Welches Testverfahren geeignet?

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Welches Testverfahren geeignet?

Beitragvon Schnurb » Do 9. Feb 2017, 20:28

Hallo ihr lieben Statistik-Experten,

für meine Promotionsarbeit habe ich für 60 Patienten einiges an Informationen/Daten in einer großen Excel-Tabelle gesammelt.
Jeder Patient steht in einer Zeile. Die Spalten bilden erfasst Variablen.

Innerhalb dieser Stichprobe gibt es zwei Teilstichproben:
a) diejenigen Patienten, die die Therapie nach 2 Jahren absetzen konnten
a) diejenigen Patienten, die die Therapie nach 2 Jahren NICHT absetzen konnten.

hierfür habe ich einfach am Anfang eine Spalte mit 1 für "Therapie nach 2 Jahren abgesetzt" und 0 für "Therapie nach 2 Jahren NICHT abgesetzt" eingefügt.

Nun habe ich den Auftrag bekommen zu überprüfen, ob es unter diesen zum Zeitpunkt des Therapiebeginns erfassten Parametern solche gibt, die prognostizieren können, ob ein Patient die Therapie nach 2 Jahren absetzen kann oder nicht.

Ich kenne mich mit Statistik und SPSS leider nicht gut aus und bin etwas ratlos, mit welchen Tests ich das jeweils überprüfen kann. Ich nehme an es kommt auch darauf an, wie die "Variablenspalten" skaliert sind, richtig?

Nach meinen bisherigen Recherchen hätte ich am ehesten darauf getippt, dass ich z.B. bei
- Entzündungswerten (da intervallskaliert) z.B. den t-Test für 2 unabh. Stichproben verwenden, und bei
- Alter/Geschlecht (da nominalskaliert?) z.B. den Chi-Quadrat-Test benutzen könnte.

Ich hoffe ich blamiere mich nicht völlig mit dieser Annahme, aber ich vertraue meinem Urteil nicht :D

Könnt ihr mir weiterhelfen?
Ich habe SPSS und Excel zur Auswertung zur Verfügung.

Vielen Dank im Voraus:))
Schnurb
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Re: Welches Testverfahren geeignet?

Beitragvon strukturmarionette » Fr 10. Feb 2017, 03:17

Hi,

Nun habe ich den Auftrag bekommen zu überprüfen, ob es unter diesen zum Zeitpunkt des Therapiebeginns erfassten Parametern solche gibt, die prognostizieren können, ob ein Patient die Therapie nach 2 Jahren absetzen kann oder nicht.

- Das wird derart nicht funktionieren.
- Du könntest Dir ein Modell (s.u.) mit relevanten Prädiktoren basteln und schauen nach der relativen 'Tauglichkeit' des Gesamtmodells und den 'Tauglichkeiten' der Pradiktoren im einzelnen.

Ich nehme an es kommt auch darauf an, wie die "Variablenspalten" skaliert sind, richtig?

- Ja.
- Hauptsächlich ist das Skalenniveau der Abhängigen Variablen (frür die Modellauswahl) relevant. Die scheint kategorial dichotom zu sein.

Gruß
S.
strukturmarionette
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Re: Welches Testverfahren geeignet?

Beitragvon bele » Fr 10. Feb 2017, 09:00

Schnurb hat geschrieben:Ich hoffe ich blamiere mich nicht völlig mit dieser Annahme, aber ich vertraue meinem Urteil nicht :D


Nein, Du blamierst Dich nicht und Du hast Recht, Deinem Urteil nicht zu trauen. Grundsätzlich könntest Du das CRP in beiden Gruppen mit einem t-Test prüfen und das Geschlecht in beiden Gruppen mit einem Chiquadrat-Test. Was tust Du aber, wenn die Männer im Schnitt ein höheres CRP hatten und sowohl CRP als auch Mann-Sein signifikant wird? In den meisten Fällen ist es besser, anstelle von vielen Einzeltest einen umfassenden, in den dann alle interessanten Werte eingehen zu rechnen. Eine multiple lineare Regression (in der Ausprägung "logistische Regression") kommt einem da zunächst in den Sinn.

Vor weiterer Beratung wäre es sinnvoll, dass Du uns noch sagst, von wievielen Spalten Du die Bedeutung aus Deinen 60 Patienten schätzen willst und ob alle gleich wichtig sind oder es darunter solche von besonderer Wichtigkeit gibt.

Viele Grüße,
Bernhard


(PS: Lineare Regression und logistische Regression wären schon einmal Suchbegriffe, die Du Dir beim Warten auf weitere Antworten anschauen solltest.)
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Re: Welches Testverfahren geeignet?

Beitragvon Schnurb » Fr 10. Feb 2017, 15:41

In meiner Arbeit wurden retrospektiv Patientenakten analysiert. U.a. wurde analysiert, wie lange diese Patienten unter medikamentöser Therapie standen. D.h. manche konnten die Therapie nach 18, 20, 21 ... Monaten absetzen, gut 50% allerdings auch 4 Jahre nach Therapiebeginn nicht (= Ende des Beobachtungszeitraums).

Der grundsätzliche Ansatz war nun zu überprüfen, ob es gemeinsame Merkmale zwischen definierten Teilstichproben, bspw. der Gruppe A "nach 3 Jahren frei von medikamentöser Therapie" und der Gruppe B "nach 3 Jahren NICHT frei von medikamentöser Therapie" gibt. Sodass man also z.B. sagen kann, wenn sich ein Patient mit einem besonders hohen Entzündungswert zum Zeitpunkt der Erstdiagnose vorstellt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er eine Therapiedauer >3 Jahre benötigen wird.

