Kendall-Tau-b als Assoziationsmaß

Bivariate Korrelation, partielle Korrelation und Rangkorrelation.

Kendall-Tau-b als Assoziationsmaß

Beitragvon Samhain » Mi 8. Jun 2011, 17:07

Ich möchte für meine Dissertation den nonparametrischen Korrelationskoeffizienten Kendall-tau-b als Schätzer für die interozeptive Wahrnehmungsgenauigkeit meiner Probanden verwenden. Diese werden zu vier Zeitpunkten (Baseline, Entspannung, Stress, Entspannung) an einem Biofeedbackgerät bezüglich verschiedener Parameter, z.B. der Hautleitfähigkeit, gemessen und geben auf einer diskret unterteilten 10stufigen VAS-Skala ihre jeweilige Wahrnehmung an, z.B. schätzen sie die Feuchte ihrer Handinnenflächen zwischen 0 und 10 ein.
Die Korrelationen werden beim Vergleich von jeweils vier Werten natürlich nicht signifikant, das ist allerdings egal, da es ja um ein Assoziationsmaß geht. Im prototypischen Fall (Beispiel Hautleitfähigkeit) schauen die zu korrelierenden Datenreihen folgendermaßen aus:
1,012 5
0,998 4
1,143 7
1,054 5
Das funktioniert eigentlich ziemlich gut, ABER:
In den Fällen, wo die Probanden keine Veränderung ihrer Hautfeuchte gespürt haben und beispielsweise viermal den Wert "5" kreuzten, weigert sich SPSS verständlicherweise (Division durch 0), eine Korrelation zu berechnen.

Ein Professor für Biometrie riet mir bereits, die Werte an dieser Stelle händisch auf 0 zu setzen, da dies seiner Meinung nach die korrekte Interpretation sei. Ich bin damit jedoch unzufrieden:

Für mich macht es einen Unterschied, ob ein Proband mit den Hautleitfähigkeitswerten

1,012
1,012
1,016
1,011

jeweils keine Veränderung spürte, oder ob dies bei einem Probanden mit den Werten

1,012
1,124
0,675
1,002

der Fall ist. Beispiel 1 wäre meiner Auffassung nach dennoch ein guter Selbstwahrnehmer, er hat "korrekt gespürt", dass sich fast nichts änderte, Beispiel 2 ein schlechter Selbstwahrnehmer, er hat trotz großer Veränderungen nichts gemerkt.

Hat jemand eine Idee, wie ich das Problem lösen kann? Soll ich das an sich schicke und aussagekräftige Assoziationsmaß durch ein wie auch immer geartetes Differenzmaß ersetzen? Oder einfach zusätzlich die Varianz berücksichtigen und "händisch" nach einem noch festzulegenden Cut-Off-Kriterium die Probanden in die Gruppe der "guten" oder "schlechten" Selbstwahrnehmer einordnen? Hätte halt den Nachteil, dass meine AV nicht mehr quantifizierbar ist, was spätere Auswertungsmöglichkeiten einengt.
Bin für Hilfe sehr dankbar, habe die Kompetenzen meiner Uniklinik schon ziemlich abgegrast...:-)

P.S. Habe leider nicht herausgefunden, wie man Kendall-Tau-b formelmäßig in den Syntax-Editor von SPSS programmiert, da ich ja nicht Spalten, sondern Zeilenwerte korrelieren möchte. So muss ich immer erst transponieren, bevor ich regulär über die Schaltflächen gehen kann. Hätte ich die entsprechende Formel (bei Pearson ist es kein Problem) könnte ich den Vorgang automatisieren.
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Re: Kendall-Tau-b als Assoziationsmaß

Beitragvon PonderStibbons » Mi 8. Jun 2011, 21:31

Soll ich das an sich schicke und aussagekräftige Assoziationsmaß durch ein wie auch immer geartetes Differenzmaß ersetzen?

Ich für meinen Teil habe nicht so recht verstanden, was genau jetzt
die Fragestellung ist und was da jetzt operationalisiert werden soll.
Danach hat sich dann die Methode zu orientieren.

