Methodenauswahl (noch nicht vollständig gelöst)

Fragen, die sich auf kein spezielles Verfahren beziehen.

Methodenauswahl (noch nicht vollständig gelöst)

Beitragvon Hodgpodg » Do 23. Mär 2023, 13:08

Hallo zusammen,

ich bin leider jemand, der sich je mehr er liest oder nachdenkt, umso mehr selbst verwirrt, deswegen hoffe ich jetzt auf eine nette Person, die mir helfen kann wieder etwas Ordnung in meinen Kopf zu bringen.

Vielleich fange ich erst einmal damit an mein Experiment zu beschreiben. Es gibt zwei Gruppen, die immer abwechselnd Teilnehmerinnen zugeteilt bekommen haben. Womit wir schon bei meiner ersten Frage wären.

1. Kann ich von Randomisierung sprechen, wenn die Teilnehmerinnen sich ja sozusagen blind selbst einer Bedingung zugeteilt haben? Für meine Arbeit mussten gewissen Ruhezeiten eingehalten werden für das "verwendete Material" und die Teilnehmerinnen konnten aus einer Auswahl an freien Slots selbst wählen, wann sie kommen, ohne zu wissen, dass dies ihre Gruppenzuteilung beeinflusst + wenn Teilnehmerinnen kurzfristig ausfielen, verschob sich ja die Zuteilung wieder. Dass bestimmte Uhrzeiten dann mit der Gruppenzuteilung korrelieren, schließe ich übrigens aus. Um zu überprüfen, ob die Randomisierung geklappt hat, würde ich einen Chi-Quadrat-Test der demografischen Variablen machen. Muss ich den Test auf alle UV und möglichen Kovariablen ausdehnen?

Erhoben wurde vorweg das Alter und der Bildungsstand (demografische Daten), ein Test zu einer bestimmten Einstellung (metrisch, für mich eine Kovariable), 5 Persönlichkeitsvariablen anhand des BFI-10 (metrisch, für mich auch eher Kovariable) und allgemeine Ängstlichkeit (metrisch, Kovariable).

Variablen, bei denen ich zu mehreren Zeitpunkten einen Wert und auf denen mein Hauptinteresse liegt, sind: aktuelle Ängstlichkeit zu T0 und zu T2, sowie Hautleitwiderstand zu T0, T1, T2 und T3 und die Herzratenkonstante zu T0, T1, T2, und T3. Hierbei war T0 immer meine Baseline-Messung und Und zwischen T1 und T2 kam es zu einer Interaktion, die sich bei den beiden Gruppen unterschied und deren Einfluss und Effektivität ich gerne untersuchen wurde. Sprich: macht es einen Unterschied welche Interaktion man bekam? Funktioniert dieser Unterschied vielleicht nur, wenn eine bestimmte Einstellung/Persönlichkeit/etc. vorhanden war?

2. Macht es bei den letztgenannten Variablen Sinn erst neue Differenzvariablen zwischen den Messzeitpunkten zu berechnen und dann erst die Verfahren zu den Mittelwertsunterschieden anzuwenden, oder bin ich da gedanklich grade voll auf dem Holzweg?

3. Sollte ich für die mich hauptsächlich interessierenden Werte für jeden einzelnen ein Anova mit Messwiederholungen rechnen, bei der ich die oben genannten Variablen als Kovariate mit reinnehme? Tatsächlich sind die oberen "Kovariablen" auch noch nicht sooo gut belegt, weshalb ich überlege, ob es da nicht Sinn ergibt etwas explorativer vorzugehen.

Als Letztes habe ich die Teilnehmerinnen noch eine andere Person anhand des BFI-10 bewerten lassen. Auch hier passen eigentlich wieder meine Fragen von oben.
4. Sollte ich den eigenen BFI-10 und den der Fremdbewertung als Messwiederholung nehmen oder eine Differenz variable erstellen, wenn meine Überlegung wäre, dass es vielleicht die Effektivität der Interaktion beeinflussen kann, wenn die eigene Persönlichkeit und die der anderen Person als ähnlich wahrgenommen werden? Rechne ich das dann auch mit jeder einzelnen der Persönlichkeitsvariablen, weil es ja sein könnte, dass sich das nur zb. auf Offenheit bezieht?

5. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass mein N=45 nicht gerade groß ist und wie man sieht, unterscheidet sich die Gruppengröße auch etwas. Je nach Variable mal mehr, mal weniger, weil ich teilweise ein paar fehlende Werte habe. Und super normalverteilt sind die meisten Variablen leider auch nicht, was mich gefühlt zusätzlich unsicher macht, weil wir, glaube ich, nie wirklich nicht-parametrische Verfahren für eine Anova mit Messwiederholungen hatten, sondern eher nur für einfache Mittelwertsvergleiche :?

Vielleicht merkt man, dass bei mir zurzeit ziemliches Chaos herrscht und jedes Mal, wenn ich etwas lese, denke ich "DAS ist es" nur um gleich wieder verunsichert zu werden, weil ich gefühlt so viele Variablen habe und jede sozusagen etwas anderes von mir will. Ich wäre somit wirklich super dankbar für jede Idee, die ihr beisteuern könnt, um die Knoten in meinem Hirn wieder zu lösen.

eine verzweifelnde Hodgpodg
Zuletzt geändert von Hodgpodg am Di 11. Apr 2023, 15:12, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Herzratenkonstante und Methodenauswahl

Beitragvon bele » Do 23. Mär 2023, 15:11

Hi!

Ad 1) Nö, randomisiert ist das nicht mehr, aber mutmaßlich gleichwertig zu einer Randomisierung. Du musst Deine Leser davon überzeugen, dass die Dinge, die Einfluss auf die Gruppenwahl hatten keinen Einfluss auf die Studienendpunkte hatten. Der Gegentest mit demographischen Variablen kann dabei vielleicht helfen. Strenge Regeln diesbezüglich kenne ich keine.

Ad 2) Du kannst Differenzwerte bilden oder die Ausgangswerte als unabhängige mit aufnehmen. Bei nichtlinearen Verfahren ist letzteres oft besser.

Ad 3) Ich glaube, das habe ich noch nicht ganz verstanden.

So, mein Termin. Ich muss erstmal weg.
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Re: Herzratenkonstante und Methodenauswahl

Beitragvon Hodgpodg » Di 25. Apr 2023, 13:09

Hallo bele,

ersteinmal danke für deine schnelle Antwort, auch wenn du noch einen Termin hast. Ich freue mich schonmal über die ersten beantworteten Fragen.
Ad1) Das hilft mir schonmal weiter, denn inhaltlich erklären, warum ich da keinen Einfluss vermute kann ich ganz gut. Jetzt fühle ich mich da auf jeden Fall schon einmal sicherer.

Ad2) Auch da hilft mir deine Aussage und bestätigt mich in dem, was ich bisher getan habe. Wie gesagt ich lasse mich halt leicht verunsichern und hatte zwischenzeitlich dass Gefühl, dass ich mit einer Differenzvariable einen Mehrwert. Vielleicht hätte ich noch dazu sagen sollen, dass ich eigentlich zb zu T1 noch keinen Gruppenunterschied erwarte. Ich erwarte zwar, dass bei beiden Gruppen zu diesem Zeitpunkt der Puls steigt, allerdings unabhängig von der Gruppe.
Und schwubs bin ich wieder verunsichert, während ich gerade so darüber nachdenke. Wenn ich dann eine Anova mit Messwiederholungen rechne, geht sie ja davon aus, dass sie Unterschiede über alle Stufen finden müsste, oder? Dann würde es ja Sinn machen entweder T1 nicht mit rein zu nehmen oder zu sagen ich schaue in drei Untersuchungen, ob es
a) einen Unterschied zwischen T0 und T1 gibt ganz allgemein, um zu kontrollieren, ob meine Stressinduktion funktioniert hat
b) für den weiteren Verlauf aber T1 als "Baseline" heranzuziehen, mit dem ich alles vergleiche, weil das ja der Moment ist, ab dem die Teilnehmerinnen Stress hatten
c) dann noch einmal am Ende einen Gruppenvergleich zwischen den Zeitpunkten T0 und T3, weil es eine Studie gab, die meinte, sie konnten zwar keinen direkten Gruppeneffekt zeigen, aber bei einer Gruppe ging der Puls wohl sogar unter das Ausgangsniveau zurück, bei der anderen nicht


