ANCOVA mit Faktorwerten?

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ANCOVA mit Faktorwerten?

Beitragvon overcorner » Di 15. Sep 2020, 12:10

Hallo zusammen,

ich sitze aktuell an der Auswertung meiner Abschlussarbeit in BWL und bin in einer statistischen Sackgasse gelandet. Ich hoffe, dass das Thema hier richtig platziert ist, die Frage bezieht sich sowohl auf Faktorenanalysen als auch auf ANCOVAs.
Aber erstmal zum Hintergrund. Konkret dreht sich meine Arbeit um die Wahrnehmung einer Technologie auf Basis des wahrgenommenen Nutzens, des Finanz- und Datenschutz-Risikos und des gewährten Vertrauens in die Technologie. Somit habe ich es also mit einer Menge latenter Variablen zu tun.

Kern der Untersuchung ist dabei eine Manipulation der Technologie in drei verschiedene Ausprägungen, deren Einfluss auf die genannten latenten Variablen untersucht werden soll. Weiterhin wird auf persönliche Charakteristika kontrolliert.

Kurz um: ich nutze ANCOVAs zur Beantwortung meiner Forschungsfragen.
Die abhängigen Variablen sind dabei jeweils gegeben durch Vertrauen, Risiken und Nutzen, die persönlichen Charakteristika bilden die Kovariate und die Manipulation bildet den fixen Faktor für die Analyse.

Zur Analyse habe ich zunächst eine konfirmatorische Faktorenanalyse (KFA) in AMOS gemacht. Damit wollte ich die Validität der latenten Konstrukte für meine Daten prüfen, insbesondere da ich zwei Second Order Konstrukte (persönliche Charakteristika & Vertrauen) im Design habe. Das passt soweit auch alles und die Gütekriterien sind erfüllt.

Nun aber zum eigentlichen Problem:
AMOS bietet per workaround die Möglichkeit (s. FAQ von IBM), die Faktorwerte ausgeben zu lassen (soweit ich verstanden habe nach Weighted Average-Methodik). Ich habe meine ANVOCAs damit mal durchgerechnet und kam zu zufriedenstellenden Ergebnissen.

Allerdings wurde ich während der Diskussion meiner Ergebnisse zunehmend unsicherer über das Vorgehen, da ich kaum etwas zu Faktorwerten, die sich aus einer KFA ergeben, gefunden habe. In erster Instanz habe ich mich intuitiv auf die verlinkten FAQ von IBM verlassen.
Zur Prüfung habe ich die gleichen Analysen nochmals mit Faktoren gerechnet, die ich per Durchschnitt aus den einzelnen Variablen bzw. Items berechnet habe.

Im Vergleich fällt auf, dass die meisten Effekte gleich bleiben. Lediglich für Vertrauen wird der Effekt der Manipulationen nicht-signifikant, das wäre aber verkraft- bzw. erklärbar. Was mir aber seltsam vorkommt, ist, dass sich die Mittelwerte der Konstrukte im Verhältnis zueinander teilweise stark unterscheiden. Das hat mich dann etwas stutzig gemacht.

Als Beispiel:
Berechnung mit Faktorwerten aus AMOS:
Finanz-Risiko: Mean=3,100
Datenschutz-Risiko: Mean= 2,759

Berechnung mit Durchschnittswerten der Items:
Finanz-Risiko: Mean=3,440
Datenschutz-Risiko: Mean= 4,527

Zusammenfassend lautet meine Frage also:
Welche der beiden Varianten sollte ich für meine Analyse nutzen?
Ist es üblich, die Faktorwerte aus einer KFA für eine ANCOVA (oder weitere Analysen) zu extrahieren oder sollte ich besser beim Mittelwert bleiben?

Eine ähnliche Frage gab es hier schonmal, allerdings konnte dort letztlich keine Antwort gegeben werden. Weitere Beiträge zu dem Thema konnte ich bisher nicht finden, zumindest nicht mit klaren Implikationen für meinen Fall.

Vielen Dank für Eure Unterstützung!
overcorner
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Re: ANCOVA mit Faktorwerten?

Beitragvon PonderStibbons » Di 15. Sep 2020, 13:34

Deine Faktorwerte sind doch stichprobenabhängig. Das schränkt Generalisierbarkeit und Replizierbarkeit ein.

Sind die Messverfahren für wahrgenommenen Nutzen, Finanz- und Datenschutz-Risiko und des Vertrauen
nicht bereits eingeführt und validiert, oder warum machst Du eine konfirmatorische Analyse?

Unter einer latenten Dimension für Charakteristika kann ich mir auf Anhieb nichts vorstellen, welche Charakteristika
sind das?

Mit freundlichen Grüßen

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Re: ANCOVA mit Faktorwerten?

Beitragvon overcorner » Di 15. Sep 2020, 14:11

Hallo PonderStibbons,

vielen Dank für deine schnelle Antwort.
Ich entnehme aus deiner Aussage, dass ich mit den Mittelwerten besser beraten bin.
Mir war der Unterschied in Bezug auf Generalisier- und Replizierbarkeit ehrlich gesagt nicht bewusst. Da möchte ich mich nicht einschränken.
Gibt es da etwaige Standardliteratur? Ich würde mich mit dem Thema gerne aus eigenem Interesse noch etwas vertrauter machen.

Die Messverfahren sind allesamt bereits eingeführt und validiert, galten vereinzelt aber schon in vorherigen Studien als etwas schwierig. Zusätzlich musste ich die Instrumente übersetzen und streckenweise verhältnismäßig stark an meinen Kontext anpassen. Die KFA habe ich demzufolge ursprünglich nur gemacht, um die Validität zu kontrollieren und zu bestätigen. Tatsächlich ergaben sich bei mir Probleme mit der Diskriminanzvalidität, die ich allerdings beheben konnte.

Persönliche Charakteristika war etwas unsauber formuliert. Es geht hier nicht um demographische Variablen, sondern eher um die allgemeine persönliche Einstellung. Beispielsweise gibt es einen Index, der die generelle Bereitschaft zur Nutzung neuer Technologien misst. Dieser Index besteht aus vier Dimensionen (Innovativeness, Optimism, Discomfort, Insecurity), die jeweils über vier Items erfragt werden.
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Re: ANCOVA mit Faktorwerten?

Beitragvon PonderStibbons » Di 15. Sep 2020, 14:45

Mir war der Unterschied in Bezug auf Generalisier- und Replizierbarkeit ehrlich gesagt nicht bewusst. Da möchte ich mich nicht einschränken.
Gibt es da etwaige Standardliteratur? Ich würde mich mit dem Thema gerne aus eigenem Interesse noch etwas vertrauter machen.

Die Koeffizienten unterliegen Stichprobenzufällen. Damit hat man von Stichprobe zu
Stichprobe unterschiedliche Messinstrumente, was die Gesamtscores angeht.

Zu dem Thema fällt mir jetzt keine bestimmte Stelle ein, außer vielleicht Jacob Cohens "Things
I learned (so far)", wo er im Abschnitt "simple is better" gegen gewichtete Summen bei der Bildung
von Gesamtscores von Messinstrumenten argumentiert.

Generell gilt es ohnehin als problematisch, an ein und derselben Stichprobe ein Messinstrument
sowohlzu entwickeln (im vorliegenden Fall, die Gewichtungen zu ermitteln), als es dann auch für
die Beantwortung der Forschungsfrage zu verwenden.

Mit freundlichen Grüßen

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