Geht das: Messwiederholungs-ANOVA ohne Messwiederholung?

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Geht das: Messwiederholungs-ANOVA ohne Messwiederholung?

Beitragvon Nanina » Mi 18. Dez 2019, 14:27

Hallo zusammen!

Mein Co-Autor und ich haben eine statistische "Meinungsverschiedenheit": Kann man eine Messwiederholungs-ANOVA rechnen, ohne eine Messwiederholung zu haben?

Zum Experiment: Wir haben Gruppe A und Gruppe B. Die beiden Gruppen haben keine Überschneidung. Es wurde im Experiment zunächst (prä) die Aufmerksamkeit für Y und die Aufmerksamkeit für Z gemessen, dann wurde Angst induziert (währenddessen haben Gruppe A und Gruppe B jeweils unterschiedliche Interventionen angewandt), und dann wurde (post) wieder die Aufmerksamkeit für Y und Z gemessen. Damit ist die Gruppenzugehörigkeit die unabhängige Variable, und die Aufmerksamkeit für Y und Z sind die abhängigen. Als weitere UV haben wir noch das Geschlecht der Probanden. N=140.

Zunächst rechneten wir dazu eine rmANOVA, haben uns dann aufgrund prä-existierender Gruppenunterschiede aber dazu entschieden, change scores zu berechnen, also die Differenz zwischen prä und post in den Aufmerksamkeitstests. Da durch diese Maßnahme die Messwiederholung wegfiel, habe ich stattdessen eine MANOVA gerechnet (Aufmerksamkeit für Y und Z). Mein Co-Autor möchte aber unbedingt weiterhin eine rmANOVA rechnen. Er sagt, das "repeated measures" ist irreleitend und es ist eigentlich eine "within-groups ANOVA", und er möchte eben den within-groups Vergleich sehen.

Nun bin ich mir nicht sicher, ob das überhaupt erlaubt ist mit unserem Setup? Das Internet sagt mir "Repeated measures ANOVA is the equivalent of the one-way ANOVA, but for related, not independent groups, and is the extension of the dependent t-test. A repeated measures ANOVA is also referred to as a within-subjects ANOVA or ANOVA for correlated samples. All these names imply the nature of the repeated measures ANOVA, that of a test to detect any overall differences between related means."
Aber unsere Gruppen sind doch nicht related, sondern unabhängig? Gruppe A und B haben keine Überschneidung, durchlaufen aber denselben Experimentalprozess. Geschlecht ist zwar gleichmäßig über die Gruppen A und B verteilt, überschneidet sich aber natürlich auch nicht. Die Prä- und Post-Werte hängen natürlich zusammen, aber das ist ja wohl nicht mit "related" gemeint, wenn ich einen change score habe, und das nicht mehr über den Innersubjektfaktor "Zeit" mache, so wie ich das mit zwei Messzeitpunkten machen würde?

Ich habe im Grunde gar nichts dagegen, die Ergebnisse nochmal von MANOVA auf rmANOVA zu ändern, aber es muss ja schon rechtens sein. Und da bin ich mir gerade nicht so sicher.

Danke!
Nanina
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Re: Geht das: Messwiederholungs-ANOVA ohne Messwiederholung?

Beitragvon bele » Mi 18. Dez 2019, 15:39

Hallo Nanina,

so wie ich Deine Schilderung verstehe, hast Du Durch die Differenzberechnung tatsächlich den Messwiederholungsaspekt ausreichend berücksichtigt und Dein Co-Autor dürfte Schwierigkeiten haben zu sagen, welche Werte er da "within-group" zusammenfassen möchte. Ich frage mich, ob Ihr wirklich nur in der statistischen Bewertung voneinander abweicht, oder ob seine Schilderung der Situation vielleicht ganz anders aussehen würde. Vielleicht hat er das mit der Differenzbildung ja auch ganz anders verstanden als Du es schildern wolltest. Deshalb glaube ich, dass Ihr da nochmal bei Null anfangend miteinander sprechen solltet bzw. dass er ganz konkret sagen soll, within-welche-Gruppen da gerechnet werden soll.

LG,
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Re: Geht das: Messwiederholungs-ANOVA ohne Messwiederholung?

Beitragvon Nanina » Mi 18. Dez 2019, 15:51

Danke für die Antwort! Die Berechnung der change scores ist unmissverständlich, da sind wir uns einig. Das Problem liegt an einer anderen Stelle, und ich kann seinen Standpunkt auch total nachvollziehen.

