Vergleich Therapie zweier Gruppen / Case Control

Fragen zur Planung einer Untersuchung oder eines Projekts.

Vergleich Therapie zweier Gruppen / Case Control

Beitragvon Largo2106 » So 8. Feb 2015, 23:20

Hallo allerseits,

ich befinde mich in der Planungsphase meiner Doktorarbeit und bin gerade am Erstellen (verzweifeln) einer Fallzahlplanung.

Es soll sich um eine klinische Studie handeln, die ich in unserer Klinik durchführen möchten. Dabei sollen Pferde mit einer Hufgelenksentzündung in 2 Gruppen aufgeteilt werden und mit verschiedenen Medikamenten behandelt werden (PRP, MSC).

Diese Behandlungen sollen dann im Sinne einer Case Control Study mit der herkömmlichen Behandlungen (Hyaluronsäure) verglichen werden.

Nun habe ich bereits einiges darüber gelesen und weiss folgendes: Für die Fallzahlberechnung sind Angaben zur Power, zum Signifikanzniveau, sowie Angaben zu Mittelwerten und Standardabweichungen nötig.

Da es hier noch wenig bis kaum Literatur gibt, ist es nötig Schätzungen anzustellen und anschließend in einem offenen Verfahren zu arbeiten, um die Fallzahl evtl noch anpassen zu können.

Ich habe jetzt folgendes Problem: nämlich Mittelwerte und Standardabweichungen zu definieren. Die Pferde werden klinisch untersucht und es wird der Lahmheitsgrad festgehalten zu verschiedenen Zeitpunkten. Dieser wird von 0-5 codiert.
Da es solche Studien allerdings noch nicht gibt, kann ich hier keine Werte annehmen.

Einen Anhaltspunkt gibt es aber: Die herkömmliche Therapie verspricht einen Erfolg von ca. 60%. Nun würde ich annehmen, dass die neuen Therapieansätze in Richtung 80% gehen. Diese Prozentangaben beziehen sich auf die Lahmfreiheit zu einer gewissen Zeit (also Heilung).

Kann mir jemand sagen, wie anhand dieser Werte eine Fallzahlplanung durchgeführt werden kann??

Vielen Dank schonmal
Largo2106
Grünschnabel
Grünschnabel
 
Beiträge: 3
Registriert: So 8. Feb 2015, 23:18
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 0 mal in 0 Post

Re: Vergleich Therapie zweier Gruppen / Case Control

Beitragvon bele » Mo 9. Feb 2015, 09:31

Hallo Largo,

dass man für gewisse Parameter Schätzungen (etwa Deine 60%, auch wenn Du noch nicht gesagt hast, was 60% Erfolg sind) einsetzt ist leider oft erforderlich und daher auch in Ordnung. Wie hast Du Dir denn die abschließende Auswertung Deines Experimentes ausgedacht? Welcher Test steht am Ende Deines Konzepts und gibt den entscheidenden p-Wert?

LG,
Bernhard
----
`Oh, you can't help that,' said the Cat: `we're all mad here. I'm mad. You're mad.'
`How do you know I'm mad?' said Alice.
`You must be,' said the Cat, `or you wouldn't have come here.'
(Lewis Carol, Alice in Wonderland)
bele
Schlaflos in Seattle
Schlaflos in Seattle
 
Beiträge: 5781
Registriert: Do 2. Jun 2011, 23:16
Danke gegeben: 15
Danke bekommen: 1358 mal in 1345 Posts

Re: Vergleich Therapie zweier Gruppen / Case Control

Beitragvon Largo2106 » Mo 9. Feb 2015, 10:22

Hi Bernhard,

der Erfolg der Therapie bezieht sich auf die Lahmfreiheit nach 6 Monaten mit der Vorraussetzung, dass das Pferd wieder unter voller Belastung steht. Zur Veranschaulichung ein Beispiel.
Pferd 1 geht bei der Erstuntersuchung 2/5 lahm, die Lahmheit wird mittels Anästhesie auf das Hufgelenk lokalisiert. Pferd 2 geht 3/5 lahm, es wird der PRP-Gruppe zugewiesen während Pferd 1 der HA-Gruppe zugewiesen wird.
Nach mehreren Nachuntersuchungen erfolgt die Abschlussuntersuchung nach 6 Monaten - ist hier keine Lahmheit mehr zu erkennen und das Pferd wird wieder normal belastet, wird die Therapie als erfolgreich eingestuft. Angenommen Pferd 1 geht noch 1/5 lahm und Pferd 2 ist lahmfrei (0/5), wäre mit einem Patienten pro Gruppe der Erfolg der HA-Terapie bei 0% und der Erfolg der PRP-Therapie bei 100%.

Wie die genaue Auswertung erflogt weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Wenn man mal davon ausgeht, dass die Gruppen evtl keine Normalverteilung aufweisen und unverbunden sind (verschiedenes Alter, verschiedene Rassen, verschiedene Nutzungsarten etc.) würde man wahrscheinlich eine Mann-Whitney-U-Test machen.(?)

