Auswertung einer Vollerhebung mit 40% Rücklauf?

Fragen zur Planung einer Untersuchung oder eines Projekts.

Auswertung einer Vollerhebung mit 40% Rücklauf?

Beitragvon Mr.Goodlife » Mi 11. Okt 2017, 15:51

Hallo an Alle,

das ist mein erster Beitrag hier im Forum, deshalb ein besonderes Servus! an die Community hier am Board.

Ich habe nun folgendes Problem. Meine selbsterhobene Umfrage läuft nun aus und ich möchte mit der Auswertung beginnen.

Hier hakt es jetzt nun ein bisschen. Ich habe die gesamte Grundgesamtheit (N=210) angeschrieben und aufgefordert sich zu beteiligen. Somit ist die Umfrage als Vollerhebung und nicht als Stichprobe angelegt. Das heißt ich möchte gerade nicht von der Stichprobe auf eine (unendliche) Grundgesamtheit schließen. Deshalb fällt ja die „schließende Statistik“ also Signifikantests etc weg, oder?

Oder behandle ich jetzt einfach das was zurückgekommen ist als meine Stichprobe und unterstelle das quasi per Annahme? Und gilt das dann als selbstselektierte Vollerhebung? (weil alle angeschrieben wurden?)

Wie sieht es mit der Repräsentativität aus? Beim Geschlecht könnte ich das bei meinem Teil der Gruppe sagen, aber beim Geburtsjahr wird es hingegen sehr schwer.
Ich werde voraussichtlich eine Rücklaufquote von 40% (85-95 Teilnehmerinnen und Teilnehmer) haben.

Und welche Tests würden sich hier anbieten bzw. sind überhaupt (ohne Stichprobe) anwendbar? Lediglich deskriptive Statistiken, Maßzahlen und Korrelationen (die wahrscheinlich für die Beantwortung meiner Hypothesen ausreichen würden) oder zwingend eine multiple Regression für den Gesamtzusammenhang?

So ich hoffe, das erschlägt nicht. Bin für jeden Gedanken/Tipp dankbar!

Viele Grüße :)
Mr.Goodlife
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Re: Auswertung einer Vollerhebung mit 40% Rücklauf?

Beitragvon bele » Mi 11. Okt 2017, 18:07

Hallo!

Mr.Goodlife hat geschrieben:Ich habe die gesamte Grundgesamtheit (N=210) angeschrieben und aufgefordert sich zu beteiligen. Somit ist die Umfrage als Vollerhebung und nicht als Stichprobe angelegt.

Bitte prüfe das kritisch für Dich - immer mal wieder kommt nach solchen Einleitungen im Verlauf dann doch heraus, dass man Schlüsse auf irgendeine zugrundeliegende Regel oder auf andere, ähnliche Populationen ziehen will.

Mr.Goodlife hat geschrieben:Deshalb fällt ja die „schließende Statistik“ also Signifikantests etc weg, oder?

Wenn Du glaubst, dass die Rückläufer repräsentativ für irgendeine größere Gruppe sind, dann nicht.

Mr.Goodlife hat geschrieben:Oder behandle ich jetzt einfach das was zurückgekommen ist als meine Stichprobe und unterstelle das quasi per Annahme?

Du musst Annahmen darüber erstellen, ob Die Gruppe der Rückläufer eher zufällig entschieden hat, zu antworten, oder ob Du glaubst, dass es da zu einer Selektion von Leuten gekommen ist, die anders als andere antworten würden.

Mr.Goodlife hat geschrieben:Wie sieht es mit der Repräsentativität aus?

Musst Du inhaltliche Überlegungen zu anstellen. Beantwortet Dir nicht die Statistik.

Mr.Goodlife hat geschrieben:Lediglich deskriptive Statistiken, Maßzahlen und Korrelationen (die wahrscheinlich für die Beantwortung meiner Hypothesen ausreichen würden) oder zwingend eine multiple Regression für den Gesamtzusammenhang?

