Bitte um Hilfe zur statistischen Auswertung - ANOVA?

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Bitte um Hilfe zur statistischen Auswertung - ANOVA?

Beitragvon dnebel » Di 3. Aug 2021, 09:11

Hi,
ich bin neu im Umgang mit Statistik und wollte daher für eine Auswertung hier im Forum um Hilfe für die Auswertung einer kleinen Versuchsreihe bitten:

Ziel/Fragestellung:
Welchen Einfluss haben die unterschiedlichen Prothesenparameter (A, B und C) auf die gemessene Kraft (X) in verschiedenen Positionen (D)?

Fallzahl: n = 15

Skalenniveaus:
Prothesenparameter A = Ordinal
Prothesenparameter B = Ordinal
Prothesenparameter C = Ordinal
Position D = Ordinal
Kraft X = metrisch

Software:
SPSS und/oder R.

Infos:
Die Parameter A, B und C haben jeweils zwei Ausprägungen/Level-Attribute (vgl. levels in R):
A: 0 und 1
B: 2 und 3
C: 4 und 5
Der Parameter D hat vier Ausprägungen (10, 20, 30 und 40).
Die Ausprägungen sind unabhängig voneinander.
In folgenden acht Konfigurationen wurden je Position (D) die Kräfte (X) gemessen. Beispielhaft für Position D(10) ist dies dargestellt.
1. A(0) - B(2) - C(4) - D(10)
2. A(0) - B(2) - C(5) - D(10)
3. A(0) - B(3) - C(4) - D(10)
4. A(0) - B(3) - C(5) - D(10)
5. A(1) - B(2) - C(4) - D(10)
6. A(1) - B(2) - C(5) - D(10)
7. A(1) - B(3) - C(4) - D(10)
8. A(1) - B(3) - C(5) - D(10)
Analog wurden diese Kräfte dieser acht Konfigurationen in den weiteren drei Positionen D(20, 30, 40) gemessen.
Dieser Vorgang wurde n = 15 mal wiederholt.
In Summe kommen wir somit auf 8*4*15 = 480 gemessene Kräfte X.


Sonstiges:
Ich habe mir schon einmal folgende Literatur angeschaut:
Vorberg, D. & Blankenberger, S. Die Auswahl statistischer Tests und Maße. Psychol. Rundschau 50, 157–164 (1999).


Nach eigenen Überlegungen würde ich den Statistikauswahl-Baum wie folgt entlanggehen. Natürlich bin ich mir nicht ganz sicher, sonst würde ich euch nicht hier im Forum nach Hilfe fragen :)
Art der Fragestellung: Unterschiedshypothese(Unterschiede zwischen den einzelnen Parametern A, B, C und D, sowie deren Kombinationen, auf die gemessene Kraft)
abhängige Variable: quantitativ (Kraft X)
Unterschiede hinsichtlich: Mittelwert bzw. zentraler Tendenz
Anzahl der Stichproben: mehr als zwei Stichproben bzw. Bedingungen (Parameter A, B und C)
Abhängigkeit: abhängig
Verteilung: normal (Probenmenge ist unzureichend um auf Normalverteilung zu testen denke ich, oder? Ich würde daher die Annahme auf Normalverteilung treffen)
Spharizität: ja
Ich lande somit bei einer Varianzanalyse / ANOVA.

Ich habe die Daten in R sowie auch in SPSS vorliegen und kenne mich mit beiden Programmen grundlegend aus.
Um sowohl die einzelnen Einflüsse der Prothesenparameter und Positionen auf die gemessene Kraft herauszufinden, als auch die unterschiedlichen Konfigurationen, muss ich vor der ANOVA vermutlich ein "Linear gemischtes Modell" (lme) erstellen, kann das sein?
(X ~ A+B+C+D, A*B*C*D, A*B*C, A*B*D, B*C*D, A*B, A*C, A*D, B*C, B*D, C*D)

Für den Einfluss der verschiedenen Positionen D würde ich anschließend an die ANOVA ein Tukey post-hoc Test nutzen, korrekt?


Vielen Dank schonmal an alle die sich hier die Zeit nehmen :)
Gruß Dennis
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Re: Bitte um Hilfe zur statistischen Auswertung - ANOVA?

