Welches statistische Verfahren

Alles zu (M)ANOVA, ALM...

Welches statistische Verfahren

Beitragvon Leonie1992 » Di 6. Apr 2021, 12:04

Hallo,

ich bin mir bei der Auswahl des Verfahrens für meine Untersuchung nicht ganz sicher und freue mich auf eine zweite oder dritte Meinung.

Ich möchte Herzfrequenzverläufe eines Belastungsstufentests vergleichen. Zu den Daten:
Jeder Teilnehemde absolvierte auf einem Ergometer einen Belastungstest. In diesem Test wurde die Belastung über 5 Stufen gesteigert und die Herzfrequenz zu jeder dieser 5 Stufen gemessen. Dieser Test wurde vor und nach einem Trainingsprogramm durchgeführt.

Fragestellung: Unterscheiden sich die Herzfrequenzen zwischen Prä und Post signifikant.

Verfahren: Ich denke, dass es sich hierbei um eine zweifaktorielle ANOVA mit Messwiederholung handelt mit einer AV und zwei UVs:
- AV = Herzfrequenz
- UV 1 = Untersuchungszeitpunkt (Prä/ Post)
- UV 2 = Belastungstufen (Stufe 1-5).

Was denkt ihr?
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Re: Welches statistische Verfahren

Beitragvon bele » Di 6. Apr 2021, 12:54

Hallo Leonie,

ich habe dazu folgende Grafik im Netz gefunden, deren obere Kurve durchschnittliche Herzfrequenz beim Belastungs-EKG abhängig von der Leistungsstufe zeigt:


Bild
(aus: https://cdn.aerzteblatt.de/pdf/115/24/m409.pdf )

Die Linien in der oberen Abbildung sehen in der Tat so aus, als könnte man sie durch eine Gerade gut annähern. Das stimmt nicht ganz, weil die gegen Ende alle einen Knick machen, aber ich denke, dass man ein lineares Modell annehmen könnte, in dem Herzfrequenzen linear von der Leistung abhängen. Demnach könntest Du Deine 5 Leistungsstufen auch durch Leistungswerte in Watt ersetzen und die als metrische UV in Dein Modell aufnehmen.

Die verschiedenen Farben in der Abbildung oben beschreiben Leistungsgruppen und wahrscheinlich willst Du ja zeigen, dass das Trainingsprogramm mit von einer Leistungsgruppe in eine andere Leistungsgruppe hebt. Vergleicht man die Leistungsgruppen, dann verlaufen die Kurven nicht parallel zueinander, sondern mit unterschiedlichen Steigungen. In der Abbildung oben liegen die rote und die gelbe Kurve bei 40, 80 und 120 Watt nicht gleich weit auseinander sondern der Abstand wird immer größer. Es erscheint wenig sinnvoll, einen gemeinsamen Koeffizienten für Deine UV1 zu errechnen, der ja eine gemeinsame und konstante Differenz wäre, um wieviel die Herzfrequenz in allen Belastungsstufen höher (niedriger) wird, durch das Training. Du solltest eine Auswertung finden, die auf diese veränderte Steigung Rücksicht nimmt. Je nachdem, wie Du Statistik gelernt hast wären mögliche Stichworte "Interaktion", "Interaktionsterm" oder auch "Moderatoranalyse".

Wenn man noch einen Schritt weiter gehen wollte, könnte man von der Geraden weggehen und in einem generalisierten linearen Modell anstelle einer Geraden eine logistische Funktion anpasst, aber das lineare Modell der ANOVA erscheint erstmal passend.

LG,
Bernhard
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Re: Welches statistische Verfahren

Beitragvon Leonie1992 » Di 6. Apr 2021, 13:56

bele hat geschrieben:Hallo Leonie,

ich habe dazu folgende Grafik im Netz gefunden, deren obere Kurve durchschnittliche Herzfrequenz beim Belastungs-EKG abhängig von der Leistungsstufe zeigt:


Bild
(aus: https://cdn.aerzteblatt.de/pdf/115/24/m409.pdf )

Die Linien in der oberen Abbildung sehen in der Tat so aus, als könnte man sie durch eine Gerade gut annähern. Das stimmt nicht ganz, weil die gegen Ende alle einen Knick machen, aber ich denke, dass man ein lineares Modell annehmen könnte, in dem Herzfrequenzen linear von der Leistung abhängen. Demnach könntest Du Deine 5 Leistungsstufen auch durch Leistungswerte in Watt ersetzen und die als metrische UV in Dein Modell aufnehmen.