Das können wir Dir nicht beantworten. Das kommt darauf an, welche Frage Du beantworten willst und für wie repräsentativ Du die Daten einschätzt. Wenn die FRage lautet: Wieviele PRozent der Mitarbeiter sind glücklich? Dann reicht Deskriptivstatistik. Wenn die Frage lautet, ob Frauen überzufällig häufiger unglücklich sind als Männer, dann brauchst Du ein Testverfahren.


LG,
Bernhard
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Re: Auswertung einer Vollerhebung mit 40% Rücklauf?

Beitragvon Mr.Goodlife » Mi 11. Okt 2017, 23:10

Hallo Bernhard,

vielen lieben Dank für Deine Antworten. Das hilft mir schon mal weiter!

Bitte prüfe das kritisch für Dich - immer mal wieder kommt nach solchen Einleitungen im Verlauf dann doch heraus, dass man Schlüsse auf irgendeine zugrundeliegende Regel oder auf andere, ähnliche Populationen ziehen will.


Nein, ich werde keine Rückschlüsse auf eine andere oder eine ähnliche Populationen ziehen, weil diese in dieser Form absolut einzigartig ist. (bewusst für die Vollerhebung eingegrenzt)

Wenn Du glaubst, dass die Rückläufer repräsentativ für irgendeine größere Gruppe sind, dann nicht.


Bedeutet das, dass wenn ich denke die Rückläufer sind repräsentativ für die Grundgesamtheit wären Signifikantests zu machen? Also Chi-Quadrat, KS etc.

Das können wir Dir nicht beantworten. Das kommt darauf an, welche Frage Du beantworten willst und für wie repräsentativ Du die Daten einschätzt. Wenn die FRage lautet: Wieviele PRozent der Mitarbeiter sind glücklich? Dann reicht Deskriptivstatistik. Wenn die Frage lautet, ob Frauen überzufällig häufiger unglücklich sind als Männer, dann brauchst Du ein Testverfahren.


Es geht um Abhängigkeiten, also werde ich nicht ohne Korrelationen und Regressionen wegkommen.

Wie sieht es denn mit der Verteilung aus? Die Informationen die ich habe sind bezüglich des Geschlechts noch gut zu recherchieren, aber beim Alter wird es schwieriger. Zudem ist es eine sehr junge Gruppe mit wenig Varianz. Spielt das dennoch keine Rolle für einen möglichen Test?

Viele Grüße :)
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Re: Auswertung einer Vollerhebung mit 40% Rücklauf?

Beitragvon strukturmarionette » Mi 11. Okt 2017, 23:49

Hi,

Es geht um Abhängigkeiten,

- Schreib doch nur mal eine Deiner Hypothesen konkret auf einschließlich aller dazugehörigen Variablen mit Einteilung nach UV(s) und AV(s) und die von Dir dabei angenommenen Skalenniveaus der Messwerte.
- Dann ließ sich vieles beantworten.

Gruß
S.
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Re: Auswertung einer Vollerhebung mit 40% Rücklauf?

Beitragvon Mr.Goodlife » Do 12. Okt 2017, 13:22

Hi S.,

klar, gerne. Hier mal exemplarisch vier Hypothesen von mir. In Klammern dahinter steht die von mir angestrebte Auswertungsmethode. Es geht um eine spezifische Gruppe von AkademikerInnen und deren Arbeitszufriedenheit.

1. Je höher das Alter, desto mehr allgemeine Arbeitszufriedenheit weist man auf. (Korrelation, lineare Regression)

--> Alter und Zufriedenheit beides metrisch skaliert.

--> Altersspanne allerdings recht gering (9 Jahre).

2. Frauen weisen generell mehr Arbeitszufriedenheit auf als Männer. (deskriptiv)

--> Geschlecht nominal und Zufriedenheit metrisch.