Gruß

P.
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Re: Kendall-Tau-b als Assoziationsmaß

Beitragvon Samhain » Mi 8. Jun 2011, 22:00

Okay, ich versuche es nochmal. Danke schonmal für die prompte Reaktion :-)
Ich möchte die Güte der interozeptiven Selbstwahrnehmung von Probanden bestimmen und suche dafür eine geeignete Maßzahl. Diese soll sich zusammensetzen aus der per Meßgerät zu verschiedenen Zeitpunkten ermittelten Körperfunktion eines Probanden und dessen zugehöriger subjektiver Selbsteinschätzung auf einer VAS-Skala. Dieses "Mischmaß" selbst soll dann als AV für eine Reihe unterschiedlicher Hypothesentestungen herangezogen werden. Die Probanden unterteilen sich in klinische und Kontrollgruppen, es werden u.a. eine Vielzahl an demografischen Variablen und Persönlichkeitsfaktoren erfasst. Ziel ist natürlich, die Hypothesen zu testen, inwiefern Gruppenzugehörigkeit oder Vorliegen bestimmter anderer Variablenausprägungen Einflüsse auf die interozeptive Wahrnehmungsfähigkeit haben.
Es geht aber letztlich nicht nur um Gruppenvergleiche im Rahmen von multivariaten Varianzanalysen, dafür würde es ja wahrscheinlich genügen, irgendwie gute und schlechte Selbstwahrnehmer in zwei Gruppen einzuteilen, ich hätte halt gern für jede der 85 VPn einen Wert, der auch eine lückenlose quantitative Einschätzung der Selbstwahrnehmungskompetenz erlaubt, so dass ich meine Probanden vom besten bis zum schlechtesten Selbstwahrnehmer anordnen könnte, sollte ich das wollen.
Das Problem beim verwendeten Maß sind nun die ca. 12 Probanden, die während der gesamten Messung keinen Unterschied gespürt haben. Hier steigt der Korrelationskoeffizient aus, weil der die 4 identischen Werte der VAS-Skala quasi als Konstante begreift. Mir ist schon klar, dass das Problem bei den Korrelationskoeffizienten die enthaltene z-Transformation ist, weil da die versuchte Division durch die Standardabweichung zu SPSS-Ausstiegen führt.

Was würden Sie tun, P.?

VG

S.
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Re: Kendall-Tau-b als Assoziationsmaß

Beitragvon PonderStibbons » Do 9. Jun 2011, 09:10

Ich möchte die Güte der interozeptiven Selbstwahrnehmung von Probanden bestimmen

Was heißt inhaltlich genau "Güte der Selbstwahrnehmung"? Worin besteht die, worin
äussert sich die? Ein Begriff wie "Mischmaß" ergibt da leider für mich erstmal wenig Sinn.

Aber davon einmal ab, Wahrnehmungsmessungen gibt es seit Wilhelm Wundt, also ca. 150
Jahren, an sich würde ich vermuten, dass es für Deinen Versuchsaufbau in der Literatur der
Wahrnehmungspsychologie bereits Vorläufer mit entsprechenden Auswertungsmethoden gibt?

Das Problem beim verwendeten Maß sind nun die ca. 12 Probanden, die während der gesamten Messung keinen Unterschied gespürt haben.

Das Problem sind ferner die unterschiedlichen Variabilitäten bei den Körperfunktionen
der Probanden. Dass also die Wahrnehmung unter für jeden Probanden unterschiedlichen
Bedingungen erhoben wird. Die willst Du in Den "Mischmaß" irgendwie integrieren, was ich
noch nicht nachvollziehen kann. Denn wenn jemand eine schlechte/ungenaue/inflexible
/ungenaue/(...) Selbstwahrnehmung, aber sehr starke Schwankungen bei den Körperfunktionen
habe, erreicht er evtl. dieselbe Korrelation wie jemand, der eine sehr genaue
Selbstwahrnehmung aber geringe Schwankungen hat. Das ist die Crux bei Korrelationen, sie
sind streuungsabhängig.

Was würden Sie tun, P.?

Literaturrecherche. Das Problem ist gewiss nicht neu.

Gruß

P.
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Re: Kendall-Tau-b als Assoziationsmaß

Beitragvon Samhain » Do 9. Jun 2011, 14:14

Oh nein, jetzt habe ich solange über einer Antwort gesessen, dass mich das System ausgeloggt hat und mein Text futsch ist. :-(