Die verschiedenen Farben in der Abbildung oben beschreiben Leistungsgruppen und wahrscheinlich willst Du ja zeigen, dass das Trainingsprogramm mit von einer Leistungsgruppe in eine andere Leistungsgruppe hebt. Vergleicht man die Leistungsgruppen, dann verlaufen die Kurven nicht parallel zueinander, sondern mit unterschiedlichen Steigungen. In der Abbildung oben liegen die rote und die gelbe Kurve bei 40, 80 und 120 Watt nicht gleich weit auseinander sondern der Abstand wird immer größer. Es erscheint wenig sinnvoll, einen gemeinsamen Koeffizienten für Deine UV1 zu errechnen, der ja eine gemeinsame und konstante Differenz wäre, um wieviel die Herzfrequenz in allen Belastungsstufen höher (niedriger) wird, durch das Training. Du solltest eine Auswertung finden, die auf diese veränderte Steigung Rücksicht nimmt. Je nachdem, wie Du Statistik gelernt hast wären mögliche Stichworte "Interaktion", "Interaktionsterm" oder auch "Moderatoranalyse".

Wenn man noch einen Schritt weiter gehen wollte, könnte man von der Geraden weggehen und in einem generalisierten linearen Modell anstelle einer Geraden eine logistische Funktion anpasst, aber das lineare Modell der ANOVA erscheint erstmal passend.

LG,
Bernhard


Hallo Bernhard,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

Den Leistungsstufen stehen tatsächlich konkrete Angaben in Watt gegenüber, sodass ich dies ändern könnte. Da bei der zweifaktoriellen Anova mit Messwiederholung die UVs kategorial sein sollen, hatte ich mich dafür entschieden, sie als Stufen (1-5) zu kategorisieren.

Zu den Leistungsgruppen: Ich vergleiche keine verschiedenen Gruppen, sondern habe nur eine Gruppe, die den Belastungstest vor und nach einem Trainingsprogramm absovliert hat. Ich messe also jeweils den gleichen Teilnehmenden zu zwei Messzeitpunkten. Daher hatte ich mich für ein Verfahren mit Messwiederholung entschieden.
Vielen Dank für deinen Hinweis zu den unterschiedlichen Anstiegen und den Stichworten. Ich bin mir unsicher, ob ich verstehe, worauf du hinaus möchtest. Soweit ich bisher wusste, unterstellen Varianzanalysen keinen linearen Zusammenhang (daher auch kategoriale UVs möglich). Oder wolltest du auf etwas anderes hinaus?
Zu den Stichworten werde ich mich im Einzelnen näher einarbeiten müssen.

Falls du noch einen Gedanken für mich hast, wäre ich sehr froh :).
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Re: Welches statistische Verfahren

Beitragvon bele » Di 6. Apr 2021, 15:57

Hallo Leonie,

persönlich stecke ich gedanklich im Regressionskontext fest und tue mich immer etwas schwer mit der korrekten Übersetzung in Varianzanalysensprech. Beidem liegt das gleiche lineare Modell zugrunde, aber das macht mir das Erklären schwer.

Den Leistungsstufen stehen tatsächlich konkrete Angaben in Watt gegenüber, sodass ich dies ändern könnte. Da bei der zweifaktoriellen Anova mit Messwiederholung die UVs kategorial sein sollen, hatte ich mich dafür entschieden, sie als Stufen (1-5) zu kategorisieren.


Bei der Regressionsanalyse läuft das auf die Frage hinaus, ob man vier Koeffizienten für die Dummyvariablen schätzen muss oder nur einen Koeffizienten für die Steigung. Einen ähnlichen Unterschied wird es in der Varianzanalyse bzw. dann Kovarianzanalyse bei der Berechnung der Freiheitsgrade geben, aber da stehe ich jetzt auf zu dünnen Eis.

Zu den Leistungsgruppen: Ich vergleiche keine verschiedenen Gruppen, sondern habe nur eine Gruppe, die den Belastungstest vor und nach einem Trainingsprogramm absovliert hat. Ich messe also jeweils den gleichen Teilnehmenden zu zwei Messzeitpunkten. Daher hatte ich mich für ein Verfahren mit Messwiederholung entschieden.


Das ist natürlich richtig.

Zu den Stichworten werde ich mich im Einzelnen näher einarbeiten müssen.


Ja, vielleicht ist das die eine Aussage die ich treffen kann, belies Dich zu Interaktionseffekten in der ANOVA und schau, ob das für Dich in diesem Fall relevant ist.

Ansonsten hoffe ich auf andere Antworten hier im Forum von ANOVA-Terminologie-festeren Forumsmitgliedern.

LG,
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Re: Welches statistische Verfahren

Beitragvon strukturmarionette » Di 6. Apr 2021, 23:33

HI,

- N?

hatte ich mich dafür entschieden, sie als Stufen (1-5) zu kategorisieren.