Beitragvon bele » Di 3. Aug 2021, 11:15

Hallo Dennis,

wurden diese n = 15 Wiederholungen bei 15 verschiedenen Personen durchgeführt oder wurde 15mal derselbe Proband untersucht. Ersteres würde berücksichtigen müssen, dass es starke und schwache Menschen gibt, was sich ja unmittelbar auf Kraftmessungen auswirkt, während im letzteren Fall die Mehrfachmessungen unter identischen Bedingungen vollständig durch Zufallsfehler unterscheiden und daher super dazu eignen, Zufallsfehler herauszurechnen.

Die andere Frage ist, wozu diese Regression dienen soll. Wollen wir die Bedeutung der verschiedenen Einstellungen verstehen oder geht es vorrangig um ein Vorhersagemodell? Soll Deine Angabe "X ~ A+B+C+D, A*B*C*D, A*B*C, A*B*D, B*C*D, A*B, A*C, A*D, B*C, B*D, C*D" eine R formula Angabe sein? Dann verstehe ich nicht, was die Kommas bedeuten, bzw was Komma von Plus unterscheidet und dann ist es auch kein gemischtes Modell, weil kein random term angegeben ist. Vielleicht ist es auch keine R formula, dann müsstest Du es mir nochmal erklären. Insgesamt sind das halt sehr viele Interaktionen, was der "Verständlichkeit" des Ergebnisses nicht automatisch förderlich sein wird.

LG,
Bernhard
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Re: Bitte um Hilfe zur statistischen Auswertung - ANOVA?

Beitragvon dnebel » Di 3. Aug 2021, 12:43

Hallo Berndhard,
danke erst einmal für deine zügige Rückmeldung!:)

Es wurden 15 Personen je einmal untersucht (d.h. jede Person in 8 Konfigurationen in je 4 Positionen).

Es interessieren in erster Linie erst einmal die Hauptfaktoren, allerdings auch die verschiedenen Interaktionen zwischen diesen.

Und sorry für meine Angabe! Diese sollte tatsächlich eine R Formel darstellen, ist aber falsch und unvollständig:
lme(X ~ A+B+C+D+A*B*C*D+A*B*C+A*B*D+B*C*D+A*B+A*C+A*D+B*C+B*D+C*D, data=dataset, random = ~1|Personen)


Gruß
Dennis
dnebel
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Re: Bitte um Hilfe zur statistischen Auswertung - ANOVA?

Beitragvon bele » Di 3. Aug 2021, 13:01

Hallo Dennis,

auf die Gefahr hin, kleinlich zu wirken:
A*B*C*D
ist allein schon ausreichend und umfasst die 4 Prädiktoren sowohl einzeln als auch in ihren zweier, dreier und in ihrer Viererinteraktion. Siehe:

Code: Alles auswählen
> attributes(terms(y ~ A*B*C*D))$term.labels
[1] "A"       "B"       "C"       "D"       "A:B"     "A:C"     "B:C"     "A:D"   
[9] "B:D"     "C:D"     "A:B:C"   "A:B:D"   "A:C:D"   "B:C:D"   "A:B:C:D"


Wenn man naiv hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen Kraft und Protheseneinstellungen wäre, würde mir Dein Vorgehen logisch erscheinen.

Vor meinem geistigen Auge entsteht das Bild einer mechanischen Prothese bei der sich durch Positionseinstellungen Hebelverhältnisse verstellen. Bei Hebelgesetzen wissen wir, dass sie eher multiplikativ als additiv sind. Das musst Du für Deine Prothese mal theoretisch durchdenken. Wenn es so ist, dass eine bestimmte Protheseneinstellung der Grundkraft eines Probanden einen fixen Betrag hinzufügt oder wegnimmt, dann ist das lineare Modell zu gebrauchen Wenn es eher so ist, dass durchverschiedene Hebellängen die Grundkraft eines Probanden mit fixen Beträgen multipliziert wird, dann ist das lineare Modell nicht so schlau und es würde sich eher anbieten multiplikativ zu denken (sprich; lineares Modell mit Logarithmen).

Dazu lässt sich aber nur in Kenntnis der Prothesen was sagen.

