ANOVA mit Messwiederholung

Fragen zur Planung einer Untersuchung oder eines Projekts.

ANOVA mit Messwiederholung

Beitragvon umb1 » Fr 21. Jun 2019, 20:04

Hallo,

ein Freund von mir, der gerade seine Bachelorarbeit schreibt und mitbekommen hat, dass ich für mein Studium selbst etwas mit Statistik machen muss, hat mich nach Rat gefragt.
Ich fasse sein Vorhaben, bzw. was er schon getan hat, mal zusammen. Zuvor aber noch ein Hinweis: Ich selbst gehe manchmal schon etwas zu planlos durch die Welt, seine Herangehensweise an diese Thematik ist aber deutlich unüberlegter gewesen, als es das für eine Abschlussarbeit hätte sein sollen. Viele Entscheidungen, die er in der Vorbereitung oder während der Durchführung getätigt hat, sind ohne konkreten Plan im Hinterkopf gefallen.
Jedenfalls:

Er stellt sich in seiner Arbeit die Frage, ob die visuelle Wahrnehmung einen Einfluss auf die akustische besitzt. Es geht weniger um so Geschichten wie den McGurk-Effekt. Eher um die Wahrnehmung von Musik. Beispiel fürs Verständnis: Man sieht sich ein Video an, auf dem eine Person eine "normale" Gitarre spielt und bewertet das Spiel hinsichtlich mehrerer Aspekte (zb. Klangqualität, etc). Danach wird man gebeten, sich ein zweites Video anzusehen, auf dem eine Person eine andere Gitarre spielt (ich weiß nicht, inwiefern sich die Modelle unterscheiden. Vielleicht sieht sie aggressiver oder ähnliches aus). Danach soll man das Spiel wieder bewerten. Was man als Versuchsperson nicht weiß, ist: Der Ton beider Videos war exakt identisch. Nur das Bild hat sich halt verändert.

So viel zu seinem Thema.

Er hat seine Datenerhebung schon abgeschlossen und daher habe ich keinen Einfluss mehr darauf, wie er das getan hat und was er erhoben hat. Wie ich schon schrieb, sind da - für mich - einige wundersame Entscheidungen gefällt worden.

Er hat statt zwei Videos acht Videos erstellt, die sich alle im Bild unterscheiden, im Ton aber nicht.
Es wurden insgesamt 32 Personen diese Videos vorgelegt. Allerdings haben nicht alle 32 Personen alle acht Videos betrachtet und bewertet, sondern es wurden zwei Gruppen gebildet (jeweils 16 Personen) und die erste Gruppe hat die Videos 1-4 und die zweite Gruppe die Videos 5-8 betrachtet und bewertet.

Zu jedem Video wurden zehn Fragen gestellt, die sich alle auf die Akustik beziehen.

Und nun stehe ich hier und möchte ihm irgendwie helfen, denn ansonsten wirft er wild irgendwelche Zahlen in irgendwelche Excel-Funktionen rein und hofft, dass irgendetwas passiert. Man muss aber auch dazusagen, dass er in seinem Studium nie Statistik hatte und das bei der Bachelorarbeit nicht gefordert wird. Er hat sich das Thema aber selbst rausgesucht und braucht jetzt halt irgendein Ergebnis.

Was sehr schade ist, ist, dass er die 32 Personen in zwei Gruppen aufgeteilt hat und diesen Gruppen jeweils unterschiedliche Videos vorgelegt hat. Mir fällt nämlich nichts ein, wie man das sinnvoll verarbeiten könnte.
Meine Idee war jetzt aber, dass man sich zunächst mal nur eine Gruppe betrachtet und eine einfaktorielle ANOVA mit Messwiederholung rechnet und schaut, ob es Unterschiede zwischen den Bewertungen der vier Videos gibt (Messwiederholung deshalb, da es sich bei den Videos ja um verbundene Stichproben handelt: Eine Person guckt nacheinander alle vier Videos).
Aus den zehn Items, die pro Video beantwortet wurden (eine symmetrisch-formulierte Likert-Skala), würde ich pro Person einen Summenscore rechnen und diesen dann als intervallskaliert annehmen.
Die vier unterschiedlichen Videos würde ich dann als Faktorstufen des Faktors "Video" nutzen.