- wie hast du das nachträglich gemacht?

Gruß
S.
strukturmarionette
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Re: Welches statistische Verfahren

Beitragvon bele » Mi 7. Apr 2021, 08:01

strukturmarionette hat geschrieben:
hatte ich mich dafür entschieden, sie als Stufen (1-5) zu kategorisieren.

- wie hast du das nachträglich gemacht?


Nach meinem Verständnis liegen die Daten laut Versuchsprotokoll automatisch in fünf verschiedenen Belastungsstufen genested in je einem Proband und zu je einem Untersuchungszeitpunkt vor. Die Entscheidung betrifft die Frage, ob man das besser als Klassen in einer ANOVA oder als metrischen Leistungswert in einer ANCOVA untersucht.

LG,
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Re: Welches statistische Verfahren

Beitragvon Leonie1992 » Mi 7. Apr 2021, 11:22

strukturmarionette hat geschrieben:HI,

- N?

hatte ich mich dafür entschieden, sie als Stufen (1-5) zu kategorisieren.

- wie hast du das nachträglich gemacht?

Gruß
S.


Hallo,

Das genaue n kann ich leider noch nicht benennen. Ich rechne mit 30-50 Teilnehmenden.

Genau, es ist wie Bernhard sagt. Mir liegen Messwerte der Herzfrequenz zu den jeweiligen Belastungsstufen vor. Die Stufen sind von dem Test vorgegeben. Dabei treten die Teilnehmenden auf einem Ergometer zu jeder Stufe eine bestimmte Wattzahl.
Durch (re)codieren der Variable, kann ich die Stufen kategorisch (Stufe 1-5), wie ich es für eine ANOVA machen würde, codieren.
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Re: Welches statistische Verfahren

Beitragvon Leonie1992 » Mi 7. Apr 2021, 11:23

bele hat geschrieben:Hallo Leonie,

persönlich stecke ich gedanklich im Regressionskontext fest und tue mich immer etwas schwer mit der korrekten Übersetzung in Varianzanalysensprech. Beidem liegt das gleiche lineare Modell zugrunde, aber das macht mir das Erklären schwer.

Den Leistungsstufen stehen tatsächlich konkrete Angaben in Watt gegenüber, sodass ich dies ändern könnte. Da bei der zweifaktoriellen Anova mit Messwiederholung die UVs kategorial sein sollen, hatte ich mich dafür entschieden, sie als Stufen (1-5) zu kategorisieren.


Bei der Regressionsanalyse läuft das auf die Frage hinaus, ob man vier Koeffizienten für die Dummyvariablen schätzen muss oder nur einen Koeffizienten für die Steigung. Einen ähnlichen Unterschied wird es in der Varianzanalyse bzw. dann Kovarianzanalyse bei der Berechnung der Freiheitsgrade geben, aber da stehe ich jetzt auf zu dünnen Eis.

Zu den Leistungsgruppen: Ich vergleiche keine verschiedenen Gruppen, sondern habe nur eine Gruppe, die den Belastungstest vor und nach einem Trainingsprogramm absovliert hat. Ich messe also jeweils den gleichen Teilnehmenden zu zwei Messzeitpunkten. Daher hatte ich mich für ein Verfahren mit Messwiederholung entschieden.


Das ist natürlich richtig.

Zu den Stichworten werde ich mich im Einzelnen näher einarbeiten müssen.


Ja, vielleicht ist das die eine Aussage die ich treffen kann, belies Dich zu Interaktionseffekten in der ANOVA und schau, ob das für Dich in diesem Fall relevant ist.

Ansonsten hoffe ich auf andere Antworten hier im Forum von ANOVA-Terminologie-festeren Forumsmitgliedern.

LG,
Bernhard


Hallo Bernhard,

die Interaktionseffekte klingen wirklich interessant und ich werde mich da auf jeden Fall weiter einarbeiten. Vielen Dank für deinen Hinweis!

Liebe Grüße
Leonie1992
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Re: Welches statistische Verfahren

Beitragvon strukturmarionette » Mi 7. Apr 2021, 12:24

Hi,

- warum codierst du irgendetwas um, wenn diese fünf Stufen-Kategorisierung doch bereits vorbestimmt ist?

Gruß
S.
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Re: Welches statistische Verfahren

Beitragvon Leonie1992 » Mi 7. Apr 2021, 13:11

strukturmarionette hat geschrieben:Hi,

- warum codierst du irgendetwas um, wenn diese fünf Stufen-Kategorisierung doch bereits vorbestimmt ist?

Gruß
S.


Weil bei einer Anova bei den UVs nominales Skalenniveau notwendig ist.
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