Fragen zum Chi²-Test

Fragen zum Chi²-Test

Beitragvon Aradhir » So 5. Jul 2020, 01:04

Schönen guten Abend,

ich hätte mal eine Frage zur Interpretation vom Chi-Quadrat-Test und zwar welche Aussagen ich mit einem signifikanten Ergebnis treffen darf, wenn ich die Häufigkeitsverteilung von zwei Variablen verglichen habe.
Nehmen wir mal das fiktive Beispiel ich würde das Geschlecht (50 Männer und 50 Frauen) und die Verwendung eines Ähms im Gespräch untersuchen (Verwendet/nicht verwendet).
Meine Daten wären so, dass 10 Frauen einmal Ähm gesagt haben und 40 nicht und 30 Männer haben ähm gesagt und 20 nicht. Ich hab es jetzt nicht gerechnet aber ich würde wahrscheinlich ein signifikantes Ergebnis im Chi-Quadrat-Test rausbekommen.
Ich kann jetzt glaube ich sagen, dass es einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Geschlecht und der Nutzung des Wortes Ähm im Gespräch gibt. Aber inwiefern dürfte ich jetzt davon sprechen, dass zwischen den beiden Gruppen (männlich/weiblich) ein signifikanter Unterschied vorliegt? Oder dass es einen Einfluss des Geschlechtes auf die Nutzung des Wortes Ähms gibt? Also anders gefragt: gibt mir ein Chi-Quadrat-Test eine Antwort darauf ob ein Unterschied zwischen den Merkmalsausprägungen vorliegt bzw. kann dadurch ein Effekt festgestellt werden? Kann der Chi-Quadrat-Test die Hypothese beantworten, dass sich ein Unterschied zwischen der Nutzung von Ähm zwischen den Geschlechtern zeigt oder müsste die Hypothese dann anders formuliert werden?
Ich hoffe ich habe mich verständlich ausgedrückt ansonsten fragt gerne nochmal nach.

Vielen Dank im Voraus
Robin
Aradhir
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Re: Fragen zum Chi²-Test

Beitragvon strukturmarionette » So 5. Jul 2020, 08:08

Hi,

die H0 (und die ist relevat) dieses Chi²-Tests lautet:
- Es gibt keinen (irgendwelchen) Zusammenhang zwischen zwei (kategorialen) Variablen.

Gruß
S.
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Re: Fragen zum Chi²-Test

Beitragvon Aradhir » So 5. Jul 2020, 09:30

Hallo strukturmarionette,

schonmal vielen Dnak für deine Antwort. Mir würde es darum gehen, wenn ich die Hypothese habe dass sich die beiden Geschlechter in der Nutzung von Ähm unterscheiden. Dann erhalte ich dieses Ergebnis, wo ja schon die absoluten Häufigkeiten sehr danach aussehen, dass ein Unterschied vorliegt und dann rechne ich einen Chi-Quadrat-Test, dessen Ergebnis ist, dass ein Zusammenhang zwischen den beiden Variablen besteht, kann ich dann im Text auch davon schreiben, dass ein Unterschied vorliegt? Weil der Chi-Quadrat-Test stellt ja nur dann einen Zusammenhang fest, wenn ein entsprechend großer Unterschied gefunden worden ist. Oder darf das Wort Unterschied quasi gar nicht auftauchen?
Weil intuitiv würde ich schon sagen, dass sich der Chi-Quadrat-Test ja auch mit den Unterschieden beschäftigt und auf einigen Seiten wie https://www.univie.ac.at/ksa/elearning/ ... ve-94.html, finden sich auch Formulierungen wie "Wir wissen jedoch noch nicht, ob diese Unterschiede auch signifikant sind." bei der EInleitung warum dort ein Chi-Quadrat-Test durchgeführt wird oder https://statistik-dresden.de/archives/5283 spricht davon "60,6% Interessierte in Gruppe 1 vs. 36,3% Interessierte in Gruppe 0 sprechen für einen relevanten Unterschied, der jetzt auch statistisch bestätigt wird" darf ich in dieser Form vorsichtig auch davon sprechen, dass ein Unterschied bestätigt wurde oder dass ein signifikanter Unterschied in den Verteilungen vorliegt?

Vielen Dank und lieb Grüße
Robin
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Re: Fragen zum Chi²-Test

Beitragvon bele » So 5. Jul 2020, 12:14

Hallo Robin,

das ist ganz einfach: Wenn Du eine Vierfeldertafel gemacht hast, in der jede Frau und jeder Mann einmal vorkommt und der p-Wert ist <0,05 dann kannst Du das als wissenschaftlichen Beleg verwenden, dass die Männer und Frauen in Deiner Beobachtung nicht nur zufällig, sondern systematisch die jeweilige Äußerung unterschiedlich oft gemacht haben.

Das Problem taucht eher dort auf, wo Du aus Deiner Beobachtungsgruppe auf Frauen und Männer an sich schlussfolgerst. Du musst damit rechnen, dass Deine Frauen und Männer alle einen gemeinsamen Soziolekt sprechen, dass sie alle ein ähnliches Alter haben, dass sie einen nicht-repräsentativen Migrantenanteil haben etc.

