Korrelation ergibt keinen Sinn

Bivariate Korrelation, partielle Korrelation und Rangkorrelation.

Korrelation ergibt keinen Sinn

Beitragvon Sulenade » Mi 16. Aug 2017, 01:47

Hallo an alle

Ich schreibe zur Zeit an meiner Bachelor-Arbeit über das Thema Low-Cost-Hypothese in der Umweltsoziologie. Dabei will ich den Einfluss des Umweltbewusstseins auf umweltgerechtes Verhalten unter Berücksichtigung der Verhaltenskosten testen. Postuliert wird die Annahme, dass der Effekt des UB mit steigenden Kosten eines umweltgerechten Verhaltens, abnimmt. Leider bekomme ich ein Ergebnis, das ich in keiner Weise nachvollziehen kann.
(Nutze Allbus-Datensatz 2010). Ich habe zunächst die unabhängige Variable "Umweltbewusstsein" aus einem Mittelwert-Index, bestehend aus 7 Items, zu den entsprechenden Umweltbewusstseinsfragen gebildet (1=niedriges UB - 5=hohes UB). Zur Bestimmung der abhängigen Variablen habe ich 6 Items gewählt wie bspw. das Item "Recyclingverhalten" oder "Das Auto der Umwelt zuliebe stehen lassen" und entsprechend recodiert, sodass ich positive Korrelationen erhalte (1=nie, 2=manchmal, 3=oft, 4=immer). Vorgegangen bin ich nach der Herangehensweise von Dieckmann et al. (1992, 1998). Diese haben eine Low-Cost-Aktivität (Also eine Handlung, die für den sozialen Akteur mit geringen Kosten verbunden ist) als jene bestimmt, die durchschnittlich von vielen Menschen praktiziert wird. Bei der Frage des Recyclings wurde danach gefragt, wie oft dies gemacht wird. 80,1 % antworteten mit "immer" und 15,2 % mit "oft". Somit kann davon ausgegangen werden, dass diese Aktivität mit geringen Kosten verbunden ist. Ich hoffe die Hypothese ist soweit verständlich erklärt. Exemplarisch nehme ich jetzt 2 "Verhaltensvariablen" heran, von denen mir die eine die besagten Probleme verursacht. Bei der Korrelation zwischen dem UB und der Variable "Recycling" erhalte ich eine Korrelation von 0.174** (statistisch hoch signifikant). Der Zusammenhang ist nicht hoch, aber immerhin nachvollziehbar. Die Korrelation zwischen dem UB und der Frage "wie oft aus Umweltgründen der Kauf bestimmter Produkte vermieden wird" ergibt aber nun eine Korrelation von 0.237** (statistisch hoch signfikant) und das, obwohl diese Aktivität von nur 8,1 % der Befragten mit "immer", 35 % mit "oft", 41,9 % mit "manchmal" und 15 % mit "nie" beantwortet wurde, also deutlich weniger. Normalerweise müsste hier allerdings die Korrelation doch deutlich geringer sein bzw. ganz verschwinden oder negativ sein. Doch das sie sogar noch höher ist und statistisch signifikant leuchtet mir nicht ein. Richtig codiert habe ich auch...

Ich hoffe das ist so halbwegs verständlich. Ich weiß nicht, wie ich das Problem sonst hätte darstellen können. Falls sich jemand diesem Problem annehmen sollte, wäre ich demjenigen sehr verbunden.

Grüße
Sulenade
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Re: Korrelation ergibt keinen Sinn

Beitragvon Sulenade » Mi 16. Aug 2017, 01:53

Vielleicht reicht es auch einfach nur zu fragen, warum das UB mit der" Recyclingvariable" geringer korreliert als mit der "Produkte aus Umweltgründen vermeiden"-Variable, wo doch letztere eindeutig eher mit 2 = "manchmal" und 3 "oft" und erstere eindeutig am häufigsten mit 4 = "immer" beantwortet wird. Und das UB entsprechend von 1 = "Geringes UB" - 5 = "hohes UB" als zunehmend definiert wurde.
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Re: Korrelation ergibt keinen Sinn

Beitragvon PonderStibbons » Mi 16. Aug 2017, 09:12

Postuliert wird die Annahme, dass der Effekt des UB mit steigenden Kosten eines umweltgerechten Verhaltens, abnimmt.