Das bedeutet es wäre im Grunde von jedem beliebigen bei Therapiebeginn erfassten Parameter interessant zu wissen, ob er in der Lage ist, eine solche Gruppenzugehörigkeit zu prognostizieren oder nicht bzw. zu überprüfen, ob es auffällige Gemeinsamkeiten dieser zwei Stichproben gibt. Im Rahmen dieser Überlegungen hatte mein Betreuer, sofern ich ihn im Rahmen unseres kurzen Gesprächs richtig verstanden habe, eine Überprüfung mit Chi-Quadrat und t-Test vorgeschlagen.

Nun bin ich aber absolut kein Experte und tue mich mit der Umsetzung und der richtigen Auswahl und Umsetzung der passenden Tests schwer. Zum besseren Verständnis gebe ich euch einen tieferen Einblick in die erfassten Parameter.

Erfasst wurden u.A. folgende Parameter zum Zeitpunkt der Erstdiagnose, also zum Zeitpunkt des Therapiebeginns:
- Alter
- Geschlecht
- Symptomdauer in Wochen vor Erstdiagnose/Erstvorstellung
- Ausprägung verschiedener Symptome auf einer Skala 1 - 10
- morgendliche Dauer der Symptome in Minuten
- Betroffenheit bestimmter Körperregionen (ja/nein)
- beidseitige Betroffenheit bestimmter Körperregionen (ja/nein)
- plötzliches Auftreten der Symptome (ja/nein)
- verschiedene Laborparameter (z.B. CRP -> Verhältnisskala?)
- Befund in radiologischen Untersuchungen (z.B. radiologischer Befund passt zur diagnostischen Krankheit a) nicht b) eher nicht c) gut)
- Initiale Medikamenten-Dosis in mg
- Ort des Therapiebeginns (Krankenhaus A, Praxis B, Praxis C, Krankenhaus D, etc.)

Im weiteren Verlauf wurde dann zu bestimmten Zeitpunkt nach Therapiebeginn noch folgende Parameter erfasst.
- eingenommene Dosis nach 4 Wochen (8 Wochen, 12 Wochen etc.)
- Entzündungslaborwerte
- z.B. Schmerzwert (Skala 1 - 10)

D.h. es wäre theoretisch auch denkbar zu überprüfen ob man sagen kann: Wenn ein Patienten nach XY Wochen noch einen Schmerzwert von >6 angibt, ist es wahrscheinlich dass er zur Gruppe der Patienten mit langwierigem Therapieverlauf gehören wird.

So viel zum grundsätzlichen "Versuchsaufbau".

bele hat geschrieben:Was tust Du aber, wenn die Männer im Schnitt ein höheres CRP hatten und sowohl CRP als auch Mann-Sein signifikant wird?


Kann man dann nicht einfach sagen, sowohl Mann-Sein als auch ein hohes CRP zu Therapiebeginn sind Anzeichen für einen schwierigeren Therapieverlauf?

strukturmarionette hat geschrieben:Eine multiple lineare Regression (in der Ausprägung "logistische Regression") kommt einem da zunächst in den Sinn.


Wäre es damit schwierig/aufwändig/möglich geschätzt 30 - 50 solcher Parameter zu prüfen?

Ich bin gerade dabei, mich mit den von euch genannten Themen auseinander zu setzen und danke euch vielmals dafür, dass ihr euch meiner annehmt :)

LG
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Re: Welches Testverfahren geeignet?

Beitragvon bele » So 12. Feb 2017, 11:59

Schnurb hat geschrieben:Im Rahmen dieser Überlegungen hatte mein Betreuer, sofern ich ihn im Rahmen unseres kurzen Gesprächs richtig verstanden habe, eine Überprüfung mit Chi-Quadrat und t-Test vorgeschlagen.


In der klinischen Forschung ist es halt oft so, dass die Patientendaten bei den Behandlern und nicht bei den Wissenschaftlern anfallen. Auch sehr gute Ärzte können im Bereich der Wissenschaft Anfänger sein. Dein Bemühen, Dir anderweitig Einsicht zu verschaffen, ist angemessen.

bele hat geschrieben:Was tust Du aber, wenn die Männer im Schnitt ein höheres CRP hatten und sowohl CRP als auch Mann-Sein signifikant wird?


Kann man dann nicht einfach sagen, sowohl Mann-Sein als auch ein hohes CRP zu Therapiebeginn sind Anzeichen für einen schwierigeren Therapieverlauf?


Doch, aber vielleicht machst Du dann allen Männern mit niedirigem CRP unnötig Angst, weil eigentlich nur das hohe CRP das Risiko darstellt und zum Mann-Sein nur eine Scheinkorrelation besteht. Vergiss bitte nicht, "Scheinkorrelation" zu googlen, bevor Du Dir eine Meinung zu diesem Post bildest.

Wäre es damit schwierig/aufwändig/möglich geschätzt 30 - 50 solcher Parameter zu prüfen?

Nein. Bei nur 60 Menschen und 50 Parametern ist die Chance zu groß, dass einer oder mehrere der Parameter nur rein zufällig ungleich auf die beiden (kleinen) Gruppen verteilt ist. Stichwort -Fehler!


LG,
Bernhard
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Re: Welches Testverfahren geeignet?

Beitragvon strukturmarionette » So 12. Feb 2017, 13:08

Hi,

Auch sehr gute Ärzte können im Bereich der Wissenschaft Anfänger sein. Dein Bemühen, Dir anderweitig Einsicht zu verschaffen, ist angemessen.
Vergiss bitte nicht, "Scheinkorrelation" zu googlen, bevor Du Dir eine Meinung zu diesem Post bildest.

- Zwei Ratschläge, wobei der zweite ('Googlo') insbesodere für die Medizin Angst machen kann.

Gruß
S.
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