Feedback zu statistischer Analyse

Fragen zur Planung einer Untersuchung oder eines Projekts.

Feedback zu statistischer Analyse

Beitragvon umb1 » Mi 29. Apr 2020, 18:59

Hallo,

ich bin gerade dabei, meine Abschlussarbeit zu planen. Hierfür würde ich Euch gerne kurz vortragen, was ich mir zur Datenauswertung überlegt habe und vielleicht habt Ihr ja ein Feedback für mich. Das würde mich zumindest freuen!
Vielleicht zunächst kurz etwas zur Theorie (aus dem Dunstkreis der Psychologie), damit die nachfolgenden Überlegungen zur Analyse ein bisschen mehr Kontext besitzen.

Der "Raum" zwischen psychotischer Störung und einer (plakativ nun) "gesunder" Person ist nicht leer. Auch in der gesunden Population finden sich sogenannte "Psychotic-like Experiences" (also Verhaltensweisen, Wahrnehmungen, etc. welche an psychotisches Verhalten, Wahrnehmen, etc. erinnern - allerdings nicht so weit gehen, dass sie in irgendeiner Art eine klinische Diagnose rechtfertigen würden). Ein theoretisches Konstrukt, welches diesen "Raum" zwischen "gesund" und psychotischer Störung "füllt" und unter anderem die angesprochenen Psychotic-like Experiences erklärt, ist die sogenannte Schizotypie. Das Modell weist drei Facetten auf: (1) positive, (2) negative und (3) desorganisierte Schizotypie. Die Facetten sind dabei dimensional zu verstehen - die Ausprägungen lassen sich (wie könnte es anders sein) mittels Fragebogen bestimmen.

Eine Überlegung zur Psychose ist, dass betroffene Personen neutrale/unbedeutende Reize nicht so stark "filtern" wie gesunde Personen. Daraus resultieren dann mehrere Dinge, die im Endeffekt auch psychotisches Erleben erklären können.
So viel dazu.

In meiner Arbeit soll es nun darum gehen, ob sich Personen mit höherer Ausprägung der Schizotypie bei einer kognitiven Aufgabe eher von Distraktoren ablenken lassen. Oder anders formuliert: Ob die drei Facetten der Schizotypie gewisse Kennwerte bei der kognitiven Aufgabe erklären.

Die kognitive Aufgabe besteht zunächst einmal nur darin, möglichst schnell Objekte zu zählen (oder dergleichen). Bei der Aufgabe werden zusätzlich im Hintergrund Distraktoren angezeigt, welche die Versuchsperson ablenken sollen. Es gibt theoriegeleitet vier verschiedene Gruppen an Distraktoren.
Als Kennwerte bei der kognitiven Aufgabe erhebe ich:
(a) Fehler bei Aufgaben,
(b) die Reaktionszeit (bis zur Antwort) und
(c) die Dauer, mit welcher die Versuchsperson den Distraktor fixiert hat.

Jeder Versuchsteilnehmer würde mehrere Aufgaben zu jeder Distraktor-Gruppe tätigen.

Zunächst möchte ich herausfinden, ob es zwischen den vier Distraktor-Gruppen Unterschiede hinsichtlich der Kennwerte gibt.
Daher dachte ich daran, zunächst eine MANOVA (mit Messwiederholung) zu rechnen:
AV 1,2,3 = Fehler, Reaktionszeit, Fixationsdauer
UV = Distraktorgruppe (als Faktorstufen dann die vier unterschiedlichen Distraktor-Gruppen)

Post hoc würde ich ggf. überprüfen wollen, wie sich die Gruppen genau unterscheiden.
Damit könnte ich die Annahme, dass die Berücksichtigung der unterschiedlichen Distraktor-Gruppen wichtig ist, überprüfen.


