Ordinal logistische Regression interpretieren

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Ordinal logistische Regression interpretieren

Beitragvon Mäuschens55 » Sa 3. Sep 2022, 15:25

Hallo, ich habe eine Frage bezüglich der Interpretation meiner ordinal logistischen Regression. Die Bildung (niedrig, mittel, hoch) und das Einkommen (niedrig, mittel, hoch, sehr hoch) sollen in Bezug auf den Wohnort untersucht werden.
Da man die Koeffizienten ja nicht als Wahrscheinlichkeiten interpretieren kann und das mit den ordinalen Kategorien ja sowieso etwas komplizierter ist würde ich gerne wissen ob es richtig ist, es an dieser Stelle bei folgender Interpretation zu belassen:


-Zum Einkommen: Das Einkommen zeigt keinen bedeutsamen signifikanten Effekt auf den Wohnort.Deshalb würde ich dazu in meiner Analyse auch nichts weiter interpretieren.


Danke im Voraus!!
Zuletzt geändert von Mäuschens55 am Mo 5. Sep 2022, 11:34, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ordinal logistische Regression interpretieren

Beitragvon bele » Sa 3. Sep 2022, 19:25

Hallo Mäuschens,

ich finde es gut, dass Du den Hinweis mit der ordinalen Struktur von wum6 aufgegriffen hast und ordinale Regressionen rechnest.

Da man die Koeffizienten ja nicht als Wahrscheinlichkeiten interpretieren kann und das mit den ordinalen Kategorien ja sowieso etwas komplizierter ist


Man kann ja aber trotzdem ein paar Beispielsituationen rechnen und die Koeffizienten zueinander und zu den cut-Werten in Bezug setzen. Nehmen wir beispielsweise die Bildung und ich konstruiere mir jetzt mal eine Situation, die einen möglichst geringen Bildungswert vorhersagen soll: Eine 70-jährige Frau aus einem Einzelgehöft in Westdeutschland kommt im linearen Teil des Modells auf -.045*70 - 0.018 -1.08 = -4.2. Verglichen mit einem Cutoff von -4,81 also immer noch darüber. Ist das anhand der Daten plausibel, dass das niedrigste der drei Bildungsniveaus so unwahrscheinlich ist? Unterhalb von 43 Jahren wird für die gleiche Frau dann das höchste der drei Bildungsniveaus vorhergesagt. Du kannst also schon versuchen, diese Koeffizienten zu interpretieren, wenn Du sie auch nicht direkt in Wahrscheinlichkeiten umrechnen kannst. Frau-Sein senkt das vorhergesagte Bildungsniveau soviel wie 3,1 Lebensjahre.(Ob das in Deinem Kontext hilfreich oder absurd ist, musst Du selbst entscheiden.) Es ist also nicht grundsätzlich so, als ob man die Koeffizienten gar nicht anschaulich machen könnte.

Zur Bildung: Wer ländlich wohnt hat im Vergleich zu Menschen die in der Großstadt (Referenz) wohnen eine signifikant geringere Wahrscheinlichkeit eine hohe Bildung zu haben.


Ja, das stimmt so.

Der Effekt einer hohen Bildung nimmt mit zunehmender Ländlichkeit ab? Gerade hierbei bin ich mir unsicher wie der steigende Wert von -030 auf -1,08 zu interpretieren ist.


Das interpretierst Du richtig. Vorort entspricht geringerer Bildung, Klein- oder Mittelstadt nochmal geringer, auf dem Land dann der geringsten Bildung. Das gilt so ohne weiteres erstmal in der Stichprobe. Du musst für Dich entscheiden, ob Dir der Vergleich der Koeffizienten als Beschreibung reicht oder ob Du dafür noch eine Signifikanztestung brauchst. Alternativ muss der Betreuer Deiner Arbeit das entscheiden. Dann müsstest Du entweder mit Kontrasten rechnen oder die Regression nochmal mit anderen Basiswerten wiederholen. Mir persönlich würde es reichen, dass die Ergebnisse vernünftigen Vorannahmen entsprechen und eine gewisse Plausibilität haben, aber wie gesagt...

Zum Einkommen: Das Einkommen zeigt keinen bedeutsamen signifikanten Effekt auf den Wohnort. Deshalb würde ich dazu in meiner Analyse auch nichts weiter interpretieren. Einzig der Koeffizient 0.37 beim Vorort müsste hier interpretiert werden - hierbei bin ich mir nun nicht sicher, wie das zu interpretieren ist.


Zunächst wäre ich sehr vorsichtig mit der Formulierung, was hier Einfluss auf was hat. Ist der Wohnort der Grund, dass ich soviel wie ein Städter verdiene oder reicht der Verdienst im von mir erlernten Beruf, um Wohnraum in der Stadt oder der Vorstadt zu finanzieren? Insbesondere wenn Du aus dem Wohnort das Einkommen vorhersagst ist es wenig passend, in der Ergebnisbeschreibung die umgekehrte Richtung zu formulieren. Menschen im Speckgürtel großer Städte können sich Häuser in der Vorstadt und ein Auto zum Pendeln leisten, während die Städter selbst auch Leute in kleinen Wohnungen, in Studenten-WGs und in Sozialwohnungen umfassen und die in kleineren Städten und auf dem Land sind weniger sortiert und im Durchschnitt nicht signifikant anders als die Großstädter. Diesen Teil finde ich also insgesamt nicht so schwer interpretierbar. Dass die Westdeutschen und die Männer besser verdienen kann wohl niemanden überraschen.

