Anzahl erforderlicher Versuche

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Anzahl erforderlicher Versuche

Beitragvon janeeissklaa » Do 15. Jul 2021, 11:59

Mir liegen die Ergebnisse von Fahrversuchen mit Pkw vor, im Rahmen derer unzulässige Messwertabweichungen festgestellt worden sind. Insgesamt wurden 106 Versuche durchgeführt, Messwertabweichungen waren trotz gleicher Bedingungen aber nur bei 29 Versuchen aufgetreten. Es kann von einer zufälligen Verteilung ausgegangen werden

Mir stellt sich jetzt die Frage, wie viele Versuche ich mit einem bestimmten Fahrzeug durchführen müsste, um mit einer 95%/99%igen Wahrscheinlichkeit sicherstellen zu können, dass es mit diesem Fahrzeug nicht zu solchen Messwertabweichungen kommt. Kann man das irgendwie berechnen?

Im Voraus vielen Dank

Carsten
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Re: Anzahl erforderlicher Versuche

Beitragvon bele » Do 15. Jul 2021, 12:52

Ist das eine Hausaufgabe oder Prüfungsfrage oder steckt dahinter ein "echtes" Industrieproblem? Genau das beschriebene oder ein "Analogproblem" um das echte Problem nicht zu veröffentlichen?

LG,
Bernhard
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Re: Anzahl erforderlicher Versuche

Beitragvon janeeissklaa » Do 15. Jul 2021, 15:11

Es handelt sich um ein echtes Problem, und zwar genau um das beschriebene.

Ich muss im Auftrag eines Gerichtes eine Geschwindigkeitsmessung prüfen. Eine aussagekräftige Direktprüfung ist nicht möglich, da Ich nicht an die Rohdaten der Messung herankomme. Diese sind nämlich nicht im Datensatz gespeichert.

Seitens der PTB (Physikalisch Technische Bundesanstalt) und in Anlehnung daran auch der Oberlandesgerichte wird argumentiert, man würde die Rohdaten nicht benötigen, weil man eine Befundprüfung durchführen könnte. Eine solche Befundprüfung möchte ich nun ausführen lassen.

Von einem anderen Messgerät kenne ich die in der Eingangsnachricht beschriebenen Versuchsergebnisse. Es handelte sich dabei wie auch bei dem hier in Rede stehenden Messgerät um ein Handlasermessgerät. Übertrage ich daher die Ergebnisse der Versuche mit dem andere Messgerät auf die von mir zu beurteilende Situation, so stellt sich mir die Frage, wie viele Versuche ich denn durchführen muss, um mit einer Zuverlässigkeit von 95 % bzw. 99 % sagen zu können, dass das Messgerät ordnungsgemäß funktioniert hat

Da wir das jetzt geklärt haben: kennst du die Lösung?
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Re: Anzahl erforderlicher Versuche

Beitragvon bele » Do 15. Jul 2021, 17:59

Hallo,

janeeissklaa hat geschrieben:Da wir das jetzt geklärt haben: kennst du die Lösung?


eigentlich versuche ich noch, die Aufgabenstellung zu verstehen und wollte wissen, ob man bei der Auswahl der Worte in der Fragestellung Lehrersprech unterstellen und unterichtstypisch unrealistische Annahmen machen kann. Aber gut. Mal sehen, wieviel ich richtig verstehe.

Eine Messung ist entweder eien Fehlmessung oder keine Fehlmessung, richtig? Es gibt nicht leicht daneben, mittel-daneben und arg-daneben, sondern nur genau Urteile.

Du scheinst davon auszugehen, dass Messfehler bei dieser Laserpistole abhängig vom verewndeten Fahrzeugtyp sind, dann aber streng zufällig auftreten. Also bei einem VW Golf mit der Wahrscheinlichkeit p1 und bei einem VW Bully mit der Wahrscheinlichkeit p2 und bei einem Ford S-max fast nie. Und Du willst jetzt beweisen, dass es bei einem Ford S-max fast nie zu einer Fehlmessung kommt. Soweit richtig?