In aller Kürze: Ich kenne die Literatur zum Thema. Die Verwendung von VAS-Skalen findet tatsächlich nicht so häufig statt, wenn, wird 1.) versucht, die Skalen vorher zu "eichen", indem die VPn in ihrer Verwendung der VAS-Skala geschult werden: Sie stellen über die Rückmeldung durch das Biofeedbacksystem einen minimalen Wert her, prägen sich diesen ein, versuchen ihn wieder allein herzustellen, sie stellen einen maximal hohen Wert her, prägen sich das entsprechende Körpergefühl ein, stellen den Wert selbst wieder her. Dann erst beginnt der eigentliche Versuchsablauf. 2.) Es wird mit Gruppenvergleichen gearbeitet, ohne dass die individuelle Wahrnehmungsleistung des Einzelprobanden von Interesse ist. Die physiologischen Veränderungen je Gruppe werden mit den zugehörigen VAS-Einschätzungen verglichen. Man berechnet, wer näher dran ist.
Hier wird also versucht, möglichst an die Biofeedbackversuche der 60er und 70er Jahre anzuschließen, in denen man versuchte, ein Maß für die "Interozeptionsgenauigkeit" zu finden. Damals waren es meist Versuchsanordnungen, in denen die Probanden die Zahl ihrer Herzschläge mit Hilfe eines Tasters mitprotokollierten. Das Differenzmaß zwischen der tatsächlichen Herzrate und den geschätzen Herzraten war das Maß für die Interozeptionsgenauigkeit.
Aus verschiedenen Gründen wollte ich diese Art Versuch nicht wiederholen, mir sollte es mehr um die relativen Veränderungen bei den Versuchspersonen gehen: Diese starten mit der Instruktion, dass sie, wenn es ihnen schwerfällt, an der Feuchte ihrer Handinnenflächen einen Unterschied zu sonst zu bemerken, auf der VAS-Skala mit einem mittleren Wert beginnen können. Entscheidend ist, ob sie, ausgehend von diesem Wert, während des Versuchsablaufs passierende Veränderungen nach oben oder unten korrekt spüren und auf der VAS-Skala einordnen können. Vielleicht wäre "Wahrnehmungssensibilität" oder "-reagibilität" ein besserer Wort als "Güte", ich weiß es nicht. Die in der Literatur gebrauchten Begriffe sind sehr vielfältig und sich widersprechend.

Ausgangspunkt der ganzen Sache ist übrigens die sehr uneinheitliche Forschungslage zur Interozeption. So gibt es Studien, die Angstpatienten eine größere Wahrnehmungskompetenz als KG-Probanden zubilligen, es gibt Studien, die keine Unterschiede finden und es gibt auch Studien, die bei der Kontrollgruppe eine größere Wahrnehmungsgenauigkeit feststellen.
Das liegt sicher unter anderem an der unterschiedlichen Operationalisierung von Interozeptiver Wahrnehmungskompetenz. Wenn es tatsächlich (im Stil der 60er und 70er) um Genauigkeit geht, schneiden die Angstpatienten schlecht ab, da sie eher zum Überschätzen neigen, wenn allerdings eher gemessen wird, wie schnell und intensiv sie auf kleine Veränderungen reagieren bzw. diese spüren, haben sie hohe Werte.
Mein Ansatz ist dennoch wieder ein anderer: Ich habe in der klinischen Biofeedbackarbeit mit Angstpatienten die Erfahrung gemacht, dass zwar die meisten dem auch im Margrafschen Modell postulierten "Sensitizing" unterliegen, dass heißt, sehr hellhörig auf kleine Veränderungen reagieren, dass es aber auch eine nicht geringe Zahl gibt, die ganz im Gegenteil sehr unsensibel für Veränderungen sind. Diese entwickeln ihre Angstattacken nicht, weil sie bereits sehr kleine Innenreize spüren und sich dann hineinsteigern, sondern diese spüren sehr lange nichts und reagieren erst bei Erreichen einer kritischen Grenze mit einem Angstanfall (ballistic perception model). Dies ist kaum untersucht, aber nicht ohne Bedeutung für die Klinik, weil hier die klassische Desensibilisierung durch eine Sensibilisierung ersetzt werden müsste.
Meine AV sollte mir nun erlauben, die Sensitivität für die Aufs und Abs der Körperfunktionen zu erfassen, dabei wird nicht nur die oft zitierte Hautleitfähigkeit untersucht, sondern auch Herzfrequenz, Pulsamplitude, Fingertemperatur, Muskuläre Verspannung im Nacken, Atemfrequenz und Atemamplitude.
Ich hoffe, dass man aus meinen Ausführungen jetzt etwas schlauer wird, werde aber natürlich auch weiter versuchen, mich verständlich zu machen.
Bei Bedarf kann ich meine Syntax-Programme in den Anhang geben, die z.B. Versuche darstellen, dass des Korrelationskoeffizienten ein Differenzmaß zu berechnen, dass auch in meinen Problemfällen funktioniert.
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Re: Kendall-Tau-b als Assoziationsmaß

Beitragvon Samhain » Fr 10. Jun 2011, 08:54

Um noch einmal auf mein erstes Posting zurückzukommen:

Kann mir jemand erklären, wie ich Kendall-Tau-b als Formel in den SPSS-Syntax-Editor hineinbekomme? Mein Andy Field hilft mir ausnahmsweise nicht weiter und die im Internet gefundene Formel verstehe ich nicht (diese verlangt scheinbar zunächst eine Interpretation der Daten, inwiefern sie gleich- oder gegenläufig sind)?
Danke!
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