3. Je länger die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses geht, desto höher fällt die Arbeitszufriedenheit aus. (Korrelation, Regression)

--> Dauer des Beschäftigungsverhältnisses und Zufriedenheit metrisch.

--> Ich würde noch noch auf erbrachte Forschungsleistungen/ eingehen (als weiteren Regressor oder Kontrollvariable?)

4. Umso höher das Alter bei Frauen, desto mehr Arbeitszufriedenheit weisen sie auf. (Multiple Regression)

--> Alter metrisch, Zufriedenheit metrisch, Geschlecht nominal.

Zwischenfrage: Muss ich für die Beantwortung der Hypothesen auch noch jeweils eine H0/H1 Hypothese formulieren oder kann ich direkt aus den Ergebnissen interpretieren und diese damit beantworten?

Es geht in der Untersuchung darum zu schauen, was die Arbeitszufriedenheit beeinflusst, weshalb diese immer meine AV darstellt. Alter, Geschlecht, Entlohnung, Dauer des Beschäftigungsverhältnis etc. dementsprechend die UV.

Viele Grüße :)
Mr.Goodlife
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Re: Auswertung einer Vollerhebung mit 40% Rücklauf?

Beitragvon bele » Do 12. Okt 2017, 13:58

Hi,

Mr.Goodlife hat geschrieben:1. Je höher das Alter, desto mehr allgemeine Arbeitszufriedenheit weist man auf. (Korrelation, lineare Regression)


Das ist eine Korrelationsaufgabe. Wenn es nur um die Stichprobe geht, dann ohne Signifikanztest, wenn Du eine allgemein Regel nachweisen willst, dann mir Korrelationstest. Wenn es nur um die Stichprobe geht, dann ist die untersuchte Altersspanne gleich der relevanten Altersspanne und daher ist es egal, ob sie gering ist. Wenn Du eine allgemeine Regel aufstellen willst, die auch für andere Altersgruppen gelten könnte, beeinträchtigt die geringe Altersspanne die Verallgemeinerbarkeit.

Frauen weisen generell mehr Arbeitszufriedenheit auf als Männer. (deskriptiv)

Was bedeutet das Wort "generell" an dieser Stelle? Ist deskriptiv mit einer Tabelle zweier Mittelwerte zu beantworten.

Je länger die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses geht, desto höher fällt die Arbeitszufriedenheit aus. (Korrelation, Regression)

Wie oben: Wenn nur die Stichprobe beschrieben werden soll, dann nur ein Korrelationskoeffizient, wenn Du nach einer allgemeinen Regel suchst, dann mit Signifikanztest.

4. Umso höher das Alter bei Frauen, desto mehr Arbeitszufriedenheit weisen sie auf. (Multiple Regression)

Wenn die HYpothese sich nur auf Frauen bezieht, wieso willst Du dann das Geschlecht als Prädiktor verwenden? Das ist eine einfache Korrelation von Alter und Zufriedenheit mit dem weiblichen Teil Deiner Stichprobe.

Zwischenfrage: Muss ich für die Beantwortung der Hypothesen auch noch jeweils eine H0/H1 Hypothese formulieren oder kann ich direkt aus den Ergebnissen interpretieren und diese damit beantworten?

Ob die H0 nur implizit oder explizit formuliert werden muss hängt davon ab, für wen Du das machst und wie die oder der das gerne haben möchte.

Es geht in der Untersuchung darum zu schauen, was die Arbeitszufriedenheit beeinflusst, weshalb diese immer meine AV darstellt. Alter, Geschlecht, Entlohnung, Dauer des Beschäftigungsverhältnis etc. dementsprechend die UV.


Das klingt jetzt nach multipler Regression. Mit N=210 kannst Du mehrere Prädiktoren gleichzeitig damit untersuchen und hast methodische Vorteile gegenüber der Untersuchung in vielen paarweisen Korrelationen.

LG,
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Re: Auswertung einer Vollerhebung mit 40% Rücklauf?