Wenn es dann keine signifikanten Unterschiede zwischen den Bewertungen der vier Videos gibt, könnte man schlussfolgern, dass das Gesehene keinen Einfluss auf das Gehörte hat. Wenn es Unterschiede zwischen den Videos gäbe, dann wäre die Interpretation vermutlich etwas schwieriger.

Ergibt das so Sinn?

Was mich daran stört, ist halt, dass ich dann die ANOVA nur mit jeweils n=16 rechnen kann.
Wenn ich GPower befrage und folgende Angaben mache:

Effect Size: 0.25
Signifikanzniveau: 0.05
Power: 0.8
Anzahl der Gruppen: 1
Anzahl der Messungen: 4
Korrelation zwischen den Messungen: 0.7

Dann sagt mir das Programm, ich brauche nur eine Stichprobengröße von 15 Personen. Nun ist die Korrelation zwischen den Messungen mit 0.7 recht hoch angegeben. Ich habe ja den Datensatz hier, kann also Korrelationen rechnen. Bei vier Gruppen weiß ich aber nicht, was ich da wie miteinander korrelieren soll, um einen Korrelationskoeffizienten bei GPower anzugeben. Einzelne Korrelationen zwischen jeweils zwei der vier Gruppen liegen zwischen 0.4 und 0.8.

Vorweg: Ich habe das einfach mal so wie oben beschrieben gerechnet und es kommen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Videos raus.
Meine halbwegs konkrete Frage an euch ist nun: Ist die ANOVA mit Messwiederholung ein sinnvolles Verfahren, um - wenn es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Messungen gab - zu dem Schluss zu kommen, dass das Visuelle keinen Einfluss auf die Akustik besitzt?
umb1
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Re: ANOVA mit Messwiederholung

Beitragvon strukturmarionette » Fr 21. Jun 2019, 23:15

Hi,

zu jedem Video wurden zehn Fragen gestellt, die sich alle auf die Akustik beziehen.

- damit wäre zu beginnen:
- Worum geht es?
- Wie lauten die zehn Fragen?
- Wie und womit wurde das Stimulusmaterial gemessen?
...
Er hat statt zwei Videos acht Videos erstellt, die sich alle im Bild unterscheiden

- warum das und wie?

Gruß
S.
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Re: ANOVA mit Messwiederholung

Beitragvon umb1 » Sa 22. Jun 2019, 00:20

Die Fragen sollen den Klang beschreiben. Dafür wird jeweils ein Statement mit einem Attribut präsentiert und man soll angeben, wie stark man diesem Statement zustimmt.
Insofern sind es vielleicht weniger zehn Fragen, als viel mehr zehn Items. Leider kann ich gerade nicht auf diesen Fragebogen zugreifen. An was ich mich erinnern kann:
- hohe Klangqualität
- natürlicher Klang
- hohe Auflösung der Mitten
- ...

Ich bin nicht vom Fach und weiß nicht, ob das irgendwelche stehenden Begriffe / Fachtermini sind oder ob sich der Freund das selbst ausgedacht hat. Inhaltlich beziehen sie sich aber alle auf eine Beschreibung des Klangs des Instruments.

Deine Frage danach, wie das Stimulusmaterial gemessen wurde verstehe ich - glaube ich - nicht ganz. Die Likert-Items, welche die Akustik beschreiben sollen, sind siebenstufig.

Zu deiner vorletzten Frage, dem Warum: Das meinte ich mit den Entscheidungen, die wohl mehr oder weniger willkürlich getroffen wurden. Es gibt auf Nachfrage keinen Grund dafür.
Die Frage nach dem Wie: unterschiedliches Equipment: Verschiedene Gitarren, Tonabnehmer, Verstärker. Dabei gibt es Equipment, welches "professioneller" und welches weniger professionell aussieht. Deshalb auch die Fragen nach zb. der Klangqualität.
Dabei unterscheiden sich die vier bzw. acht Videos in ihrer Konstellation bezüglich des unterschiedlichen Equipments aber nicht ... äh mit einem System. Er hat das Equipment einfach zufällig auf die acht Videos verteilt.

Liebe Grüße,
F.
umb1
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Re: ANOVA mit Messwiederholung

Beitragvon strukturmarionette » Sa 22. Jun 2019, 09:38

Hi,

- dann zunächst deskriptiv tabellarisch je Item (= 8 Fragen) die Unterschiede zwichen den zwei Gruppen (professionell versus weniger professionell) darstellen
- dann je Item einen parametrischen 2-Stichproben Signifikanztest für unabhängige Stichproben (und zur Absicherung der Befunde aus den parametrischen) zusätzlich einen nichparametrischen 2-Stichproben Signifikanztest

Gruß
S.
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Re: ANOVA mit Messwiederholung

Beitragvon umb1 » Sa 22. Jun 2019, 11:46

Danke für die Antwort!

