Ist die Anwendung einer MANCOVA korrekt?

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Ist die Anwendung einer MANCOVA korrekt?

Beitragvon MisterWiesel » Mi 12. Mai 2021, 04:56

Liebe Statistik-Freunde,

ich schreibe aktuell meine Masterarbeit. Diese stützt sich auf eine Studie, welche sich mit Risikowahrnehmung beschäftigt. Genauer gesagt, untersucht sie den Einfluss von Geschlecht und den negativen Emotionen Wut und Angst auf die Risikowahrnehmung. Um eine der elementaren Hypothesen der Studie zu belegen, verwenden die Autoren eine MANCOVA. Ich bin jedoch der Ansicht, dass der Einsatz dieses Verfahrens methodisch nicht korrekt ist und grüble darüber schon eine längere Zeit, da die Auswahl der richtigen Methode natürlich relevant für meine Masterarbeit ist.

Zum Ablauf der Original-Studie:
Die Probanden werden zunächst randomisiert einer der beiden Emotionsbedingungen (Angst vs. Wut) zugeteilt. Daraufhin lesen sie entweder einen angst-erzeugenden Bericht und schreiben selbst eine Text, der sich mit ihren Ängsten beschäftigt oder sie sehen einen wut-erzeugenden Bericht und schreiben einen Text, der sich mit ihrer Wut befasst. Anschließend werden 3 Skalen zur Risikowahrnehmung abgefragt, wobei jede Skala aus 8 Items besteht. Skala 1 hat erfragt die Risikowahrnehmung mit einem verbalen Antwortmodus und reicht von 0 (stimme überhaupt nicht zu) bis 7 (stimme voll und ganz zu), die anderen beiden Skalen erfassen die Wahrscheinlichkeit bestimmte riskante Ereignisse zu erleben mithilfe eines eher analytischen Antwortmodus von 0% (das Ereignis ist unmöglich) bis 100% (das E. wird auf alle Fälle auftreten).
Nach Beantwortung der 3 Skalen sollen die Probanden beurteilen, wie sie sich gefühlt haben, als sie über die betreffende Emotion gelesen bzw. geschrieben haben. Dazu bewerten sie verschiedene Adjektive von 0 (trifft überhaupt nicht zu) bis 5 (trifft voll und ganz zu). Die Bewertungen von jeweils 5 Adjektiven, welche für Wut bzw. Angst stehen werden gemittelt, sodass ein Mittelwert für „selbstberichtete Emotion Wut“ und „selbstberichtete Emotion Angst“ entsteht.

Zu den Berechnungen:
Zunächst wird mit Hilfe einer two-way ANOVA überprüft, ob Emotionsbedingung und Geschlecht einen Einfluss auf die Risikowahrnehmung haben. Da die Autoren zeigen wollen, dass dies unabhängig von verwendeten Antwortmodus geschieht, werden 3 ANOVAs berechnet, eine für jede AV-Skala. Ja: Wut führt zu geringeren Risikoeinschätzungen als Angst; Männer zeigen geringere Risikoeinschätzungen als Frauen.
Nun wollen die Autoren die Frage beantworten, warum Wut- und Angst-Priming unterschiedliche Effekte auf die Risikowahrnehmung haben. Sie schreiben: „Die Bedingungsunterschiede könnten auch andere Aspekte der Manipulationen als die von ihnen hervorgerufenen Emotionen widerspiegeln“. Dazu verwenden sie eine MANCOVA, welche die drei Risikoskalen als abhängige Maße, die Selbstberichtsskalen für Angst bzw. Wut als Kovariaten und die Emotionsbedingung (Wut, Angst) als unabhängige Variable beinhaltet. Es zeigen sich sig. Verbindungen zwischen Wut-Kovariate und niedrigen Risikoeinschätzungen, sowie zwischen Angst-Kovariate und höheren Risikoeinschätzungen. Wenn die Kovariate berücksichtigt werden, sagt der einst signifikante Effekt der Emotions-Bedingung nicht mehr die Risikowahrnehmung vorher. Soweit wie ich es verstehe, soll dadurch gezeigt werden, dass es tatsächlich die „aktuell empfundene Emotion“ ist, welche für Unterschiede in der Risikowahrnehmung verantwortlich ist.

Zu meinen Fragen:
Laut Grundannahmen der MANCOVA darf die Kovariate nicht vom Faktor abhängen. Ist das hier nicht der Fall mit Emotion-Prime als Faktor und selbstberichteter Emotion als Kovariate? Probanden der Angst-Bedingung sollten höher Werte bei der selbstberichteten Emotion Angst haben, als Personen der Wut-Bedingung und umgekehrt: Somit hängt die selbstberichte Emotion (Kovariate) von der Emotionsbedingung (Wut-Priming vs. Angst-Priming ab) und eine MANCOVA wäre sinnlos. Stehe ich hier auf dem Schlauch und übersehe irgendetwas oder habe ich Recht in meiner Annahme, dass eine MANCOVA in diesem Fall methodisch nicht korrekt ist?