Danke und Lg
Florian
Largo2106
Grünschnabel
Grünschnabel
 
Beiträge: 3
Registriert: So 8. Feb 2015, 23:18
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 0 mal in 0 Post

Re: Vergleich Therapie zweier Gruppen / Case Control

Beitragvon PonderStibbons » Mo 9. Feb 2015, 10:57

Diese Behandlungen sollen dann im Sinne einer Case Control Study mit der herkömmlichen Behandlungen (Hyaluronsäure) verglichen werden.

Wer hat denn im Zusammenhang mit Deiner Studie diesen Begriff
aufgebracht? Das sieht einfach nach einer historischen Kontrollgruppe
aus.
Wie die genaue Auswertung erflogt weiß ich ehrlich gesagt noch nicht. Wenn man mal davon ausgeht, dass die Gruppen evtl keine Normalverteilung aufweisen

Da Du keine intervallskalierten Messungen hast, sind Überlegungen
zur Normalverteilung irrelevant.

Ein nachvollziehbares Vorgehen wäre, einen binären klinischen Endpunkt
zu definieren (wie eventuell die Ergebnisgröße, die konventionell
60% Erfolg zeigt) und einen klinisch relevanten Effekt zu definieren
(20% ?). Und dann die Fallzahlberechnung anhand Auswertung mit
einem entsprechenden Test für kategoriale Daten.

und unverbunden sind (verschiedenes Alter, verschiedene Rassen, verschiedene Nutzungsarten etc.)

Wenn die Pferde sich je nach Gruppe markant hinsichtlich
Alter, Rasse, Nutzungsarten unterscheiden, dann hat
das keine Bewandnis für die Auswahl des Testverfahrens,
aber Du kannst die Ergebnisse dann nicht mehr interpretieren.

Da dies eine Studie am lebenden Objekt ist, bin ich etwas
überrascht, dass all diese Dinge keinem Fachmann zur Lösung
übertragen werden. Gibt es denn dazu nichts in den
Ethikrichtlinien?

Lg

wtf

Mit freundlichen Grüßen

P.
PonderStibbons
Foren-Unterstützer
Foren-Unterstützer
 
Beiträge: 11268
Registriert: Sa 4. Jun 2011, 15:04
Wohnort: Ruhrgebiet
Danke gegeben: 50
Danke bekommen: 2475 mal in 2459 Posts

Re: Vergleich Therapie zweier Gruppen / Case Control

Beitragvon bele » Mo 9. Feb 2015, 17:00

@PonderStibbons: Ich unterstelle, dass man den Diplomanden/Doktoranden einen Vorentwurf für einen Ethikantrag schreiben lässt und dass dann nochmal jemand drüber guckt. Je nachdem, wie wenig Daten für die beiden Behandlungsprotokolle vorliegen, kann es auch eine ethisch völlig unkritische Studie sein.

@Florian: Wenn ich Deine Erläuterungen richtig verstehe, dann ist das Tier nach der Behandlung entweder symptomfrei oder nicht symptomfrei. Eins oder Null. Und es kommt nur darauf an, in welcher Gruppe der Anteil der symptomfreien höher ist. Richtig?

Das sieht doch dann so aus, als bekämest Du am Schluss eine Vierfeldertafel, die Du dann mit einem Chiquadrat-Test untersuchen willst. Richtig?

Wenn Du R benutzt, dann findest Du tolle Hinweise auf dieser Seite: http://www.statmethods.net/stats/power.html
Wenn Du mit einem online-Calculator zufrieden bist könnte das hier etwas für Dich sein: http://biomath.info/power/

LG,
Bernhard
----
`Oh, you can't help that,' said the Cat: `we're all mad here. I'm mad. You're mad.'
`How do you know I'm mad?' said Alice.
`You must be,' said the Cat, `or you wouldn't have come here.'
(Lewis Carol, Alice in Wonderland)
bele
Schlaflos in Seattle
Schlaflos in Seattle
 
Beiträge: 5781
Registriert: Do 2. Jun 2011, 23:16
Danke gegeben: 15
Danke bekommen: 1358 mal in 1345 Posts

Re: Vergleich Therapie zweier Gruppen / Case Control

Beitragvon Largo2106 » Mi 11. Feb 2015, 00:43

Das sieht einfach nach einer historischen Kontrollgruppe
aus.

Genau so ist es. Da es schon genug Erfahrungen und dementsprechend Studien zur Behandlung mit Hyaluronsäure kann das mit historischen Werten verglichen werden.

Da dies eine Studie am lebenden Objekt ist, bin ich etwas
überrascht, dass all diese Dinge keinem Fachmann zur Lösung
übertragen werden. Gibt es denn dazu nichts in den
Ethikrichtlinien?