Im zweiten Schritt möchte ich herausfinden, ob die drei Facetten der Schizotypie die Kennwerte a, b und c der kognitiven Aufgabe erklären können.
Dafür wollte ich pro Kennwert vier multiple Regression rechnen:

Fehler (bei Distraktor 1) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)
Fehler (bei Distraktor 2) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)
Fehler (bei Distraktor 3) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)
Fehler (bei Distraktor 4) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)

Reaktionszeit (bei Distraktor 1) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)
Reaktionszeit (bei Distraktor 2) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)
Reaktionszeit (bei Distraktor 3) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)
Reaktionszeit (bei Distraktor 4) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)

Fixationsdauer (bei Distraktor 1) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)
Fixationsdauer (bei Distraktor 2) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)
Fixationsdauer (bei Distraktor 3) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)
Fixationsdauer (bei Distraktor 4) = (positive Schizotypie) + (negative Schizotypie) + (desorganisierte Schizotypie)


Damit könnte ich am Ende die Frage beantworten, ob und wie die drei Facetten der Schizotypie Einfluss auf die kognitive Aufgabe haben. Sollte es einen Einfluss geben, könnte ich ggf. argumentieren, dass eine höhere Ausprägung bei Facette X mit einem "geringeren Filtern" der Umweltreize einhergeht.

So viel zu meinen Überlegungen.
Nun die Frage, die ich Euch gerne stellen möchte: Sind diese Überlegungen aus statistischer Sicht sinnvoll?
Gerate ich in eine wie auch immer geartete Falle?


Beste Grüße

F.
umb1
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Re: Feedback zu statistischer Analyse

Beitragvon bele » Mi 29. Apr 2020, 19:15

Hallo umb1,

danke für die klare Darstellung von Fragestellung und Versuchsaufbau. Als Nicht-Psychologe ist es nicht ganz leicht, sich da einzudenken und zu sagen, was gängig wäre oder was Du vergessen hast. Dennoch hätte ich ein bis zwei Denkanstöße.

umb1 hat geschrieben:Jeder Versuchsteilnehmer würde mehrere Aufgaben zu jeder Distraktor-Gruppe tätigen.
[...]
Im zweiten Schritt möchte ich herausfinden, ob die drei Facetten der Schizotypie die Kennwerte a, b und c der kognitiven Aufgabe erklären können.
Dafür wollte ich pro Kennwert vier multiple Regression rechnen


Bei der MANOVA schreibst Du, dass Du eine Messwiederholungsanalyse einplanst. Bei den multiplen Regressionen sehe ich keine Berücksichtigung dafür, dass die Zahl der Versuchtsteilnehmer kleiner ist als die Zahl der Beobachtungen, sprich: Keine Berücksichtigung des neted designs.

LG,
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Re: Feedback zu statistischer Analyse

Beitragvon PonderStibbons » Mi 29. Apr 2020, 20:10

Wie kommst Du denn an ausreichend Probanden mit höheren bis hohen Schizotypie-Werten?
Dafür wollte ich pro Kennwert vier multiple Regression rechnen:

Du hast eine Messwiederholungs-MANOVA mit den Messwiederholungsfaktoren
Distraktortyp (4 Stufen) und Response (3 Stufen), da kannst Du die
3 Schizotypie-Skalen als Prädiktoren verwenden. Statistische
Signifikanztests aus 12 multiplen Regressionen zu einem stimmigen
Gesamtbild zu vereinen, dürfte hingegen schwierig werden.

Mit freundlichen Grüßen

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Re: Feedback zu statistischer Analyse

Beitragvon umb1 » Sa 2. Mai 2020, 15:23

Zunächst einmal möchte ich mich für meine verspätete Rückmeldung entschuldigen und mich für Eure schnellen Antworten bedanken!

