ANOVA mit Messwiederholung, Ergebnisse gegen Hypothese

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ANOVA mit Messwiederholung, Ergebnisse gegen Hypothese

Beitragvon Limada » Di 31. Mai 2022, 22:47

Hallo in die Runde:)

ich schreibe gerade meine Abschlussarbeit und hoffe, dass mir jemand hier im Forum vielleich etwas weiterhelfen kann.
Und zwar ist die Situation folgende:
ich habe eine ANOVA mit Messwiederholung gerechnet und eine gerichtete Hypothese aufgestellt (lässt sich vorm Hintergrund der Literatur begründen und wurde von Betreuerseite so angeregt).
Jetzt zeigt sich allerdings schon in den deskriptiven Kennwerten, dass die Mittelwertsunterschiede in die "falsche", also entgegengesetzte Richtung meiner gerichteten Hypothese gehen.
Jetzt ist meine Frage, wie ich mit damit umgehe und wie ich das berichte.
Soweit ich es bis jetzt verstanden habe, darf ich an dieser Stelle im Prinzip auch gar nicht mehr weiterrechnen. Gleichzeitig kann ich ja aber weder meine H1 annehmen, noch die H0 beibehalten.
Hat jemand von euch einen Rat, wie ich mit dieser Situation in meiner Arbeit umgehen kann?
Ich wäre über jede Anregung sehr dankbar!

Liebe Grüße!
Limada
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Re: ANOVA mit Messwiederholung, Ergebnisse gegen Hypothese

Beitragvon PonderStibbons » Mi 1. Jun 2022, 07:34

Die einseitige Nullhypothese kann zweifelsohne nicht verworfen werden. Inwiefern stellt das ein Problem dar?

Zu der sehr eingeschränkten Sinnhaftigkeit einseitiger Nullhypothesen siehe
https://psychologie.uni-graz.at/de/biol ... -list/faq/ FAQ #3

Mit freundlichen Grüßen

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Re: ANOVA mit Messwiederholung, Ergebnisse gegen Hypothese

Beitragvon bele » Mi 1. Jun 2022, 14:02

Hallo Limada,

das ist der Kern einseitigen Testens: Deine einseitige Nullhypothese musst Du beibehalten. Das wirst Du aber in Wahrheit nicht tun: Du wirst wahrscheinlich jetzt doch zweiseitig testen und wenn das so ist, dann war es am Anfang ein Fehler, eine einseitige Nullhypothese aufzustellen.

Soweit ich es bis jetzt verstanden habe, darf ich an dieser Stelle im Prinzip auch gar nicht mehr weiterrechnen.

Es gibt kein Rechenverbot und Du hast nicht geschrieben, was Du überhaupt weiterrechnen wolltest. Ohne das können wir aber nicht weiterhelfen.

Hat jemand von euch einen Rat, wie ich mit dieser Situation in meiner Arbeit umgehen kann?

Ohne zu wissen, worum es in der Arbeit geht und wozu diese ANOVA gedient hätte, nein. Magst Du uns etwas mehr über Deine Arbeit erzählen?

LG,
Bernhard
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Re: ANOVA mit Messwiederholung, Ergebnisse gegen Hypothese

Beitragvon Limada » Do 2. Jun 2022, 09:45

Hallo PonderStibbons und Bernhard,

vielen Dank erst einmal für Eure Antworten!
Ich versuche noch einmal zu beschreiben worum es in der Arbeit überhaupt geht, damit meine Fragen vielleicht verständlicher und leichter zu beantworten werden.
Also: ich untersuche den Einfluss des Alters von Personen, welche ein bestimmtes Verhalten zeigen, auf die Bewertung dieses Verhaltens. Den Proband:innen werden also Personen unterschiedlichen Alters gezeigt, welche das Verhalten zeigen und sie sollen dieses Verhalten bewerten. Der Faktor Alter ist hierbei dreigestuft, ich habe also jüngere, mittelalte und ältere Personen.

Erstmal zur Hypothesenaufstellung:
Jetzt habe ich, da es sich aus der Literatur so ableiten lässt und auf Anregung meines Betreuers entschieden eine gerichtete Hypothese aufzustellen (auf Informationen dazu, dass das bei einer ANOVA eher unüblich ist, bin ich auch schon gestoßen, allerdings meinte mein Betreuer wie gesagt, dass das geht).
Die H1 lautet also "das Verhalten älterer Personen wird milder bewertet". Beim Aufstellen der H0 ergibt sich schon eine erste Frage bei mir. Ich bin unsicher, wie genau diese lauten sollte. Option 1: "es gibt keinen Unterschied in der Bewertung des Verhaltens von Personen unterschiedlichen Alters" oder Option 2:" ältere Personen werden nicht milder bewertet".
Oder würde hier theoretisch beides gehen?