Als nächstes gehen wir davon aus, dass bei jeder Messung mit der gleichen Laserpistole und einem bestimmten Autotyp jedes Mal mit einer konstanten Wahrscheinlichkeit neu gewürfelt wird, unabhängig von dem Ausgang des Messversuchs davor?

Wenn das alles so ist, dann folgt die Zahl der Fehlmessungen k in einer Serie von Messungen n einer Binomialverteilung und gesucht ist die Wahrscheinlichkeitskomponente dieser Binomialverteilung.

So, jetzt werde ich gerade unterbrochen und muss vom Rechner weg. Ich lasse Binomialverteilung mal als Stichwort stehen und melde mich später nochmal. Sorry,
Bernhard
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Re: Anzahl erforderlicher Versuche

Beitragvon bele » Do 15. Jul 2021, 18:45

Code: Alles auswählen
So, weiter geht es. Es gibt verschiedene Berechnungsvorschläge für 95%-Konfidenzintervalle bzw 99%-Konfidenzintervalle des Wahrscheinlichkeitsparameters einer Binomailverteilung. Ich habe mich damit nie sonderlich befasst sondern vertraue meinem Statistikprogramm. Es heißt R, ist hier als freeware herunterladbar und hat für das Forum den Vorteil, dass es textbasiert ist: http://www.r-project.org

Nehmen wir an, Du hast 20 Messungen durchgeführt und dabei 0 Messfehler beobachtet, dann ist ein einseitiges 95%-Konfidenzintervall für die Messfehlerwahrscheinlichkeit pro Messung so zu berechnen:
Code: Alles auswählen
> binom.test(0, 20, alternative="less")$conf.int
[1] 0.0000000 0.1391083
attr(,"conf.level")
[1] 0.95


Dieses 95%-Konfidenzintervall reicht also von 0% bis 13,9% Messfehlerwahrscheinlichkeit, was Dir zu ungenau sein wird. Was würde bei 50 Messungen passieren:

Code: Alles auswählen
> binom.test(0, 50, alternative="less")$conf.int
[1] 0.00000000 0.05815508
attr(,"conf.level")
[1] 0.95


Das 95%-KI für die Messfehlerwahrscheinlichkeit reicht also von 0% bis 5,8%. Erst bei 300 Messungen ohne Messfehler kannst Du sagen, dass eine Messfehlerwahrscheinlichkeit von 1% nicht mehr im einseitigen 95%-Konfidenzintervall liegt:

Code: Alles auswählen
> binom.test(0, 300, alternative="less")$conf.int
[1] 0.000000000 0.009936082
attr(,"conf.level")
[1] 0.95


Ein einseitiges 99%-Konfidenzintervall kannst Du so bestimmen lassen:

Code: Alles auswählen
> binom.test(0, 300, alternative="less", conf.level = .99)$conf.int
[1] 0.00000000 0.01523335
attr(,"conf.level")
[1] 0.99


Ich weiß natürlich nicht, welche Messaufbauten und welche Sicherheiten so ein Oberlandesgericht fordern würden, aber vielleicht sind diese Hinweise auf die Binomialverteilung und deren Konfidenzintervalle ja für Dich hilfreich.

LG,
Bernhard
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Re: Anzahl erforderlicher Versuche

Beitragvon janeeissklaa » Mo 19. Jul 2021, 10:16

Erst einmal vielen Dank für die Antworten!

Zu den Annahmen bei der Aufgabenstellung:

Eine Messung ist entweder eine Fehlmessung oder keine Fehlmessung, richtig? Es gibt nicht leicht daneben, mittel-daneben und arg-daneben, sondern nur genau Urteile.


Ja!

Als nächstes gehen wir davon aus, dass bei jeder Messung mit der gleichen Laserpistole und einem bestimmten Autotyp jedes Mal mit einer konstanten Wahrscheinlichkeit neu gewürfelt wird, unabhängig von dem Ausgang des Messversuchs davor?