Eher umgekehrt. Solange es mit keinen Kosten verbunden ist, machen es alle, und man braucht nicht groß eine entsprechende Einstellung/Motivation. Erst wenn die Sache aufwändiger wird, muss irgendwoher der Antrieb dazu kommen,

Bei der Frage des Recyclings wurde danach gefragt, wie oft dies gemacht wird. 80,1 % antworteten mit "immer" und 15,2 % mit "oft".

Dass solche Fragen valide Angaben erzeugen, würde mich allerdings wundern. Da wird doch sozial erwünscht geantwortet.
Bei der Korrelation zwischen dem UB und der Variable "Recycling" erhalte ich eine Korrelation von 0.174** (statistisch hoch signifikant).

Solche Schöpfungen wie "hoch signifikant" kann man angesichts der großen Stichprobe besser sein lassen, nebenbei bemerkt.

Der angemessene Koeffizient ist der Spearman-Ranngkorrelationskoeffizient. Wurde der benutzt? Pearson wäre falsch.

Unabhängig davon, die eine der beiden Variablen weist extrem wenig Varianz auf, was die Korrelation drückt.

Der Zusammenhang ist nicht hoch, aber immerhin nachvollziehbar. Die Korrelation zwischen dem UB und der Frage "wie oft aus Umweltgründen der Kauf bestimmter Produkte vermieden wird" ergibt aber nun eine Korrelation von 0.237** (statistisch hoch signfikant) und das, obwohl diese Aktivität von nur 8,1 % der Befragten mit "immer", 35 % mit "oft", 41,9 % mit "manchmal" und 15 % mit "nie" beantwortet wurde, also deutlich weniger.

Korrelationen befassen sich mit der Frage, inwieweit 2 Zahlenreihen im Gleichschritt marschieren. Dabei ist es egal, ob eine der beiden Zahlenreihen eher hohe oder eher niedrige Werte aufweist. Ob UB mit eine Variable korreliert wird, deren Werte im wesentlichen bei 1 2 3 liegen, oder mit einer, deren Werte im wesentlichen 2 3 4 sind, ist daher egal.

Eine nheliegende Interpretation wäre hier: bei Verhalten, das hohe Kosten verursacht, steigt die Wahrscheinlichkeit für dessen Ausübung sichtlich mit der Höhe des Umweltbewusstseins. Bei Verhalten, das niedrige Kosten verursacht und sowieso von fast allen praktiziert wird, hat Umweltbewusstsein wenig Einfluss.

Normalerweise müsste hier allerdings die Korrelation doch deutlich geringer sein bzw. ganz verschwinden oder negativ sein.

Wenn nur das herauskommen darf, was Du für normal hälst, wozu dann die ganze Auswertung. Vielleicht wird einfach die Theorie falsifiziert? Sowas ist doch auch der Sinn von Wissenschaft, Annahmen testen und falsche Annahmen verwerfen.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Korrelation ergibt keinen Sinn

Beitragvon Sulenade » Mi 16. Aug 2017, 23:16

Vielen Dank für die Zeit und die ausführliche Antwort. Tatsächlich nimmt die Low-Cost-Hypothese aber wirklich an, dass mit steigenden Kosten der Einfluss des UB sinkt und mit geringen Kosten steigt. Da es Personen mit einem hohen UB in Low-Cost-Situationen leichter fällt, ihr UB in die Tat umzusetzen, in Hoch-Kosten-Situationen allerdings (statistisch gesehen), hat dann selbst ein hohes UB keinen Einfluss mehr (bspw. 10 kilometer mit dem Rad fahren ist selbst für viele Ökos zu anstrengend). Personen mit einem geringen UB, sollten unabhängig von den Kosten, immer die bequemere Variante wählen. In Situationen mit hohen Kosten, so die Annahme, sollte daher der Zusammenhang des UB mit dem Verhalten nicht mehr nennenswert sein. Das die Hypothese möglicherweise falsifiziert sein könnte habe ich mir auch schon gedacht, nur leider weiß ich nicht, ob ich überhaupt richtig vorgegangen bin und dies dann einfach so behaupten kann. Eine Korrelation kann man auch bei nicht-metrischen Skalen anwenden, sie werden dann als quasi-metrisch behandelt und der Informationsverlust soll dabei angeblich vernachlässigbar sein. Trotzdem werde ich die von Ihnen genannten Verfahren ebenfalls anwenden und gucken, was ich dabei für Ergebnisse erhalte.
Zuletzt geändert von Sulenade am Mi 16. Aug 2017, 23:29, insgesamt 1-mal geändert.
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