Ich habe überlegt eine MANOVA zu berechnen und anschließend eine Mediationsanalyse durchzuführen. Wäre das statistisch okay/schlau?

Eine weitere Überlegung war es, eine multiple Regression zu berechnen, da ich so relativ unproblematisch Prädiktoren (Bedingung, Geschlecht, Selbstberichtete Emotion,…) in ein Modell einfließen lassen kann. Jedoch berechne ich dann ja immer nur die Vorhersage einer AV aus den Prädiktoren – ich müsste als drei multiple Regressionsanalysen durchführen. Dies sollte ja eigentlich aufgrund von Alpha-Fehler-Kummulierung unterlassen werden. Gibt es hier Ideen/Vorschläge, wie ich vorgehen kann?

Ich entschuldige mich für die Masse an Text und das weite Ausholen, habe jedoch das Gefühl, dass dies wichtig ist, um den Sachverhalt zu verstehen. Wenn dennoch irgendetwas unklar ist, dann fragt bitte nach! Ich stehe hier auf den Schlauch und komme nicht weiter (auch wenn die Lösung des Problems vllt. Super einfach ist). Vielen Dank bereits vorab!
MisterWiesel
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Re: Ist die Anwendung einer MANCOVA korrekt?

Beitragvon strukturmarionette » Mi 12. Mai 2021, 08:07

Hi,

- du vergisst, das darzulegen, um was es geht: Deine Masterarbeit
- Design, Stichproben, Messprocederes, Variablen

Gruß
S.
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Re: Ist die Anwendung einer MANCOVA korrekt?

Beitragvon MisterWiesel » Mi 12. Mai 2021, 09:48

Es handelt sich um ein 2x2 between subjects Design mit Faktor A Emotions-Bedingung (Wut-Priming vs. Angst-Priming) und Faktor B Geschlecht (männl. vs. weiblich)
- Probanden werden randomisiert auf Emotionsbedingung aufgeteilt
- Priming erfolgt ähnlich wie unten beschrieben (Video sehen + Text schreiben)

Abhängige Variablen:
AV1: Risikobewertung Covid-19 allgemein: Bewertung von 9 Items von 0 (stimme gar nicht zu) bis 7 (stimme voll und ganz zu); niedrige Werte stehen für geringe Risikobewertungen
AV2: Risikobewertung zukünftiger Ereignisse Selbst: Probanden sollen Wahrscheinlichkeit einschätzen, mit der sie selbst die 9 Ereignisse erleben werden; Schieberegler 0% (Ereignis wird auf keinen Fall eintreten) bis 100% (Ereignis wird mit Sicherheit eintreten)
AV3: Risikobewertung zukünftiger Ereignisse Fremd: Operationalisierung wie bei AV2, Probanden sollen jedoch Wahrscheinlichkeit schätzen, mit der eine durchschnittl. deutsche Person betreffende Ereignisse erlebt

Desweiteren erhoben wird:
- Emotion-Baseline bevor auf Emotions-Bedingungen randomisiert wird
- Manipulation-Check/Self-reported Emotions: Wie unten beschrieben, Probanden beurteilen wie sie sich während Sehen des Videos und Schreiben des Textes gefühlt haben, Adjektiv-Liste mit Erhebung der Zustimmung von 0 - 5; interessierende Variablen sind jeweils drei Adjektive zu Wut bzw. Angst -> Aus den einzelnen Werten (pro Adjektiv) wird ein Mittelwert für die selbst berichtete Emotion Wut bzw. Angst gebildet

Hypothesen:
H1: Angst und Wut haben unterschiedliche Effekte auf die Risikowahrnehmung, wobei Angst zu pessimistischeren Risikobewertungen und Wut zu optimistischeren Risikobewertungen führt.
H2: Männer haben optimistischere Risikowahrnehmung als Frauen, wobei geschlechtsspezifische Unterschiede in der emotionalen Erfahrung für Unterschiede in der Risikoeinschätzung verantwortlich sind

- Ich würde bei meinen Hypothesen zunächst eine zweifaktorielle MANOVA berechnen, um zu sehen: Gibt es einen Haupteffekt Bedingung, einen Haupteffekt Geschlecht und/oder einen Interaktionseffekt? Damit könnte ich H1 (denke ich) belegen/widerlegen.

- H2 würde ich auch mit einer MANCOVA prüfen (UV: Geschlecht Kovariate: selbstberichtete Wut bzw. Angst) - hier sehe ich die Annahmen nicht verletzt. Durch Hinzunahme der Kovariaten sollte der Geschlechts-Effekt auf die Risikowahrnehmung abgeschwächt, aber immer noch signifikant sein -> Das deutet auf Mediation hin (Weitere Berechnungen sollen dann zeigen, wie viel % Varianz selbst berichtete Emotionen am Geschlechtsunterschied aufklären, aber das ist hier zunächst irrelevant)

Es geht mir hier vor allem darum, zu verstehen, weswegen die Autoren der Original-Studie die MANCOVA mit den Kovariaten selbstb. Wut bzw. selbstb. Angst, als Begründung dafür heranziehen, das Wut-Prime und Angst-Prime unterschiedliche Effekte auf die Risikowahrnehmung haben. Bzw. verstehe ich die "Denklogik" dahinter, sehe jedoch die Annahmen der MANCOVA verletzt und eine Interpretation erscheint mir sinnlos (siehe unten). Da es aber doch recht renommierte Autoren sind, kann ich mir eine so simple Annahmen-Verletzung schlichtweg nicht vorstellen.