Keine Sorge, das wird es schon noch. Allerdings sollte der Vorentwurf einfach gut überlegt sein - es macht wohl wenig Sinn eine Studie durchzuführen, ohne sich nicht auch selbst mit der Planung und der statistischen Auswertung auseinanderzusetzen. Außerdem wurde die Sicherheit der Medikamente in vorhergehenden Pilotstudien bereits überprüft. Des weiteren macht man ja u.a. gerade aus ethischen Gründen eine Fallzahlplanung.

Wenn ich Deine Erläuterungen richtig verstehe, dann ist das Tier nach der Behandlung entweder symptomfrei oder nicht symptomfrei. Eins oder Null. Und es kommt nur darauf an, in welcher Gruppe der Anteil der symptomfreien höher ist. Richtig?


Dies wird sicher die Hauptaussage sein, genau. Allerdings werde ich auch noch andere Punkte beachten: da die Nachuntersuchungen zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgen, kann man sicherlich eine Aussage zur Verbesserung der Lahmheit treffen (Differenz t0-tx). Des weiteren ist natürlich die Rezidivrate, Anzahl der benötigten Injektionen, Rekonvaleszenzzeit etc. interessant.

Ich habe nun mal ein Beispiel anhand der Veränderung der Lahmheitsgrade mittels G-Power durchgerechnet. Die Werte habe einer vergleichbaren Studie entnommen, die Hyaluronsäure mit ACS verglichen hat. Hier hat sich der Lahmheitsgrad bei Gruppe 1 im Schnitt um 1.66 verbessert und in Gruppe 2 um 2.22. Die Standardabweichungen lagen in beiden Gruppen bei etwa 0.7

[4] -- Tuesday, February 10, 2015 -- 23:38:31
t tests - Means: Difference between two independent means (two groups)
Analysis: A priori: Compute required sample size
Input: Tail(s) = Two
Effect size d = 0.8000000
α err prob = 0.05
Power (1-β err prob) = 0.90
Allocation ratio N2/N1 = 1
Output: Noncentrality parameter δ = 3.2984845
Critical t = 1.9965644
Df = 66
Sample size group 1 = 34
Sample size group 2 = 34
Total sample size = 68
Actual power = 0.9015019

[5] -- Tuesday, February 10, 2015 -- 23:38:37
t tests - Means: Difference between two independent means (two groups)
Analysis: A priori: Compute required sample size
Input: Tail(s) = Two
Effect size d = 0.8000000
α err prob = 0.05
Power (1-β err prob) = 0.80
Allocation ratio N2/N1 = 1
Output: Noncentrality parameter δ = 2.8844410
Critical t = 2.0085591
Df = 50
Sample size group 1 = 26
Sample size group 2 = 26
Total sample size = 52
Actual power = 0.8074866

Also einmal mit 80% und einmal mit 90% Power. Denke mal mit solchen Werten lässt sich noch die genauste Aussage treffen, da die Anpassung der Fallzahl während der Studie besser machbar wäre. Was meint ihr dazu?
Largo2106
Grünschnabel
Grünschnabel
 
Beiträge: 3
Registriert: So 8. Feb 2015, 23:18
Danke gegeben: 0
Danke bekommen: 0 mal in 0 Post

Re: Vergleich Therapie zweier Gruppen / Case Control

Beitragvon strukturmarionette » Mi 11. Feb 2015, 02:38

Hi,

ich befinde mich in der Planungsphase meiner Doktorarbeit

(...)
Was meint ihr dazu?


Was (zumindest Deinen Ausführungen nach) fehlt, ist ein Design, welches seriöse Befunde aus den Medikamententests erlaubt.
Wenn das (u.a.) abgeschlossen ist, könnte ein Fallzahlplanung Sinn machen.

Gruß
S.
strukturmarionette
Schlaflos in Seattle
Schlaflos in Seattle
 
Beiträge: 4314
Registriert: Fr 17. Jun 2011, 22:15
Danke gegeben: 32
Danke bekommen: 582 mal in 579 Posts

Re: Vergleich Therapie zweier Gruppen / Case Control

Beitragvon PonderStibbons » Mi 11. Feb 2015, 10:34

Dies wird sicher die Hauptaussage sein, genau. Allerdings werde ich auch noch andere Punkte beachten:

Fallzahlplanungen beziehen sich üblicherweise auf den klinischen
Endpunkt, nicht auf sekundäre Kriterien. Daher müsstest Du Deine
Rechnungen auf das binäre Hauptkriterium beziehen (Vergleich
relativer Häufigkeiten).
PonderStibbons
Foren-Unterstützer
Foren-Unterstützer
 
Beiträge: 11268
Registriert: Sa 4. Jun 2011, 15:04
Wohnort: Ruhrgebiet
Danke gegeben: 50
Danke bekommen: 2475 mal in 2459 Posts


Zurück zu Versuchsplanung

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 0 Gäste