Dann zur Auswertung:
Wenn ich jetzt zunächst die deskriptiven Kennwerte betrachte, sehe ich bereits hier, dass die Mittelwertsunterschiede in die entgegengesetzte Richtung gehen - im Mittel wird das Verhalten älterer Personen strenger bewertet.
Mein Betreuer meinte ein Signifikanztest im klassischen Sinne kann dadurch nicht mehr durchgeführt werden. In Bezug auf meine Hypothesen kann ich dann ja aber auch keine Aussage treffen, weil ich keinen Signifikanztest gerechnet habe. Allein von der Betrachtung der Mittelwertsunterschiede wird klar, dass die H1 auf jeden Fall nicht zutreffen kann. H0 Option 1 auch nicht, weil es gibt ja einen Unterschied in die andere Richtung. H0 Option 2 vielleicht schon, weil ältere Personen werden nicht milder bewertet. Das ist jetzt aber alles nur ausgehend von den deskriptiven Werten.
In jedem Fall bin ich unsicher, wie man in einem solchen Fall die Ergebnisse in der schriftlichen Arbeit berichtet. Ich dachte, vielleicht hat hier jemand eine Idee wie damit umzugehen ist?

Ich habe jetzt überlegt, so vorzugehen, dass ich die deskriptiven Kennwerte in meiner Arbeit berichte, sage, dass wider erwarten die Mittelwerte in die falsche Richtung gehen, weshalb ein Signifikanztest zur Testung meiner Hypothesen nicht mehr durchgeführt werden kann. Meine Hypothesen jetzt nachträglich zu ändern geht ja auf jeden Fall nicht.
Und dann sozusagen als explorative Nachanalyse ungerichtet zu testen. Da zeigt sich dann, dass ältere Personen signifikant strenger bewertet werden. Das ist dann aber halt alles nur explorativ und kaum zu interpretieren.

Fall ihr noch einmal Nachfragen habt, kann ichs gerne nochmal versuchen nochmal besser zu beschreiben.
Danke schonmal!

Liebe Grüße
Limada
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Re: ANOVA mit Messwiederholung, Ergebnisse gegen Hypothese

Beitragvon bele » Do 2. Jun 2022, 13:27

Hallo Limada,

Limada hat geschrieben:Ich versuche noch einmal zu beschreiben worum es in der Arbeit überhaupt geht, damit meine Fragen vielleicht verständlicher und leichter zu beantworten werden.

Das ist eigentlich immer eine gute Idee, nur glauben uns das die neuen ganz oft nicht.

Die H1 lautet also "das Verhalten älterer Personen wird milder bewertet".

Dann kann die H0 nur noch lauten, dass das Verhalten älterer Personen gleich oder strenger bewertet wird. Nur wenn Du "gleich oder strenger" ausschließen kannst, sind Verwerfen der Nullhypothese und Annehmen der H1 gleichwertig. Es scheint aber eher um die H1: Das Alter der Patienten ist mit der Bewertung negativ korrelliert zu gehen. Diese Formulierung bezieht alle Altersgruppen ein. Oder interessiert Dich wirklich nur die Älterengruppe?

Jetzt habe ich, da es sich aus der Literatur so ableiten lässt und auf Anregung meines Betreuers entschieden eine gerichtete Hypothese aufzustellen (auf Informationen dazu, dass das bei einer ANOVA eher unüblich ist, bin ich auch schon gestoßen, allerdings meinte mein Betreuer wie gesagt, dass das geht).

Von uns hast Du jetzt gehört, dass wir Dir nicht dazu geraten hätten, unter anderem weil man dann in das Problem rutschen kann, in dem Du jetzt steckst. Ändert nichts daran, dass der Meinung des Betreuers ein besonders großes Gewicht zukommt.

Ich habe jetzt überlegt, so vorzugehen, dass ich die deskriptiven Kennwerte in meiner Arbeit berichte, sage, dass wider erwarten die Mittelwerte in die falsche Richtung gehen, weshalb ein Signifikanztest zur Testung meiner Hypothesen nicht mehr durchgeführt werden kann.

Naja, das ist schwierig. Natürlich kann man den Test durchführen. Man weiß aber schon, dass der p-Wert > 50% liegen wird. Eigentlich wäre der Test also entbehrlich. Es handelt sich aber um eine Abschlussarbeit und vielleicht erwartet man von Dir, dass Du den Test machst. Nicht, weil er sinnvoll ist sondern um zu zeigen, dass Du es gelernt hast? Das gehört mit dem Betreuer besprochen.