Ja!

Du scheinst davon auszugehen, dass Messfehler bei dieser Laserpistole abhängig vom verewndeten Fahrzeugtyp sind, dann aber streng zufällig auftreten. Also bei einem VW Golf mit der Wahrscheinlichkeit p1 und bei einem VW Bully mit der Wahrscheinlichkeit p2 und bei einem Ford S-max fast nie. Und Du willst jetzt beweisen, dass es bei einem Ford S-max fast nie zu einer Fehlmessung kommt. Soweit richtig?


Nein!

Ich gehe (vereinfachend) davon aus, dass keine Fahrzeugabhängigkeit besteht. Es geht vielmehr um Fehler des Messgeräts, deren Ursache unbekannt sind. Ich weiß, dass bei dem anderen Gerät bei 106 Messungen 29 Fehler aufgetreten sind. Das Messgerät hat also in 27,36% der Fälle fehlerhaft gemessen.

Ich nehme weiterhin ans, dass sich das von mir zu betrachtende Messgerät gleich verhalten würde, wenn es Fehler gäbe. Und in dem Zusammenhang möchte ich nun wissen, wie viele Versuche ich fahren müsste, um mit 95/99%iger Wahrscheinlichkeit sagen zu können, dass es nicht die gleichen systematischen Fehler ausfweist wie das Vergleichsgerät.

Ich hoffe, nun ist die Fragestellung klar.
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Re: Anzahl erforderlicher Versuche

Beitragvon bele » Mo 19. Jul 2021, 14:17

Demnach wäre es ausreichend zu zeigen, dass die Anzahl der Fehlmessungen mit Deinem Gerät kleiner als 29 aus 106 ist? Wenn Du jetzt mit Deinem Gerät Fehler in versuchen machen würdest, dann könnte man beispielsweise ein Kreuztabelle aufstellen, die etwa so aussieht:

Code: Alles auswählen
              Gerät  A     |    Gerät B   |
            ---------------+--------------+
Falschmessung        k     |      29      |
            ---------------+--------------+
richtige Messung   n - k   |   106 - 29   |
            ---------------+--------------+


Die Nullhypothese dass zwischen Gerät A und Gerät B kein Unterschied in der Verteilung von Falsch- und Richtigmessungen besteht (weil beide Geräte genau den gleichen Fehler haben) kann man mit Fishers Exaktem Test untersuchen. Ein p-Wert unter 0,05 bzw unter 0,01 würde anzeigen, dass beide Geräte nicht den identischen Fehler haben.

Du scheinst die Erwartung zu haben, dass sein wird, kannst also mit einem beliebigen Computerprogramm das Fishers Exakten Test rechnen kann herumprobieren, wie groß sein muss.

HTH,
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Re: Anzahl erforderlicher Versuche

Beitragvon janeeissklaa » Di 20. Jul 2021, 11:33

Hallo Bernhard,

nochmals vielen Dank!

Ich habe als Ingenieur von Unfallrekonstruktion und Verkehrsmesstechnik kaum Ahnung von Statistik und weiß jetzt wenigstens, wonach ich schauen muss.

Hintergrund meiner Frage war der, dass seitens der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt Immer behauptet wird, es sei nicht erforderlich, die eine Einzelmessung nachvollziehbar machenden Rohmessdaten in die Messdatensätze zu integrieren, weil man eine konkrete Messung nachträglich durch eine Befundprüfung prüfen lassen könnte.

Ich möchte nun aufzeigen, dass dies theoretisch zwar zumindest in einigen Fällen möglich, praktisch aber vollkommen unsinnig ist. Und neben dem damit verbundenen Aufwand (Installation einer Referenz Messanlage, Sperrung der Straße durch die Polizei usw.) möchte ich halt auch Darstellen, dass es auf Basis der Ergebnisse von Versuchen mit anderen Messgeräten nicht ausreichend ist, lediglich eine Messung durchzuführen.

Viele Grüße

Carsten
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