Ich greife zunächst mal PonderStibbons Frage nach der Stichprobe auf: Prinzipiell bewegen wir uns ausschließlich im klinisch nicht-relevanten Rahmen. Je nach Ausprägung der drei Facetten (positiv, negativ, desorganisiert), ist eine Person "näher" an einer klinischen Diagnose. Eine hohe Ausprägung aller drei Facetten geht mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für eine psychotische Störung einher. Allerdings sollten sich auch leicht Personen mit hoher Ausprägungen positiver Schizotypie bei geringen Ausprägungen negativer/desorganisierter Schizotypie in der gesunden Population finden lassen. Die hier beschriebene Person ist dann genauso weit von einer klinischen Störung "entfernt", wie eine Person, die bei allen drei Facetten niedrige Ausprägungen aufweist. Umgekehrt sollte es auch Personen geben, welche höhere Ausprägungen von negativer/desorganisierter Schizotypie aufweisen, allerdings nur geringe Ausprägung positiver Schizotypie. Von außen betrachtet muss dabei keiner der beschriebenen Personen irgendwie "auffällig" oder kli­schee­haft auftreten. In der Literatur lassen sich Studien finden, bei denen die deutsche Fassung des Fragebogens O-LIFE, mit welchem das Konstrukt der Schizotypie erhoben werden kann, von Studenten ausgefüllt wurde; die Ranges bei den Scores der drei Facetten erstrecken sich dabei über die gesamte Skala.
Um zur ursprünglichen Frage zurückzukommen: Wir werden unter Anderem auf Studenten zurückgreifen, allerdings auch gezielt lokale Vereine und Gruppierungen versuchen anzuwerben, welche einerseits eine in der Literatur beschriebene höhere Wahrscheinlichkeit aufweisen oder salopp gesagt dem Verstand nach irgendwie dem Thema nahe stehen könnten.

bele hat geschrieben:Bei der MANOVA schreibst Du, dass Du eine Messwiederholungsanalyse einplanst. Bei den multiplen Regressionen sehe ich keine Berücksichtigung dafür, dass die Zahl der Versuchtsteilnehmer kleiner ist als die Zahl der Beobachtungen, sprich: Keine Berücksichtigung des neted designs.


Stimmt. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Wie würde man diese Messwiederholung denn am besten bei der Regression berücksichtigen? Fällt das dann in den Bereich der Mehrebenenanalyse? Mit Personen als oberste Ebene und Fehler/Reaktion/Fixation als unterste Ebene? Allerdings passt das ja auch gar nicht, wenn ich weiter drüber nachdenke, da ja auf der untersten Ebene nicht das gleiche gemessen wird, wenngleich Fehler/Reaktion/Fixation miteinander korrelieren sollten. Und die Distraktorgruppen müsste man dann ja allerdings auch noch irgendwie unterbringen.

Ich werde beim ziellosen Googlen gerade auch nicht wirklich schlauer. Könnt Ihr mich da in eine Richtung schubsen?

Vielleicht hole ich an dieser Stelle kurz noch mal etwas aus und gehe auf die Distraktoren ein: Die vier Gruppen beschreiben die Distraktoren inhaltlich. Wobei die erste Gruppe als Distraktoren "neutrale" Reize beinhaltet und die vierte Gruppe menschliche Gesichter. Die Gruppen zwei und drei sind quasi Abstufungen dazwischen: Stilisierte Gesichter und eigentlich neutrale Objekte, in denen man mit etwas Vorstellungsvermögen Gesichter erkennen kann (z.B. das Marsgesicht, etc).
Die eigentliche Annahme der Arbeit ist, dass hohe positive Schizotypie mit höheren "Leistungseinbußen" bei der Kognitiven Aufgabe einhergeht, wenn gleichzeitig Distraktoren präsentiert werden.
Vermutlich wird diese Annahme allerdings nur dann zutreffen, wenn die Distraktoren menschliche Gesichter sind.

Vielleicht ist es so etwas einfacher zu verstehen, für was ich die statistische Analyse im Endeffekt benötige.

Theoretisch könnte ich natürlich auch auf vier Gruppen verzichten und nur zwischen Gesicht und Neutral unterscheiden. Vielleicht könnte ich dann etwaige Differenzwerte als Prädiktor mit in die Regression aufnehmen. Das ist mir gerade spontan in den Kopf gekommen, aber ich bin mir nicht sicher, ob das Sinn ergibt oder irgendeins der Probleme löst.


Leicht unsichere Grüße

F.
umb1
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