LG,
Bernhard
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Re: Bitte um Hilfe zur statistischen Auswertung - ANOVA?

Beitragvon dnebel » Di 3. Aug 2021, 13:52

Das wirkt nicht kleinlich, ich als Neuling bin über alle Rückmeldungen mehr als dankbar und kann daraus nur lernen.

Danke für die Info mit den Interaktionen, dass A*B*C*D schon ausreichend ist und alle Interaktionen liefert war mir noch nicht bekannt aber vereinfacht den Code natürlich :)

Hinsichtlich deiner Bemerkung zur etwaigen Berücksichtigung von Hebelgesetzen mache ich mir noch einmal genauer Gedanken.
Nehme ich nun aber bspw. einmal an, dass Parameter A den Hebelarm verlängert und die Parameter B und C nicht, müsste meine Modellgleichung dann wie folgt aussehen?
lme(X ~ log(A)*B*C*D, data=dataset, random = ~1|Personen)

Kurze Rückfrage zum Eingangspost von mir:
Sind meine Überlegungen hinsichtlich der Auswahl des statistischen Tests denn soweit korrekt und das ich ein lineares Modell verwenden muss?
dnebel
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Re: Bitte um Hilfe zur statistischen Auswertung - ANOVA?

Beitragvon bele » Di 3. Aug 2021, 16:52

Hallo dnebel,

dnebel hat geschrieben:Nehme ich nun aber bspw. einmal an, dass Parameter A den Hebelarm verlängert und die Parameter B und C nicht, müsste meine Modellgleichung dann wie folgt aussehen?
lme(X ~ log(A)*B*C*D, data=dataset, random = ~1|Personen)


Nein, damit die X-Werte multiplikativ abhängen muss auf der linken Seite log(x) stehen, nicht rechts der log.

Kurze Rückfrage zum Eingangspost von mir:
Sind meine Überlegungen hinsichtlich der Auswahl des statistischen Tests denn soweit korrekt und das ich ein lineares Modell verwenden muss?


Ein lineares Modell ist immer dann ein guter erster Versuch, wenn man entweder Grund hat, einen additiven Zusammenhang anzunehmen oder wenn man keinen guten Grund hat, irgendwas spezifisches anzunehmen oder als Ausgangspunkt zum Explorieren weiterer Ansätze. Es ist quasi das Joker-Modell, mit dem man erstmal nichts falsch macht. Wenn Du ein wenig Englisch Hörverstehen hast, würde ich Dich gerne auf einen Vortrag von Prof. Andrew Gelman auf Youtube aufmerksam machen: https://youtu.be/T1gYvX5c2sM?t=2838
In dem Vortrag geht es um Bayes-Statistik mit Stan, aber für dieses Beispiel ist weder Bayes noch Stan zentral. Ab etwa Minute 47 Rechnet er ein Modell zur Frage, wie oft trifft ein Golfer beim Putten das Loch. Zunächst das "Joker"-Modell für ja/nein-Fragen, eine logistische Regression. Danach bezieht er ein ganz wenig Wissen darüber, wie Golf funktioniert in sein Modell mit ein und gewinnt damit ein einfaches, plausibles Modell -- schau es Dir einfach mal an und dann frag Dich, ob Du nicht doch Wissen über Deine Prothese hast, das Du in ein Modell einfließen lassen könntest.
Das steht natürlich nicht im Verfahrens-Auswahl-Baum.

Darf ich fragen, ob das eine wissenschaftliche Arbeit zur Publikation oder eine Abschluss-/Qualifizierungsarbeit ist? Ist das ein medizinisches Thema?

LG,
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Re: Bitte um Hilfe zur statistischen Auswertung - ANOVA?

Beitragvon dnebel » Mi 4. Aug 2021, 07:32

Moin Bernhard,

danke erneut, vor allem auch für das Video, werde ich mir selbstverständlich zeitnah anschauen :)

Derzeit versuche ich eine vorhandene statistische Auswertung als eigene Übung nachzuvollziehen und gehe davon aus so etwas in die Richtung in Zukunft selber zu benötigen. Generell möchte ich mir mehr Statistik-Wissen aneignen.
Das Thema ist/wird medizinisch, ja

Gruß Dennis
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