Das ist das Problem: Es gibt nicht zwei Gruppen ("proffesionell" vs. "unproffesionell").
Ich hab das vielleicht undeutlich ausgedrückt, aber es ist auch verwirrend. Insbesondere deshalb, da der Freund das wenig durchdacht hat.

Es gibt Equipment, welches "professionell" und welches das "unprofessionell" aussieht. Ich hätte nun tatsächlich zwei Gruppen mit einmal dem professionellen und einmal dem unprofessionellen Equipment gemacht. Das war aber nicht das, was der Freund von mir getan hat.
Er hat acht Videos gemacht. Und in jedem Video ist sowohl professionelles, wie auch unprofessionelles Equipment vorhanden (zb. Video 1: eine professionelle Gitarre mit einem unprofessionellen Tonabnehmer, mit einem professonellen Verstärker, mit einem unprofessinellen xy; Video 2: eine unprofessionelle Gitarre mit einem professionellen Tonabnehmer, mit einem etc...). Man kann also keine zwei eindeutigen Gruppen bilden.
Zusätzlich, "damit nicht jeder Versuchsteilnehmer acht Videos betrachten muss", wurden zwei (inhaltlich unbedeutende) Gruppen gebildet (je 16 Personen). Und Gruppe1 hat Videos 1 bis 4 und Gruppe2 5 bis 8 betrachtet.
Pro Video wurden dann 10 Fragen (Items) beantwortet.

Ich hätte das eindeutiger schreiben müssen, entschuldige.
Oder hattest du das schon so verstanden und ich hab einen Denkfehler?

Deshalb fiel mir nur eine rmANOVA ein, die man einmal für Gruppe1 und einmal für Gruppe2 rechnen könnte (Messwiederholung, da die Personen innerhalb Gruppe1 bzw 2 die Videos ja nacheinander anschauen).
Man kann sich dann zwar nicht den Unterschied zwischen Professionell vs. Unprofessionell betrachten, aber immerhin könnte man vielleicht sagen, dass das Zeigen von "verschiedenem" Equipment keinen signifikanten Einfluss auf die Bewertung der Akustik hat. Oder ist das inhaltlich zu schwammig, weil man keine inhaltlich klar definierten Gruppen hat?

So sieht beispielsweise die Verteilung zwischen den Videos 1(=a) bis 4(=d) aus:

Bild

Y-Achse: Kein Summenscore der 10 Items, aber der Durchschnitt der 10 Items.


Einen schönen Samstag und entschuldige nochmal für die Verwirrung,
F.
umb1
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Re: ANOVA mit Messwiederholung

Beitragvon bele » Sa 22. Jun 2019, 23:46

Ein Mittelwert aus "natürlicher Klang" und "Auflösung der Mitten" erscheint mir leidlich an den Haaren herbei gezogen - weiß man halt nicht, ohne die 10 Items zu kennen. Ich fände es näher liegend, für jedes der 10 Items gesondert einen Friedman-Test zu rechnen, ob das jeweilige Item je nach visuellem Stimulus unterschiedlich bewertet wurde. Leider musst Du dann Deinem Freund erklären, was es mit Alpha-Fehler-Kumulation zu tun hat, aber das ist hier gar nicht so schlimm:

Du verwendest 10 Friedman-Tests um zu identifizieren, welches der 10 Items sich in Gruppe 1 visuell beeinflussen lässt. Wenn eines signifikant wird, kannst Du die so gewonnene Theorie "Auflösung der Mitten lässt sich visuell beeinflussen" anhand der Daten in Gruppe 2 mit einem weiteren Friedman-Test überprüfen.

Die Stichproben bleiben zu klein, aber wenn Du Gruppe 1 für eine strukturentdeckende Analyse verwendest und Gruppe 2 für eine strukturprüfende, dann hast Du da wenigstens eine Rechtfertigung für das ansonsten dämlich aussehende Vorgehen.

JMTC,
Bernhard


PS: https://www.r-statistics.com/2010/02/po ... st-r-code/
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