HTH,
Bernhard
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Re: Ordinal logistische Regression interpretieren

Beitragvon Mäuschens55 » So 4. Sep 2022, 11:31

Danke dir! Habe trotzdem noch eine kleine Frage und würde die Möglichkeit nutzen hier gerade nochmal nachzufragen. Ich möchte die Hypothese nämlich aufteilen. Da ich eigentlich untersuchen möchte, warum auf dem land die afd gewählt wird. Deshalb habe ich erstmal mit der Ordinal. reg. untersucht, ob Menschen vom land wohnen geringer gebildet sind , und in der zweiten Hypothese mit einer binär-log. Regression untersuchen ob Bildung etc ein Grund für die Wahl der AFD ist. Und komme dort auch zu dem Ergebnis, dass niedrige Bildung und die Wahl der AFD einen Zusammenhang aufweisen.


Aber ist dieses Vorgehen von mir prinzipiell sinnvoll? Eine Mediatorenanalyse wär dann der nächste Schritt.

Danke vielmals!
Zuletzt geändert von Mäuschens55 am Di 20. Sep 2022, 23:08, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Ordinal logistische Regression interpretieren

Beitragvon bele » So 4. Sep 2022, 14:23

Hallo Mäusschens,

Mäuschens55 hat geschrieben:Da ich eigentlich untersuchen möchte, warum menschen auf dem land eher die afd wählen. Deshalb habe ich erstmal mit der Ordinalen Regression (Hypothese a) untersucht, ob Menschen, die auf dem Land wohnen vllt eine geringere Bildung, Einkommen, Arbeitslosigkeit haben und würde dann in der zweiten Hypothese (b) mit einer binär-logistischen Regression untersuchen, ob Einkommen, Bildung, Arbeitslosigkeit ein Grund für die Wahl der AFD sind. Und komme dort auch zu dem Ergebnis, dass niedrige Bildung und die Wahl der AFD einen signifikanten Zusammenhang aufweisen. Als Ergebnis würde ich daher sagen, dass ein Grund für die AFD-Wahl auf dem Land die niedrige Bildung der Menschen dort ist


Das ist alles nachvollziehbar, aber es ist logisch nicht wasserdicht: Menschen auf dem Land sind oft ärmer und weniger gebildet und Menschen auf dem Land wählen oft dümmlich bedeutet noch nicht, dass das auch die gleichen Leute sind. Vielleicht sind es ja gerade die vergleichsweise reichen und gebildeten die eine Partei der Steuerstreichungen wählen? Jetzt kommt es auf den Anspruch Deiner Arbeit an, ob Du diese Lücke in der Argumentationskette schließen musst oder ob das erstmal zum empirischen Stützen Deiner Theorien reicht.

Der richtige Weg könnte eine Mediatoranalyse sein.

[quote=https://en.wikipedia.org/wiki/Mediation_(statistics)]In statistics, a mediation model seeks to identify and explain the mechanism or process that underlies an observed relationship between an independent variable and a dependent variable via the inclusion of a third hypothetical variable, known as a mediator variable (also a mediating variable, intermediary variable, or intervening variable).[1] Rather than a direct causal relationship between the independent variable and the dependent variable, a mediation model proposes that the independent variable influences the mediator variable, which in turn influences the dependent variable. Thus, the mediator variable serves to clarify the nature of the relationship between the independent and dependent variables.[/quote]

Ich schlage vor, dass Du Dich zu Thema Mediator- und Moderatoranalyse beliest und prüfst, ob ich damit richtig liege. Eigene Erfahrungen kann ich da keine Aufweisen und mich auch ganz bestimmt nicht als Fachmann aufspielen.

LG,
Bernhard
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Re: Ordinal logistische Regression interpretieren

Beitragvon Mäuschens55 » So 4. Sep 2022, 21:12

Danke dir Bernhard! Die Mediatoranalyse wird bei uns nicht erwartet.

Du hast Recht, dass durch die getrennte Beobachtung
der Hypothesen eine Verzerrung vorliegen könnte.

Also dass zwar Menschen dort eine geringere Bildung haben und die AFD von geringer gebildeteren gewählt wird, aber das nicht zwangsläufig die selben Leute sein müssen.

Die Kritik wird so auch in meiner Arbeit aufgenommen
Zuletzt geändert von Mäuschens55 am Di 20. Sep 2022, 23:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Ordinal logistische Regression interpretieren

Beitragvon bele » So 4. Sep 2022, 22:23

Ich würde es vielleicht so formulieren: Du hast theoriegeleitet eine These entwickelt und Du hast da, wo Du es konntest, diese Theorie auf den empirischen Prüfstand gestellt und bist nicht auf wesentliche Widersprüche gestoßen.

Dann wiederum -- dass Du Die Mediationsanalyse so schnell verworfen hast passt irgendwie nicht zu der Hartnäckigkeit, mit der Du das bisher hier betrieben hast. Lass Dir doch ein paar Tage Zeit oder, besser noch, probier es doch wenigstens, bevor Du davor zurückschreckst. Das mit der ordinalen Regression hast Du auch im Studium nicht wirklich richtig gelernt, oder?

LG, Bernhard
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