Beitragvon strukturmarionette » Do 12. Okt 2017, 16:57

Hi,

Muss ich für die Beantwortung der Hypothesen auch noch jeweils eine H0/H1 Hypothese formulieren

- Derartiges existiert nicht.
- H0 bzw H1 stehen immer nur in Bezug zu einem jeweiligen Signifikanztest.
- H0 und H1 müssen aber bekannt sein und ist -je nachdem- für die statistische und inhaltliche Interpretation bedeutsam.

Gruß
S.
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Re: Auswertung einer Vollerhebung mit 40% Rücklauf?

Beitragvon Mr.Goodlife » Do 12. Okt 2017, 20:57

Hallo,

zu allererst finde ich es wirklich prima wie schnell und kompetent mir hier weitergeholfen wird! Danke Bernhard und S! :)

bele hat geschrieben:Wenn es nur um die Stichprobe geht, dann ohne Signifikanztest, wenn Du eine allgemein Regel nachweisen willst, dann mir Korrelationstest. Wenn es nur um die Stichprobe geht, dann ist die untersuchte Altersspanne gleich der relevanten Altersspanne und daher ist es egal, ob sie gering ist. Wenn Du eine allgemeine Regel aufstellen willst, die auch für andere Altersgruppen gelten könnte, beeinträchtigt die geringe Altersspanne die Verallgemeinerbarkeit.


Ja, es geht nur um die Stichprobe. Meine Grundgesamtheit ist so spezifisch gewählt, dass eine Verallgemeinerung quasi nicht möglich ist. Also deklariere ich mein Datenmaterial somit als Stichprobe, wenn ich per Annahme eine zufällige Antwort unterstelle?

bele hat geschrieben:Ob die H0 nur implizit oder explizit formuliert werden muss hängt davon ab, für wen Du das machst und wie die oder der das gerne haben möchte.


Ich leite die Hypothese aus vorher geschehener empirischer Forschung bzw. der Literatur aus diesem Bereich ab. Dementsprechend handelt es sich um explizite Hypothese richtig? Schreibe eine Masterarbeit in Wirtschaftspsychologie.

strukturmarionette hat geschrieben:- H0 bzw H1 stehen immer nur in Bezug zu einem jeweiligen Signifikanztest.
- H0 und H1 müssen aber bekannt sein und ist -je nachdem- für die statistische und inhaltliche Interpretation bedeutsam.


Okay, das bedeutet, wenn ich mich lediglich auf die Stichprobe beziehe benötige ich keinen Signifikanztest und somit auch keine H0 und H1? Oder muss ich H0 und H1 für Hypothesen oben noch einmal extra formulieren? Finde hier widersprüchliches in vorangegangen Arbeiten...

bele hat geschrieben:Das klingt jetzt nach multipler Regression. Mit N=210 kannst Du mehrere Prädiktoren gleichzeitig damit untersuchen und hast methodische Vorteile gegenüber der Untersuchung in vielen paarweisen Korrelationen.


Meine ganzen 9 Hypothesen sind sehr ähnlich aufgebaut ("Je-desto Hypothesen,") also sind alle mit Korrelationen untersuchen.
Muss ich bei Korrelationen dann gar keine Tests mehr einbauen?

Zum Schluss könnte ich alle Variablen deren Korrelation ich mit Arbeitszufriedenheit untersucht habe in eine multiple Regression packen: Arbeitszufriedenheit (AV) = ß0 + ß1Alter + ß2Geschlecht + ß3Entlohnung + ß4DauerdesBeschäftigungsverhältnisses + ß5Produktivität + u (error term)

Aber inwieweit macht das ich Lichte der vorherig untersuchten Korrelationen Sinn bzw. macht es Sinn, wenn es sich nur auf die Stichprobe bezieht?

Übrigens: Die Grundgesamtheit umfasst 210 Personen. Mein N=90.

Viele Grüße :)
Mr.Goodlife
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