Die Aufmerksamkeit für Y und Z wird als Reaktionszeit gemessen. Wir haben also die Variablen "Reaktionszeit auf Y" und "Reaktionszeit auf Z" als AV. Als UV haben wir eben die Gruppenzugehörigkeit (A oder B) und das Geschlecht (hier M oder F). In einer MANOVA gebe ich "Reaktionszeit auf Y" und "Reaktionszeit auf Z" als AV ein, und Gruppe und Geschlecht als feste Faktoren. Soweit, so gut. Meinem Co-Autor fehlt hier die Berücksichtigung des Unterschieds zwischen Y und Z. Y und Z beziehen sich auf verschiedene Valenzen des Stimulusmaterials, "angenehm" und "unangenehm". Den kann man in der rmANOVA berechnen, in den man ihn in der ersten Maske "Valenz" als Innersubjektfaktor angibt. Dann bekommt man "Valenz", und kann im Output schauen, ob es da Haupteffekte und Interaktionen gibt. Das geht bei der MANOVA nicht, da "Valenz" da nur als AV drinsteckt. Daher will er rmANOVA, und ich bin damit an sich auch völlig einverstanden. Ich frage mich nur, ob wir es DÜRFEN. Unsere Daten sind ja eigentlich nicht miteinander verbunden, sondern die Gruppen sind unabhängig. Hmmm... *denk*
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Re: Geht das: Messwiederholungs-ANOVA ohne Messwiederholung?

Beitragvon PonderStibbons » Do 19. Dez 2019, 09:56

Die Messungen "Reaktionszeitänderung bei X" und "Reaktionszeitänderung bei Y" sind bei denselben Probanden
vorgenommen wurden, demnach sind es abhängige Messungen, demnach kann man sinnvoll einen
Messwiederholungsfaktor definieren und eine Messwiederholungsanalyse durchführen. Durch das Hinzutreten
eines Zwischensubjektfaktors (Gruppierungsfaktors) wird daraus eine "gemischte" Varianzanalyse.

Zunächst rechneten wir dazu eine rmANOVA, haben uns dann aufgrund prä-existierender Gruppenunterschiede aber dazu entschieden, change scores zu berechnen, also die Differenz zwischen prä und post in den Aufmerksamkeitstests.

Wozu das? Der Messwiederholungsfaktor "Reaktionszeit vor Angst / nach Angst" und der Change Score
sind äquivalent. Und wieso sollten auch Change Scores das Problem unterschiedlicher Ausgangsniveaus
(sofern es überhaupt eins ist) lösen können?

Insofern hätte man eine Varianzanalyse mit 2 Messwiederholungsfaktoren (Aufmerksamkeitsobjekt und
Messzeitpunkt) rechnen können, aber das nur nebenbei.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Geht das: Messwiederholungs-ANOVA ohne Messwiederholung?

Beitragvon Nanina » Do 19. Dez 2019, 14:40

PonderStibbons hat geschrieben:Die Messungen "Reaktionszeitänderung bei X" und "Reaktionszeitänderung bei Y" sind bei denselben Probanden
vorgenommen wurden, demnach sind es abhängige Messungen, demnach kann man sinnvoll einen
Messwiederholungsfaktor definieren und eine Messwiederholungsanalyse durchführen. Durch das Hinzutreten
eines Zwischensubjektfaktors (Gruppierungsfaktors) wird daraus eine "gemischte" Varianzanalyse.


Danke! Dann mache ich das so :)

PonderStibbons hat geschrieben:Wozu das? Der Messwiederholungsfaktor "Reaktionszeit vor Angst / nach Angst" und der Change Score
sind äquivalent. Und wieso sollten auch Change Scores das Problem unterschiedlicher Ausgangsniveaus
(sofern es überhaupt eins ist) lösen können?

Insofern hätte man eine Varianzanalyse mit 2 Messwiederholungsfaktoren (Aufmerksamkeitsobjekt und
Messzeitpunkt) rechnen können, aber das nur nebenbei.


So haben wir es auch zuerst gemacht. Es ging darum, ob die Interventionen der unterschiedlichen Gruppen in der Angstinduktion sich unterschiedlich auf die Aufmerksamkeit auswirken. Die Gruppen unterschieden sich jedoch prä-experimentell (bei N=140 und randomisierter Verteilung... machste nix!), und alle signifikanten Effekte, die wir in dieser Analyse fanden, bezogen sich immer auf den prä-Unterschied, der uns aber eigentlich nur marginal interessierte. Meinetwegen hätten wir es so lassen können, aber mein Co-Autor fand es zu kompliziert (er ist selbst ein bisschen kompliziert ;) ;) )

Danke für die Hilfe!
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