder 4 gegeben) oder Binomialtest.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Welcher t-Test?

Beitragvon Hypotenuse » Mi 20. Jul 2016, 13:12

OK, vielen Dank!
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Re: Welcher t-Test?

Beitragvon Hypotenuse » Mi 20. Jul 2016, 17:24

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