Einfach ist: p ist klein, also war die Beobachtung nicht nur Zufall sondern kann auf die Grundgesamtheit verallgemeinert werden, aus der Deine Versuchspersonen gezogen wurden. Definieren, welche Grundgesamtheit von Deiner Stichprobe repräsentativ erfasst wurde ist der schwierige Teil.

HTH,
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Re: Fragen zum Chi²-Test

Beitragvon Aradhir » So 5. Jul 2020, 12:27

bele hat geschrieben:Hallo Robin,

das ist ganz einfach: Wenn Du eine Vierfeldertafel gemacht hast, in der jede Frau und jeder Mann einmal vorkommt und der p-Wert ist <0,05 dann kannst Du das als wissenschaftlichen Beleg verwenden, dass die Männer und Frauen in Deiner Beobachtung nicht nur zufällig, sondern systematisch die jeweilige Äußerung unterschiedlich oft gemacht haben.

Das Problem taucht eher dort auf, wo Du aus Deiner Beobachtungsgruppe auf Frauen und Männer an sich schlussfolgerst. Du musst damit rechnen, dass Deine Frauen und Männer alle einen gemeinsamen Soziolekt sprechen, dass sie alle ein ähnliches Alter haben, dass sie einen nicht-repräsentativen Migrantenanteil haben etc.

Einfach ist: p ist klein, also war die Beobachtung nicht nur Zufall sondern kann auf die Grundgesamtheit verallgemeinert werden, aus der Deine Versuchspersonen gezogen wurden. Definieren, welche Grundgesamtheit von Deiner Stichprobe repräsentativ erfasst wurde ist der schwierige Teil.

HTH,
Bernhard


Okay, vielen vielen Dank schonmal, also um die Schwierigkeit der Repräsentativität der Stichprobe weiß ich, nur mir ging es darum welche Aussagen jetzt auf Basis eines Chi-Quadrat-Test getroffen werden können und ob neben dem Wort Zusammenhang das Wort Unterschied überhaupt fallen darf, aber ich habe das jetzt so verstanden, dass ich schon sagen darf, dass die Teilnehmenden ähm auf Basis des Chi-Quadrat Test unterschiedlich oft verwendet haben. Dürfte ich auch sowas sagen wie "Der Chi-Quadrat-Test zeigt, dass sich Männer und Frauen im vorliegenden Datensatz signifikant bezüglich der Verwendung von Ähms unterscheiden" oder zumindest sowas wie "Der Chi-Quadrat-Test zeigt, dass sich die Verteilung in den beiden Gruppen bezüglich der Nutzung von Ähms signifikant unterscheidet"?

Vielen Dank nochmal :)
Aradhir
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Re: Fragen zum Chi²-Test

Beitragvon bele » So 5. Jul 2020, 13:53

Kein Problem: Männer haben "ähm" häufiger genutzt als Frauen, der Unterschied war mit p < 0,001 hoch signifikant. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Geschlecht und ähm-Häufigkeit.
Normalerweise warnt man vor der Formulierung von Kausalitätsaussagen, aber sowohl Zusammenhang als auch Unterschied sind angesichts eines niedrigen p-Werts gerechtfertigt.

LG,
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Re: Fragen zum Chi²-Test

Beitragvon Aradhir » So 5. Jul 2020, 15:40

Okay, super vielen Dank. Eine letzte kurze Frage hätte ich noch: Heißt das auch es wäre auch möglich eine Hypothese "Es lassen sich unterschiede bei der Nutzung von Ähms zwischen den Männern und Frauen in der Stichprobe finden" zu haben, dann einen Chi-Quadrat-Test zu rechnen und diese Hypothese je nach ergebnis zu verifizieren bzw. zu falsifizieren oder sollte in der Hypothese auf jeden Fall von Zusammenhängen gesprochen werden wenn ein Chi-Quadrat-Test zur überprüfung genutzt wird, also "es besteht ein Zusammenhang zwischen der Nutzung von Ähms und dem Geschlecht?"

Liebe Grüße
Robin
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Re: Fragen zum Chi²-Test

Beitragvon bele » So 5. Jul 2020, 23:04

Es ist sicher auch eine Geschmacksfrage, wie kleinlich man bei der Formulierung sein muss. Persönlich würde ich alle diese Formulierungen durchgehen lassen. Du willst oder musst es aber offensichtlich sehr genau machen. "Es lassen sich Unterschiede finden" ist recht weit gefasst. Wenn Männer das Ähm immer am Satzanfang und Frauen es immer in der Satzmitte verwenden, dann ist das ein Unterschied, aber natürlich keiner, der mit Deiner Methodik erfasst wird. Deshalb würde ich bei der Formulierung der Hypothesen sehr genau an dem bleiben, was der Test macht ("Die Verteilung von ähm-sagenden und nicht ähm-sagenden unterscheidet sich zwischen den beiden beobachteten Geschlechtern" "Die Odds ratio für das Vorkommen von Ähm bei den beiden beobachteten Geschlechtern ist nicht Null") und nachher in der Diskussion dann Formulieren, dass sich Unterschiede zwischen den Geschlechtern gezeigt haben.

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Re: Fragen zum Chi²-Test

Beitragvon Aradhir » So 5. Jul 2020, 23:33

Okay, verstanden, dann bin ich jetzt auch fertig mit meinen Fragen :D
Nochmal vielen, vielen Dank, dass hat mir wirklich sehr geholfen :)
Einen schönen Abend noch :)
Aradhir
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