Misst eine ANCOVA das, was ich messen will?

Fragen zur Planung einer Untersuchung oder eines Projekts.

Misst eine ANCOVA das, was ich messen will?

Beitragvon Freya » Fr 2. Sep 2022, 22:07

Hallo allerseits,

ich habe eine ANCOVA zur Prüfung meiner Hypothese gerechnet, bin mir aber nicht sicher, ob ich damit wirklich das teste, was ich testen möchte.
In der Studie gibt es zwei Gruppen, Patienten (n=9) und Kontrollprobanden (n=7). Beide haben auf einer visuellen Analogskala (VAS) angegeben, für wie fit sie sich selbst einschätzen (intervallskaliert) und im Rahmen eines Trainings wurde für jeden Teilnehmenden aus physiologischen Daten ein ebenfalls intervallskalierter Fitness-Score erstellt.
Meine Hypothese ist nun, dass der Fitness-Score und die VAS in der Patientengruppe weniger stark miteinander korrelieren werden als in der Kontrollgruppe, bzw. dass sich die Patienten eher auf der VAS in ihrer Fitness überschätzen werden.
Zunächst habe ich eine ANCOVA mit der VAS als abhängigen Variable, der Gruppe als Faktor und dem Fitness-Score als Kovariate gerechnet. Das lässt sich aber meiner Wahrnehmung nach eher interpretieren als "Gruppenunterschied in der VAS unter Konstanthaltung der Fitness", als wäre der Fitness-Score etwas für mich uninteressantes oder störendes - was er ja gar nicht ist.

Ich stehe nun leider etwas auf dem Schlauch und bin bisher auf keine adäquate Alternative gekommen, meine Hypothese zu testen.

Vielen Dank fürs Weiterhelfen!

Liebe Grüße
Freya
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Re: Misst eine ANCOVA das, was ich messen will?

Beitragvon bele » Sa 3. Sep 2022, 10:59

Hallo Freya,

Freya hat geschrieben:In der Studie gibt es zwei Gruppen, Patienten (n=9) und Kontrollprobanden (n=7).


Hmmm, kleine Stichproben, Messwerte mit begrenzter Range und der Gefahr von Decken- und Bodeneffekten, fraglich lineare Effekte -- da kann man eine ANOVA rechnen, aber vielleicht solltest Du auch über nichtparametrische Verfahren, beispielsweise Permutationstests oder Bootstrapping nachdenken.

Meine Hypothese ist nun, dass der Fitness-Score und die VAS in der Patientengruppe weniger stark miteinander korrelieren werden als in der Kontrollgruppe, bzw. dass sich die Patienten eher auf der VAS in ihrer Fitness überschätzen werden.


Sind wir uns einig, dass das zwei ganz unterschiedliche Hypothesen sind und nicht nur eine? Dabei habe ich Probleme, die zweite Hypothese zu verstehen. Es gibt keine etablierte, "wahre" Umrechnung zwischen der Selbsteinschätzung in der VAS und dem auf Messdaten basierenden Score. Wenn es keinen "richtigen" Umrechnungsfaktor gibt, wie kann es dann ein "überschätzen" geben? Überschätzen wäre doch, systematisch einen Wert über dem wahren Wert schätzen. Natürlich könnte man untersuchen, ob die eine Gruppe sich bei konstant gehaltener objektiver Fitness systematisch unterschiedlich selbst einschätzen, aber ob da wer über- oder unterschätzt kann man m.M.n. nicht sagen.

Zunächst habe ich eine ANCOVA mit der VAS als abhängigen Variable, der Gruppe als Faktor und dem Fitness-Score als Kovariate gerechnet.


Damit unterstellst Du, dass man objektive und selbsteingeschätzte Fitness mit einer Geraden ineinander überführen kann, wobei die Geradensteigung für beide Gruppen gleich ist, sie sich aber um eine additive Konstante voneinander unterscheiden. Wenn man an diese Linearität glaubt, dann kannst Du damit untersuchen, ob bei gleicher Fitness die eine Gruppe sich systematisch höher einschätzt als die andere. Je nachdem, kann das die Hypothese zwei beantworten. Die Geradensteigung hast Du laut Modell für beide Gruppen gleich gesetzt, kannst daraus also keine Schlüsse auf Gruppenunterschiede ziehen. Wenn Du auch die Geradensteigung für beide Gruppen getrennt untersuchen möchtest, musst Du noch einen Interaktionsterm Gruppe*Fitnessscore einbeziehen.

Warum könnte Dich die Geradensteigung interessieren? Du bist ja eigentlich auf der Suche, wie Du mit der ANCOVA den Korrelationskoeffizienten nachbilden kannst. Im einfachen linearen Modell ist die Steigung gerechnet aus standardisierten unabhängigen Variablen gleich dem Korrelationskoeffizienten.

https://en.wikipedia.org/wiki/Standardized_coefficient hat geschrieben:For simple linear regression with orthogonal predictors, the standardized regression coefficient equals the correlation between the independent and dependent variables.


Wenn der standardisierte Koeffizient der einen Gruppe höher ist als der standardisierte der anderen Gruppe, dann unterscheidet sich auch die Korrelation.


Wie gesagt, persönlich fände ich das alles viel unkomplizierter und weniger kritisch hinsichtlich der Grundannahmen, wenn man hier einfach zehntausend Bootstrap-Samples oder Permutationen nehmen, zehntausend mal die beiden Korrelationskoeffizienten berechnen und zehntausend mal schauen würde, ob der eine oder der andere Korrelationskoeffizient größer ist. Die zusätzliche Power, die Du durch die ANCOVA hast kommt nämlich genau von den Annahmen, von denen Du nicht weißt, ob sie zutreffen.

Das lässt sich aber meiner Wahrnehmung nach eher interpretieren als "Gruppenunterschied in der VAS unter Konstanthaltung der Fitness", als wäre der Fitness-Score etwas für mich uninteressantes oder störendes - was er ja gar nicht ist.


Das habe ich nicht verstanden. Wieso definiert die Anordnung der Variablen, was interessant und was störend ist? Probanden haben eine Gruppenzugehörigkeit und sie haben eine Fitness. Beides führt dazu, dass sie ihren Strich auf der VAS eher weiter links oder eher weiter rechts machen. Das spricht erstmal gar nichts dagegen. Wenn man nun den Einfluss des einen (Gruppe) untersuchen möchte, dann hält man das andere (Fitness) eben konstant. Natürlich könntest Du auch sagen, dass Du versuchst, aus Gruppenzugehörigkeit und Selbsteinschätzung die tatsächliche Fitness vorherzusagen -- beides geht, ich finde die andere Richtung sympathischer weil ich mir so eher die Kausalität vorstellen kann (muss aber auch nicht sein).

LG,
Bernhard
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