Ad3) Ich hab ja so viele Variablen, von denen ich überlege, ob sie einen Einfluss haben könnten, aber es kommt mir irgendwie falsch vor jetzt einfach ALLE als Kovariaten einfach einzugeben. Irgendwie habe ich überlegt, ob man da nicht sinnvoller mit einer Clusteranalyse oder sowas drangehen kann, weil es eben noch nicht so viel Hintergrund gibt, um zu sagen, ich stelle dazu jetzt gut fundierte Hypothesen oder ein Modell auf und teste sie. Falls das jetzt mehr Sinn macht... :oops:
Hodgpodg
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Re: Herzratenkonstante und Methodenauswahl

Beitragvon bele » Di 25. Apr 2023, 16:05

Hallo,

ich weiß gerade nicht, was noch Frage an mich/uns ist. Klingt in weiten Teilen eher so, als ob Du für Dich selbst Klarheit schaffen müsstest.

Hodgpodg hat geschrieben:Und schwubs bin ich wieder verunsichert, während ich gerade so darüber nachdenke. Wenn ich dann eine Anova mit Messwiederholungen rechne, geht sie ja davon aus, dass sie Unterschiede über alle Stufen finden müsste, oder?


Du bist frei, Dir erdachte Zahlenbeispiele zu erstellen und einfach auszuprobieren, wie sich welches ANOVA-Modell verhält bei welchen Fallzahlen und welchen Unterschieden (Effekten). Nimm Dir Zeit und Freiheit, einfach mal mit erdachten/konstruierten Werten herumzuspielen.

Dann würde es ja Sinn machen entweder T1 nicht mit rein zu nehmen oder zu sagen ich schaue in drei Untersuchungen, ob es
a) einen Unterschied zwischen T0 und T1 gibt ganz allgemein, um zu kontrollieren, ob meine Stressinduktion funktioniert hat


Erstens: Ja, es kann Sinn machen, Teilprobleme auszugliedern und mit einfachen, übersichtlichen Mitteln zu untersuchen. Gegebenenfalls auch mit einem einfachen t-Test.
Zweitens: Das Überprüfen der Intervention ist ein Randthema, über das Du Dir vielleicht zu früh Sorgen machst, wenn Du auf der anderen Seite mit der Hauptfragestelllung noch so unsicher bist, dass Du nicht mal weißt, ob Du Hypothesenprüfend oder Hypothesengenerierend unterwegs sein willst. Vielleicht solltest Du erstmal den großen Plan fertig machen und dich um solche Randprobleme später kümmern?

c) dann noch einmal am Ende einen Gruppenvergleich zwischen den Zeitpunkten T0 und T3, weil es eine Studie gab, die meinte, sie konnten zwar keinen direkten Gruppeneffekt zeigen, aber bei einer Gruppe ging der Puls wohl sogar unter das Ausgangsniveau zurück, bei der anderen nicht


Soso es gab da auch noch irgendwo eine Arbeit mit einer unerwarteten Randbeobachtung. Klingt jetzt auch eher so, als wäre das eine Überlegung, die man erstmal nach hinten schieben kann.

Ad3) Ich hab ja so viele Variablen, von denen ich überlege, ob sie einen Einfluss haben könnten, aber es kommt mir irgendwie falsch vor jetzt einfach ALLE als Kovariaten einfach einzugeben.


Bei n = 45 kann man nur begrenzt viele Einflussfaktoren berücksichtigen. Da macht man sich die Power kaputt. Es hilft nichts, Du wirst Dich auf die einflussreichsten begrenzen müssen.

Irgendwie habe ich überlegt, ob man da nicht sinnvoller mit einer Clusteranalyse oder sowas drangehen kann, weil es eben noch nicht so viel Hintergrund gibt, um zu sagen, ich stelle dazu jetzt gut fundierte Hypothesen oder ein Modell auf und teste sie.


Das läuft dann auf ganz andere Fragestellungen hinaus. Welche Fragestellungen jetzt wissenschaftlich sinnvoll und welche plausibel mit n = 45 angehbar sind, da kann Dir kein Forum helfen. Da muss man sich in Deinem Fachgebiet auskennen.

LG,
Bernhard
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