Ich stehe kurz vor der Prä-Registrierung meiner Studie. Sprich: Noch kann ich ändern und mir überlegen, welches statistische Verfahren, welche Methodik am besten passt und ob ich mich nicht doch für ein anderes Verfahren (Welches?) entscheide. Davon hängt auch meine Stichprobengrößen-Berechnung ab, welche mit prä-registriert werden muss.
Ich hoffe mein Anliegen ist klar geworden, mir fällt das Kurz-Fassen etwas schwer :D

Liebe Grüße!
MisterWiesel
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Re: Ist die Anwendung einer MANCOVA korrekt?

Beitragvon PonderStibbons » Mi 12. Mai 2021, 14:14

Laut Grundannahmen der MANCOVA darf die Kovariate nicht vom Faktor abhängen.

Nein, der Effekt der Kovariate soll nicht vom Faktor abhängen.

Aber warum das alles als Kovarianzanalyse dargestellt wird, verstehe
ich nicht, es ist weder Sinn noch Zweck einer solchen erkennbar, die
Idee hier ist eine Mediationsanalyse.

Eine weitere Überlegung war es, eine multiple Regression zu berechnen, da ich so relativ unproblematisch Prädiktoren (Bedingung, Geschlecht, Selbstberichtete Emotion,…) in ein Modell einfließen lassen kann. Jedoch berechne ich dann ja immer nur die Vorhersage einer AV aus den Prädiktoren – ich müsste als drei multiple Regressionsanalysen durchführen. Dies sollte ja eigentlich aufgrund von Alpha-Fehler-Kummulierung unterlassen werden. Gibt es hier Ideen/Vorschläge, wie ich vorgehen kann?

Du kannst eine multivariate Varianzanalyse mit intervallskalierten
Prädiktoren samt interessenden Wechselwirkungen rechnen.
Allerdings ist eine multivariate Varianzanalyse nicht dadurch begründet,
Alpha-Fehle-Kummulierung" zu verhindern, sondern konzeptuell, wenn
die abhängigen Variablen gemeinsam ein Konstrukt operationalsieren.
Wenn hernach sowieso wieder drei Analysen gerechnet werden sollen,
dann mach es doch von vornherein.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Ist die Anwendung einer MANCOVA korrekt?

Beitragvon MisterWiesel » Mi 12. Mai 2021, 16:44

PonderStibbons hat geschrieben:Nein, der Effekt der Kovariate soll nicht vom Faktor abhängen.


Ah, das meinte ich mit: Ich steh auf dem Schlauch :) Danke!

PonderStibbons hat geschrieben:Aber warum das alles als Kovarianzanalyse dargestellt wird, verstehe
ich nicht, es ist weder Sinn noch Zweck einer solchen erkennbar, die
Idee hier ist eine Mediationsanalyse.


Genau so sehe ich das nämlich auch. Deswegen habe ich mich auch so daran aufgehangen.

Ich würde nun wie folgt vorgehen:

- Berechnung einer zweifaktoriellen MANOVA um Kenntnis über Haupt- und Interaktionseffekte zu erhalten
- Manova sollte sinnvoll sein, da das Konstrukt der Risikowahrnehmung über 3 verschiedene Risikoskalen erfasst wird
- Ich erwarte 2 Haupteffekte und keinen Interaktionseffekt
-> Geschlechtsunterschiede wirken sich auf das Konstrukt der Risikowahrnehmung aus
-> Unterschiede in Emotions-Bedingung wirken sich auf Konstrukt der Risikowahrnehmung aus
- da meine Faktoren jeweils nur 2 Ausprägungen haben kann ich anhand der Mittelwerte sehen, a) dass Wut mit optimistischen Risikobewertungen einhergeht und Angst mit pessimistischen Risikobewertungen und b) Das Männer eine optimistischere Risikobewertungen abgeben als Frauen
- anschließend würde ich für jeden Faktor mittels multipler Regression eine Mediationsanalyse durchführen, um zu zeigen, dass:
a) es tatsächlich die aktuell empfundene Emotion ist, welche zu Unterschieden in der Risikowahrnehmung führt
b) die Geschlechtsunterschiede durch die erfahrene Angst bzw. die erfahrene Wut mediiert werden.

Ist dies so sinnvoll und "methodisch okay" oder sollte ich lieber anstatt der separaten Mediationsanalyse die selbstberichtete Emotion als Kovariate in die Manova mit einbinden und daraus auf die Mediationseffekte schließen?

Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr verwirrt es mich auch.
MisterWiesel
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