Meine Hypothesen jetzt nachträglich zu ändern geht ja auf jeden Fall nicht.

Auch das wäre ggf. mit dem Betreuer zu besprechen. Siehe oben.

Das ist dann aber halt alles nur explorativ und kaum zu interpretieren.

Das klingt ja so, als sei explorative Wissenschaft schlechte Wissenschaft. Das würde ich so nicht stehen lassen. Irgendwo habe ich mal den Satz gefunden "Immer wenn ich einen Ausreißer finde weiß ich nicht, ob ich ihn verwerfen oder patentieren lassen soll." Wenn Du zu einem unerwarteten Ergebnis eine interessante Interpretation findest, kann das zur viel spannenderen Arbeit werden, als es vorher war.

Also: Zuerst Hypothese exakt formulieren: Geht es um die Gruppe der Älteren versus die anderen beiden Gruppen oder geht es eigentlich um eine Korrelation? Dann Nullhypothese so formulieren, dass jeder Fall entweder zum Erhalt oder zum Verwerfen der Nullhypothese führt. Dann unbedingt mit dem Betreuer nochmal drüber sprechen, ob man die Forschungshypothese nicht doch beidseitig hätte aufstellen sollen und sonst kreativ zeigen, dass Dir auch zu unerwarteten Ergebnisse interessante Gedanken einfallen. Also, warum sind Deine Rater so streng mit unseren Senioren? Weil sie es in ihrem Alter besser wissen sollten?

LG,
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Re: ANOVA mit Messwiederholung, Ergebnisse gegen Hypothese

Beitragvon Limada » Sa 4. Jun 2022, 10:10

Hallo Bernhard,

vielen Dank für deine Antworten, das hat mir schon sehr geholfen!!

Du hast recht, es geht eigentlich um alle Altersgruppen, die H1 "Das Alter der Personen ist mit der Bewertung negativ korrelliert" ist also sinnvoller!
Kann ich die H0 dann folgendermaßen formulieren: "Das Alter der Personen ist nicht oder positiv mit der Bewertung korrelliert"?

Nach Rücksprache mit meinem Betreuer ist klar, dass meine Hypothesen zu ändern keine Option ist.
Ich soll jetzt aber dennoch als Nach-/Zusatzanalyse zweiseitig testen und die entsprechenden Ergebnisse berichten.

Hier habe ich jetzt direkt wieder eine Frage zu: ich rechne eine einfaktorielle ANOVA mit Messwiederholung, der Faktor Alter ist dreigestuft (älter, mittelalt, jung). In den Ergebnissen zeigt sich dass Alter mit p < .05 signifikant wird. Im Grunde genommen sagt mir das ja aber nur, dass sich mindestens zwei der drei Gruppen signifikant voneinander unterschieden, jedoch noch nicht welche der drei Gruppen sich jetzt genau signifikant unterscheiden oder?
Ich sehe an den Mittelwerten, dass die jungen Personen (M= 5.77) milder bewertet werden als die mittelalten (M= 5.87) und die älteren (M= 5.87). Da mittelalt und älter den gleichen Mittelwert in der Bewertung erhalten haben, unterscheiden sich vermutlich beide Gruppen signifikant von der Gruppe der jüngeren.
Müsste ich nicht aber streng genommen eigentlich post-hoc Tests oder Kontraste rechnen, um festzustellen zwischen welchen Gruppen die Unterschiede signifikant sind? Oder ist das an dieser Stelle überflüssig,weil es sich aus den Mittelwerten bereits ableiten lässt?

Ganz liebe Grüße
Limada
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Re: ANOVA mit Messwiederholung, Ergebnisse gegen Hypothese

Beitragvon bele » Sa 4. Jun 2022, 12:14

Wenn die Fragestellung eine Korrelation ist, dann ist eine reine ANOVA nicht mehr das Verfahren der Wahl. Bist Du vertraut mit der Kovarianzanalyse oder ANCoVA?

LG, Bernhard
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Re: ANOVA mit Messwiederholung, Ergebnisse gegen Hypothese

Beitragvon Limada » Do 9. Jun 2022, 10:18

Hi Bernhard,

tut mir leid, dass ich so lange nicht geantwortet habe.
Ich habe noch einmal mit meinem Betreuer gesprochen und soll die Fragestellung doch so "Ältere werden milder bewertet als jüngere" formulieren und dann eine ANOVA rechnen.
Ich versuche es jetzt mal so.

Vielen Dank aber für deine Anwtorten, ich hab einiges gelernt, was mir davor noch nicht so klar war!
Liebe Grüße!
Limada
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